Hamburg. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda zur Strahlkraft der Hamburger Museen und die dafür nötigen Bedingungen.
Wie ist es um die Hamburger Museen bestellt? Ein Gespräch mit Kultursenator Carsten Brosda über das neue Kulturbewusstsein der Hamburger, über Kunstvermittlung für bildungsferne Schichten und Leistungssteigerungen trotz Schuldenbremse.
Die Kunstmeile wurde 2010 gegründet, um den Standort aufzuwerten. Vieles hat sich positiv verändert. Was bleibt zu tun?
Carsten Brosda: Die Häuser der Kunstmeile haben sich gemeinsam vorgenommen, eine weit über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommene Dachmarke für die Kunst in Hamburg zu etablieren. Ihre zentrale Lage hat gerade mit Blick auf die steigenden Touristenzahlen den Vorteil, dass viele dort unterwegs sind.
... und die Nachteile, die die Bahnhofsnähe so mit sich bringt ...
Brosda: Dies ist ein typisches Phänomen der Innenstädte, das es so nicht nur in Hamburg gibt. In den letzten Jahren hat sich rund um den Bahnhof viel verbessert. Dies hat zum Teil zur Folge, dass sich die Probleme auf benachbarte Areale verlagern. Wir als Behörde helfen, dass die Museumsleute zum Beispiel mit der Polizei oder dem Bezirk Lösungen finden.
Was ist mit der Plattform zwischen der Kunsthalle und der Galerie der Gegenwart, dem Kunstwerk von Ian Hamilton Finlay, das im Sommer zur Partymeile geworden ist? Wer zahlt die Reinigung?
Brosda: Da das ein Privatgelände der Kunsthalle ist, werden die Kosten von der Kunsthalle zu erbringen sein. Dass die Plattform genutzt wird als urbaner Lebensraum, gehört zu einer lebendigen Stadt dazu. Es geht jetzt darum, dass die Attraktivität dieses Ortes nicht sinkt, sondern steigt.
Städte-Rankings gelten als wichtig, um zukunftsfähig zu bleiben, zentral ist dabei die Kultur. In die Bausubstanz der Museen wurde einiges investiert. Wie wollen Sie ihre inhaltliche Arbeit fördern?
Brosda: Ich glaube nur sehr bedingt an Städte-Rankings. Kunst sollten wir um ihrer selbst willen fördern und nicht, um in Rankings gut dazustehen. Die Häuser machen ausgesprochen attraktive Programme. Das wollen wir weiter stärken.
Wie wollen Sie das stärken?
Brosda: Indem wir die Rahmenbedingungen schaffen und die Museen entsprechend auskömmlich finanzieren. Wir sollten aber auch fragen, ob wir mit den Angeboten die erreichen, die wir erreichen wollen.
Hamburger Kunsthalle: Virtueller Rundgang
Wen wollen Sie erreichen?
Brosda: Besucherstudien besagen, dass rund 50 Prozent der Bürgerinnen und Bürger öffentlich finanzierte Kulturangebote nicht nutzen. Wir sollten darauf achten, dass die Angebote nicht nur für wenige bereits Bekehrte interessant sind, sondern eine Strahlkraft in Bereiche der Stadt hinein bekommen, in denen das noch nicht selbstverständlich ist. Hier müssen wir zum Beispiel neue Vermittlungsmodelle entwickeln. Die Häuser probieren etwa im Rahmen unserer eCulture-Initiative viele unterschiedliche Formate aus.
Die Stadt hat zwei Dinge von internationaler Strahlkraft hinzugewonnen: die Elbphilharmonie und das Weltkulturerbe Speicherstadt. Dennoch liegt der Anteil der Kultur am Gesamthaushalt bei 2,5 Prozent. Was folgt daraus für die Museen?
Brosda: Wir erleben momentan in der Tat etwas Fundamentales: Hamburg entdeckt sich als Kulturstadt wieder. Das funktioniert aber nur, wenn wir das nicht als interessantes Phänomen eines Sommers betrachten, sondern uns fragen, was heißt das eigentlich auf Dauer für die ganze Stadt und die ganze Kulturszene?
Das meine ich.
