Hamburg. Die neue Chefin will die altehrwürdige Einrichtung verändern – und fängt mit der Umbenennung an. Weitere Erneuerungen stehen an.

Das Museum für Völkerkunde Hamburg soll nach Abendblatt-Informationen nach 138 Jahren mit dieser Bezeichnung einen neuen Namen erhalten. Diese Markenkern-Neujustierung ist eine Ergänzungsmaßnahme, die neben einer neu strukturierten Programmatik zu jenen Aktivitäten gehört, mit denen die neue Direktorin Barbara Plankensteiner ihr Haus neu in der öffentlichen Wahrnehmung platzieren will.

„Wir arbeiten intensiv an der Zukunftsprogrammatik des Museums, und dieser Prozess wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, heißt es dazu aus der Museums-Pressestelle. Noch steht kein Name fest, ebenso wenig ein Datum für die Umbenennung oder ein neues Logo; es gibt auch noch keine finalen Erkenntnisse über die damit verbundenen Kosten. Die Fachzeitschrift „Museum aktuell“ schätzte bereits 2014: „Je bedeutender das Museum, umso teurer. Mittlere Museen dürfen schon mal 200.000 Euro oder noch mehr dafür ansetzen.“ Weniger dürfte es drei Jahre später eher nicht werden.

Prof Barbara Plankensteiner, Direktorin Museum für Völkerkunde / Gretschel
Prof Barbara Plankensteiner, Direktorin Museum für Völkerkunde / Gretschel © Andreas Laible | Andreas Laible

Ausschlaggebender Grund sei der bisherige Name selbst: „Der Name ,Museum für Völkerkunde‘ ist für viele junge Personengruppen, Kunstinteressierte und Diaspora-Gemeinschaften, kritische Intellektuelle und Künstler/-innen aus Herkunftsgesellschaften oder lokalen Diaspora-Communitys eine Barriere, da er negative Assoziationen und Emotionen hervorruft“, erklärt das Völkerkundemuseum auf Abendblatt-Anfrage.

Neuer Name, neues Image

„Gerade diese Interessensgruppen wollen wir stärker einbeziehen. Mit dem neuen Namen können wir neue Besucherschichten erschließen und bislang dem Museum ferngebliebene Interessensgruppen gewinnen und zur Zusammenarbeit einladen.“ Man wolle sich in die Reihe jener ethnografischen Museen in Europa einfügen, die „für zukunftsweisende Konzepte in unserem Bereich stehen. Wir denken, ein positives und weltoffeneres Image etablieren zu können, das die neue Ausrichtung des Hauses nach außen transportiert.“

Allein auf weiter Museumsflur sei das Traditionshaus an der Rothenbaumchaussee nicht, wird dort betont: „Die meisten Museen in Europa und auch die Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten umbenannt. ,Völkerkunde‘ wird mit einer kolonialen Haltung assoziiert, und wie die Deutsche Gesellschaft für Kultur- und Sozialanthropologie im Kontext ihrer Umbenennung darauf hingewiesen hat, auch mit völkisch-nationalem Gedankengut.“

Der Begriff böte nur noch wenig positive Identifikationsmöglichkeit. Experten aus der ethnografischen Museumslandschaft, die in ihren Häusern Neupositionierungsprozesse begleitet haben, werden konsultiert, internationale Gäste eingeladen, um über die zukünftige Ausrichtung zu diskutieren.

Beispiel Märkisches Museum

Angst vor Markenkern-Beschädigung hat man im Völkerkundemuseum nicht, im Gegenteil: „Der aktuelle Name ist negativ besetzt und bezeichnet eine Wissenschaft, die es heute nicht mehr gibt. Wir befassen uns nicht mehr mit abgegrenzten ,Völkern‘ oder ,Ethnien‘. In unserer Arbeit stellen wir Kulturen und deren Beziehungen untereinander sowie globale Verflechtungen in Geschichte und Gegenwart in den Mittelpunkt und beschäftigen uns mit der gesellschaftlichen Verankerung des Menschen.“ In der ethnografischen Muse- umslandschaft gebe es „viele positive Beispiele für Umbenennungen und Neupositionierungsprozesse. Wir hoffen, die Reichweite und Wahrnehmung des Hauses lokal wie international erhöhen zu können.“

