Westerland. Malerin Ute Ringwald sieht die Nordseeinsel mit einem Augenzwinkern. Was der Inselschreiber sagt, der eigentlich Bornholm-Fan ist.

Kein andächtiges Flüstern, schlimmer noch Schweigen, das ein Galeriebesuch oftmals mit sich bringt: Stattdessen ein In-sich-Hineinkichern, auch ein lautes Lachen, gefolgt von einem „Herrlich, genauso ist es!“ ist zwischen den weißen Wänden zu vernehmen. Eine Dame, deren Hinterteil so gewölbt ist wie die Buchsbaumhecke, die sie gerade schneidet, Titel „Kampener Maniküre“, oder Sonnenanbeterinnen am Roten Kliff („Erneuerbare Energie“). Die vornehmlich weiblichen Besucher der Stadtgalerie „Alte Post“ in Westerland können nicht anders, als über sich und ihre Insel zu schmunzeln.

Arbeitete, wo andere Urlaub machen: Künstlerin Ute Ringwald
Arbeitete, wo andere Urlaub machen: Künstlerin Ute Ringwald © Ute Ringwald | Ute Ringwald

Mit ihren „Humoresken Ansichten einer Kultinsel“ hat Ute Ringwald ­anscheinend genau den Geschmack der Sylter getroffen. Rund 30 Bilder zeigen runde, um nicht zu sagen pralle Frauen, die mit offenen Armen und Augen das unbeschwerte Leben genießen. Und ­damit im Gegensatz zur schmalen Silhouette der Insel und auch so mancher Insulanerin stehen. Ringwalds Windsbräute und Wassernixen radeln, surfen, sie schlecken Eis und lassen sich auf dem Wasser treiben.

Sinnlichkeit und Lebensfreude

Ebenso wie einst der Maler Otto Dix sehe auch sie die Welt eben in Kreisen. „Meine Figuren drücken Sinnlichkeit und Lebensfreude aus“, so die in Bad Vilbel lebende, 59 Jahre alte Künstlerin, die ihren Stil als „Malerei mit einem Augenzwinkern“ beschreibt. ­Dazu tragen auch die leuchtenden Farben bei (Türkis für die Nordsee, Pink für Badeanzüge), die mit Acryl auf Leinwand gebracht werden. Dass man ihr Bilder wie „High Society“ oder die golfende „Birdie“ gar nicht übel nehmen kann, liegt an der liebevollen ­Betrachtung ihrer Modelle.

Denn Ringwald gehört wohl zu den wenigen Menschen, die ohne jene ­Assoziationen nach Sylt kamen, die die Nordsee-Reizdestination üblicherweise hervorruft: Porsche, Reetdachhaus, Champagner. Sie wollte sich ihr eigenes Bild – oder vielmehr: ihre eigenen Bilder – machen und bewarb sich bei den Sylter Kunstfreunden als Inselmalerin. Als sie im Juli 2017 erstmals nach Sylt reiste, war sie gespannt auf diese Insel, die „eine Facebook-Gruppe mit mehr als 30.000 Mitgliedern und dazu noch so eine bewegte Historie hat“.

Nördlichste Fischbudenbegegnung

Bei Spaziergängen und Bustouren kam sie schnell in Kontakt mit allen möglichen Leuten, vom leicht ergrauten Cabrio-Fahrer in kurzen, groß karierten Hosen über die Kurgäste an der Promenade bis zu alteingesessenen Syltern und Menschen, die die Insel ­geprägt haben. „Allesamt sehr freundlich“, lautete ihr Resümee nach einer weiteren Woche auf Sylt im Februar. Dabei lernte sie auch Jürgen Gosch kennen, den Maurer, der aus einem Fischimbiss ein Imperium schuf; und auch die Macher der Sansibar und der Kupferkanne traf sie.

