Hamburg. Neue Bücher von Jonas Jonasson, Dörte Hansen und die weiteren Höhepunkte des Literatur-Herbstes.

    Der Herbst ist mehr als eine Jahreszeit, er ist in literarischer Hinsicht vor allem auch eine Verheißung. Der sogenannte „Bücherherbst“ beginnt für manche schon im Sommer, wenn die Verlage ihre Programme an den Buchhandel und die Redaktionen verschicken. Aber auch die Leser und Käufer selbst müssen eigentlich nicht mehr bis Oktober warten, bis literarische Neuware eintrifft. Die Veröffentlichungsstrategie setzt auf breite Streuung. Was im ­Literaturspätjahr 2018 heißt: Mit Bodo Kirchhoffs Sex-Saga „Dämmer und Aufruhr“ und Maxim Billers Paranoia-Poem „Sechs Koffer“ sind zwei Glanzpunkte der zweiten Jahreshälfte bereits ­erschienen.

    Und dennoch, na klar, gibt es noch viel mehr im Reich der Bücher zu entdecken. Da ist als Erste Nino Haratischwilizu nennen, deren Georgien-Epos „Das achte Leben“ zuletzt auch im Theater eine verblüffende Erfolgsgeschichte wurde. „Die Katze und der General“ (erscheint Ende August) heißt das neue, wieder ziemlich gewichtige neue Buch der Hamburgerin, es erzählt vom Grauen des Tschetschenien-Krieges. So plastisch und fesselnd, dass man das Buch, so abgedroschen dies klingen mag, kaum aus der Hand legen mag.

    Neue literarische Hamburgensien

    Ebenfalls mit den totalitären Gewalterfahrungen beschäftigt ist ein weiterer voluminöser Roman: „Schermanns ­Augen“ handelt vom Gulag und von sowjetischer Gefangenschaft, von zerschredderten Lebensläufen und der Ausweglosigkeit des Lagersystem. Der Autor des Romans ist Steffen Men­sching, seit zehn Jahren Intendant des Theaters im thüringischen Rudolstadt und außerdem Schriftsteller.

    Stephan Thome, Beschreiber deutscher Mittelschichtswelten, rückt in „Gott der Barbaren“ (erscheint im September) die Umtriebe christlicher Missionare im China des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt – wer will, kann Verbindungslinien zum auch religiös grundierten Terror der Jetztzeit ziehen. Neue Romane gibt es von den Bestsellerautorinnen Juli Zeh („Neujahr“ ­erscheint Mitte September, sie liest am 24.9. im Rahmen des Harbour Front Festivals in den Kammerspielen) und Dörte Hansen, deren neuer Provinz­roman „Mittagsstunde“ ab Mitte Oktober zu haben ist. Auch sie stellt ihr neues Werk auf dem Hamburger Literaturfest vor: am 15.10. im Altonaer Theater.

    Richard Ford im Thalia

    Neue literarische Hamburgensien sind im Spätjahr 2018 zu haben von ­Karen Duve („Fräulein Nettes kurzer Sommer“, Lesung am 10.9. im Literaturhaus) und Frank Schulz (Erzählungsband „Anmut und Feigheit“, Lesung am 16.9. auf der „Cap San Diego“). Heinz Strunk liest am 2.11. im Schauspielhaus.

    Zur internationalen Literatur: Einen Höhepunkt bestreitet, was diese angeht, ein Autor, von dem es im Jahr 2018 nichts Neues zu lesen gibt, der dennoch eine deutliche Prominenz im Hamburger Literaturgeschehen beanspruchen darf. Die Rede ist von Richard Ford, der in diesem Jahr mit dem Siegfried-Lenz-Preis ausgezeichnet wird. Am 27.9. liest Ford auf Einladung des Literaturhauses im Thalia, einen Tag später ist die Preisverleihung im Rathaus.

    Wahre Heldin

    Fords amerikanische Landsmännin Jennifer Egan kommt mit ihrem fulminanten 1940er-Jahre-New York-Roman „Manhattan Beach“ zum Harbour Front Festival (14.9., „Cap San Diego“). Eine junge, eine wahre Heldin, die sich in Zeiten des Krieges, der bis nach Brooklyn schwappt, in der Männerdomäne der Marinetaucher einen Namen macht – das ist der Stoff, aus dem im Jahr 2018 gute Literatur entsteht. Egans Buch ­erscheint Ende des Monats, Dave Eggers’ „Der Mönch von Mokka“ Anfang Oktober.

    Der Bestsellerautor („The Circle“) widmet sich in seiner neuen, non-fiktionalen Erzählung der wahren Geschichte eines Amerikaners jemenitischer Herkunft, der sich in den Kopf setzt, fair gehandelten Kaffee aus seiner alten in die neue Heimat zu importieren. Als 2015 Krieg im Jemen ausbricht, kann er unter dramatischen Umständen entkommen. Danach beginnt der erfolgreiche Teil seiner Geschichte, die Eggers, der auch in den Büchern „Weit gegangen“ und „Zeitoun“ die Schicksale realer Menschen beschrieb, so erzählt, als wäre das Leben ein Abenteuer.

    Weitere vielversprechende Titel

    Weitere vielversprechende Titel sind Jeffrey Eugenides’ Erzählungsband „Das große Experiment“ (November), Virginie Despentes’ „Vernon Subutex 3“ (Abschluss der Trilogie, September), Richard Powers’ „Die Wurzeln des ­Lebens“ (Oktober) und Elena Ferrantes früher Roman „Lästige Liebe“ (Oktober). Und der „Hundertjährige“ ist, mit einem mutmaßlichen neuen Superhit, auch wieder da: Jonas Jonassons „Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“ erscheint Anfang September. Zudem beehrt der schwedische Erfolgsautor ein weiteres Mal Hamburg. Er liest am 14.10. in der Laeiszhalle.

    Kein Literaturherbst ohne heimliche oder gar nicht so heimliche Favoriten: „Stimmen“, ein Sammelband von zu Lebzeiten des Autors vor allem digital publizierten Texten, ist ein weiteres Vermächtnis des großen Erzählers Wolfgang Herrndorf und ist ab Ende September zu haben. Und dann wäre da noch die formschöne, gebundene Neu-Ausgabe von Georges Simenons wichtigsten Romanen, die der Verlag Hoffmann und Campe mit dem Kampa-Verlag besorgt. Einige sind neu übersetzt worden. Außerdem legt HoCa Simenons üppige Autobiografie „Intime Memoiren“ (Oktober) wieder auf.