Neuer Name, neues Glück? Viele Museumschefs setzen Hoffnung in eine Umbenennung, die oft eine inhaltliche Akzentsetzung unterstreichen soll, wie beim Märkischen Museum in Berlin, das seit Herbst 2016 saniert wird. Es soll nach der geplanten Neueröffnung 2023 „Berlin Museum“ heißen. Ein plakatives Beispiel fürs Hin und Her ist das Frankfurter Völkerkundemuseum: Das frühere „Städtische Völkerkundemuseum“ wurde 1946 zum „Städtischen Museum für Völkerkunde“ und in den 1960ern zum „Museum für Völkerkunde der Stadt Frankfurt am Main“, um 2001 in „Museum der Weltkulturen“ umbenannt zu werden, woraus der tägliche Sprachgebrauch „Weltkulturenmuseum“ machte. In München erhielt das „Staatliche Museum für Völkerkunde“ das Etikett „Museum Fünf Kontinente“ – ohne Erklärung, warum zwei weitere ausgeklammert sind.

Weitere Umbenennungen in Hamburg

Eine Zeitspanne für die Neuausrichtung des Museums-Images durch eine neue Corporate Identity wurde bislang nicht festgelegt, doch schon jetzt schlage sich dieser Prozess in Projekten und Ausstellungsideen für das Völkerkundemuseum nieder, hieß es weiter. Die To-do-Liste der neuen Museumsleitung weist grundsätzliche Aufgaben auf, darunter die Erneuerung der Dauerausstellungen sowie der Formate für Sonderausstellungen, die Gebäudesanierung und die Verbesserung der Depot­lage. Außerdem will man die Website überarbeiten und die Sammlungsbestände online zugänglich machen.

Auf andere Häuser in Hamburg haben Plankensteiners Namens-Pläne eher keinen Effekt. „Die Umbenennung des Museums für Völkerkunde Hamburg ist inhaltlich begründet“, heißt es. Prominentestes hiesiges Beispiel für eine Umbenennung war in den vergangenen Jahre die des Museums für Hamburgische Geschichte, das sich Anfang 2006 ins „hamburgmuseum“ verwandelte und jetzt wieder so wie vorher heißt. Auch in anderen Kultursparten wird gern mal ein neues Etikett entworfen, sobald mit einer neuen Leitung eine neue Lebensabschnittsphase beginnen soll: Das Opernhaus an der Dammtorstraße hieß sowohl Hamburgische Staatsoper als auch Hamburg Oper. Die Musikhalle übernahm mit Laeiszhalle jene Bezeichnung, die in einem Portal über dem Eingang zu lesen ist. Die Hamburger Symphoniker möchten seit 2016 „Symphoniker Hamburg Laeisz­halle Orchester“ heißen.

Für die Kulturbehörde ist der Prozess im Völkerkundemuseum Teil des gewünschten Wandels: „Die geplante Umbenennung soll ein Ergebnis einer umfangreichen inhaltlichen Neupositionierung sein, zu der die neue Direktorin derzeit auch zahlreiche Gespräche führt“, sagte Behördensprecher Enno Isermann. „Barbara Plankensteiner wurde ausdrücklich auch deshalb verpflichtet, weil sie am Weltmuseum in Wien gezeigt hat, wie sie ein Museum erfolgreich umstrukturieren kann, und um den derzeit laufenden Prozess zu initiieren.“ Das Wiener Haus hieß zuvor „Wiener Völkerkundemuseum“.

Traditionen erneuern

Von Umbenennungswünschen in anderen Hamburger Museen ist der Behörde nichts bekannt, sie sieht dem neuen Etikett positiv gestimmt entgegen: Durch die Umbenennung eines „Völkerkundemuseums“ würden die gesellschaftliche Bedeutung des Hauses und damit auch die Akzeptanz noch einmal ganz anders deutlich. Plankensteiner selbst hatte Umdenken über das eigene Sein bereits im April angekündigt: „Man muss Traditionen, wenn sie gut funktionieren, weiterführen. Aber man kann sie auch erneuern.“