Autorenporträt des Sylter Inselschreibers Sascha Reh, 2018, Sascha Reh, Credit: Privat.
Autorenporträt des Sylter Inselschreibers Sascha Reh, 2018, Sascha Reh, Credit: Privat. © Privat | EKATERINA ZERSHIKOVA

Ihre Eindrücke hält sie in Fotografien und Skizzen fest. Im heimischen Atelier entstehen danach die detailreichen Bilder, für die sie schon mal zwei bis drei Wochen benötigt. Sie male keine konkreten Situationen nach. Eher interpretiere sie, was sie sehe, sei es ein Bild in ihrem Kopf, ein Gefühl oder kleines Detail, das sie verbildlicht. Die Gosch-Anekdote etwa findet sich in Form einer Krabbe in dem Bild „Nördlichste Fischbudenbegegnung“ wieder. In „Der Wohlfühlsprung“ will eine ­Dame in einen riesigen Kaffeepott hüpfen, das Markenzeichen der Kupferkanne. Der Leuchtturm von Hörnum, Schafe am Ellenbogen – Ringwalds Werke bieten einen großen Wiedererkennungswert. Das zahlt sich aus: Schon vor der Eröffnung der Ausstellung sind einige Bilder (die Preisspanne beträgt 150 bis 1600 Euro) verkauft.

Sylt statt Bornholm

Für die Künstlerin, die auch selbstständige Designerin ist, sind diese Verkäufe wichtig. Sie durfte die Wohnung der Vereinsvorsitzenden während ihrer Recherchen nutzen, doch die Arbeit als Inselmalerin wurde nicht honoriert. Die Organisation der Ausstellung ­beruht auf Eigeninitiative. „Das muss man sich leisten können.“ Wenn Ute Ringwald nicht gerade im Gespräch mit den Besuchern ist, produziert sie ­bereits für ihre kommende Ausstellung. Und sie will wiederkommen, am liebsten im Herbst, an die weiten Strände von Sylt, die es ihr so angetan haben. Das Licht einfangen, das jeden Morgen anders, besonders ist.

Diese prächtigen, nicht enden wollenden Strände, die einem das Gefühl von Freiheit geben. Auch der in Berlin lebende Autor Sascha Reh („Gegen die Zeit“) war besonders von der Landschaft beeindruckt, als er im Mai zum ersten Mal nach Sylt kam. Als Inselschreiber, gefördert durch ein Stipendium der Sylt Foundation, die regelmäßig Autoren einlädt, um durch Lesungen das Kulturprogramm zu bereichern, aber hauptsächlich, damit sie ihr Werk weiterentwickeln.

„Das kann man dort exzellent tun“, bestätigt Reh, gerade 44 geworden, am Telefon. Zusammen mit seiner Familie bewohnte er zwei Wochen lang ein Künstlerapartment der Foundation in Rantum und nutzte jede Ruhephase, die die Kinder ihm ließen, um am ­immer selben Platz in der Wohnküche zu schreiben.

So vollendete er seine Novelle „Aurora“, die von einer einzigen stürmischen Winternacht handelt, in der eine Hebamme nur mithilfe eines Panzers den Weg zu einer Schwangeren findet. Das kammerspielartige Psychodrama spielt allerdings nicht auf Sylt, sondern auf Bornholm, seiner bisherigen Lieblingsinsel. Das Buch wird Mitte September im Schöffling-Verlag erscheinen.

Die Eindrücke, die der Autor bei Streifzügen über die gesamte Insel machte, sollen aber auf jeden Fall in eines seiner nächsten Bücher einfließen. Um diese Eindrücke zu vertiefen, muss Reh natürlich noch einmal an die Nordsee: Im Sommer 2019 wird er die restlichen sechs Wochen seines Stipendiums antreten. Es gibt Schlimmeres.

„Humoreske Ansichten einer Kultinsel“,
bis 14. Juli in der Stadtgalerie „Alte Post“, Stephanstraße 4, 25980 Westerland,
So–Fr 11.00–19.00, Sa 10.00–19.00,
Eintritt frei;
www.sylter-kunstfreunde.de