Hamburg. Ein starker Jahrgang der Privattheatertage endet mit vier Auszeichnungen. Zukunft des Festivals entscheidet sich im Herbst.
Die 7. Privattheatertage sind ein Erfolg für die Bühnenkunst und beim Publikum gleichermaßen. Trotz sommerlichen Wetters und Fußball-WM kamen 4500 Besucher zu den zwölf geladenen Gastspielen bei einer Auslastung von 86 Prozent.
Es war insgesamt ein starker Jahrgang, dieses Best-of bundesweiter Produktionen, die mehr oder weniger ohne öffentliche Zuschüsse entstanden sind und um den Monica-Bleibtreu-Preis in drei Kategorien wetteiferten. Mit erfreulich hoher Qualität und einigen mutigen Zugriffen. Natürlich ist es einfacher, gute Kunst mit viel Geld zu schaffen. Aber wenn sich Theatermacher und Schauspieler mit Können und Leidenschaft in der Sache zusammenfinden, kann daraus auch mit einfachen Mitteln relevantes, mitreißendes, berührendes Theater entstehen. Nicht nur aus den angestammten Metropolen Berlin oder München, nein auch – zum Beispiel – aus Magdeburg.
Auch wenn die großen Gewinner am Ende dann doch die urbanen Theaterzentren waren. In einer feierlichen Gala, launig moderiert von Chin Meyer und Hans-Werner Meyer, wurden am Sonntagabend in den Kammerspielen die -Bleibtreu-Preise vergeben. Dabei ging eine Auszeichnung auch in die Ausrichter-Stadt: „Buten vör de Döör“, die hoch- und plattdeutsche Version des Kriegsheimkehrer-Dramas von Wolfgang Borchert, von Ingo Putz am Ohnsorg-Theater mit drei Darstellern auf einem Matratzenberg eindringlich inszeniert, gewann in der Kategorie (Moderner) Klassiker.
Preis auch für eine Nicht-Theatermetropole
In der Kategorie Komödie setzte sich „Hungaricum“ vom Studio Theater Stuttgart in der Regie von Christof Küster durch. Das episodisch angelegte, dem Theater des Absurden verpflichtete Stück über abseitige Existenzen rund um eine Tankstelle an der ungarisch-österreichischen Grenze setzt auf skurrilen Humor und rasantes Tempo. Ganz nebenbei verhandelt es zugleich Fragen von Globalisierung und Nationalismus. Das kam bei der Festivaljury an.
In der Kategorie (Zeitgenössisches) Drama gewann verdient das Theater Stuttgart mit der Produktion „7 Minuten“ von Stefano Massini in der Regie von Werner Schretzmeier. In dem Stück um die Auswirkungen des globalisierten Investorenkapitalismus auf die Belegschaft einer Traditionsfirma überzeugten elf Darstellerinnen aus neun Ländern mit ihrem leidenschaftlichem Spiel.
Immerhin ein Preis ging in eine Nicht-Theatermetropole: den Publikumspreis erntete „Enigma“ von Eric-Emmanuel Schmitt in der Regie von Marcus Kaloff vom Theater an der Angel Magdeburg. Die Inszenierung über die Begegnung eines Literaturnobelpreisträgers mit einem Journalisten in skandinavischer Einsamkeit fesselte dank der Bühnenpräsenz der beiden Darsteller und einer hintergründigen Verhandlung des Widerspruchs zwischen Schreiben und Leben.
Tanz auf Messers Schneide
Am Freitag noch ging das Gastspiel des regelmäßig bei den Privattheatertagen gastierenden Berliner Ballhaus Naunynstraße „Walking Large“ von Toks Körner in der Regie von Atif Mohammed Nor Hussein auf Kampnagel über die Bühne. Die Inszenierung wirkte noch ein wenig zu roh und ungeschliffen, um preiswürdig zu sein, aber die vier männlichen Darsteller leisten Beachtliches, um die Geschichte eines im Knast sitzenden mutmaßlichen Totschlägers zu erzählen. Alle Figuren tanzen auf des Messers Schneide. Es geht um – schwarze – Identität. Um den Blick auf sich selbst – und um den der anderen.
Das Gastspiel zeigte exemplarisch, wie auch die Privattheater jenseits von bürgerlichen Ehekomödien ihren Blick auf die gegenwärtige Welt wohltuend geschärft haben. Die eingeladenen Produktionen bildeten aktuelle Fragen und gesellschaftliche Vielfalt ab, verhandelten konventionelle aber eben auch unkonventionelle Beziehungsmodelle. Genau das ist es aber, was auch das Privattheater leisten muss, um langfristig eine relevante Stimme im Kulturbetrieb zu bleiben.
Wie von Initiator Axel Schneider angekündigt, wird sich frühestens im November die Zukunft des Festivals entscheiden, die an der Vergabe von Bundesgeldern hängt. Ein Einscheren in die Finanzierung, falls die Bundesmittel von jährlich 500.000 Euro ausbleiben sollten, hatte Kultursenator Carsten Brosda nicht in Aussicht gestellt. Eine Fortsetzung der Privattheatertage wäre überaus wünschenswert. Das Festival ist bei Theatermachern und Zuschauern etabliert, hat über die Jahre an künstlerischer Qualität gewonnen und zeugt nicht zuletzt von der Wertschätzung jenen Theatern gegenüber, die – auch in Hamburg – aus eigener Kraft und mit geringem Aufwand große Theatermomente schaffen.