Brosda: Das ist etwas Tiefgreifendes. Das berührt die Frage: Was ist uns die Kunst wert? Wie gehen wir um mit Musik, Theater, Bildender Kunst im Hinblick auf das bessere Verstehen dessen, was gerade in unserer Gesellschaft passiert? Wir erleben derzeit, dass Fragen nach dem Sinn und den Grundlagen des Miteinanderlebens aktueller und relevanter werden. Mitten in diese Zeit hinein setzt Hamburg mit der Elbphilharmonie ein Statement – und das, während generell die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung und Bedeutung der Kultur steigt.
Und wie steht es in diesem Zusammenhang mit den Museen?
Brosda: Zum einen sind die Museen als kultur- und wissensvermittelnde Institutionen durch solche Debatten angesprochen. Zum anderen ergeben sich aus dem Impuls der Elbphilharmonie Möglichkeiten der Kooperation wie bei der Ausstellung „Elbphilharmonie Revisited“. So etwas wächst, weil die Verantwortlichen es für plausibel halten, und nicht, weil wir das vorschreiben. Ich bin zuversichtlich, dass auf allen Ebenen der Stadt das Bewusstsein dafür steigt, eine Kulturmetropole in Nordeuropa zu sein. Die wächst aus der Gemeinsamkeit, die Kultur stiften kann.
Die Elbphilharmonie hat Weltniveau, die Museen nur hin und wieder. Sollte sich daran etwas ändern?
Brosda: Ich teile diese Auffassung nicht. Wenn ich mir angucke, welche einzigartigen Werke zum Beispiel in der Kunsthalle zu sehen sind oder welche Impulse aus dem Museum für Kunst und Gewerbe mit vielen hochaktuellen und überregional wahrgenommenen Ausstellungen hervorgegangen sind. Solche Dinge müssen weiter möglich sein. Natürlich spielen dabei auch finanzielle Ressourcen eine Rolle – aber eben nicht nur: Ich kann mit viel Geld furchtbar fade Dinge veranstalten und mit wenig Geld die spannendsten Sachen entwickeln. Es geht darum, auch in Zukunft sinnvolle Rahmenbedingungen zu schaffen.
Das heißt, Sie haben sie noch nicht geschaffen?
Brosda: Doch. Aber es geht immer wieder aufs Neue darum, diesen Weg zu bestimmen und weiterzugehen – und das auch dauerhaft zu gewährleisten.
Die Deichtorhallen sind extrem von Sponsoren abhängig. Ist das richtig?
Brosda: Was die Deichtorhallen mit eigenen Erträgen, mit Förderungen von Stiftungen, mit dem Förderkreis und mithilfe von Sponsoren gestemmt haben, ist herausragend. Ich kann daraus nicht per se ein Problem erkennen. Aber wir sind mit den Deichtorhallen sehr intensiv im Gespräch, wie wir sie dauerhaft auf eine sichere Basis stellen können.
Die Museen arbeiten ja bereits sehr effektiv. Wo sehen Sie Spielräume?
Brosda: Die Spielräume müssen wir uns mit guten Ideen erarbeiten. Dabei sind uns mit der Schuldenbremse, die wir bis zum Ende dieses Jahrzehnts einhalten müssen und wollen, enge Grenzen gesetzt. Es ist andererseits unplausibel zu sagen, dass über Jahrzehnte hinweg bei steigenden Kosten mit einem gleichbleibenden Budget gleichbleibend gute Arbeit leistbar ist. In diesem Rahmen gilt es, vernünftige Lösungen zu finden. Ich bin fest davon überzeugt, dass das möglich ist.
Tarif- und Kostensteigerungen werden seit Jahren weitgehend von den Häusern kompensiert. Nun können die Museen irgendwann nicht mehr weiter die Eintrittspreise erhöhen oder eine Ausstellung weniger machen. Warum wird keine dauerhafte, politisch tragfähige Lösung geschaffen?
Brosda: Weil wir trotz Steuermehreinnahmen immer noch einen Haufen Schulden haben. Den abzubauen ist eine Voraussetzung dafür, tragfähige politische Lösungen überhaupt möglich zu machen. Klar ist aber auch, dass wir an den Stellen, an denen es nicht mehr gelingt, helfen und Strukturen verbessern.
Viele Immobilien wurden vor Jahren verkauft. Jetzt gibt jedes Haus Millionen Euro für Miete aus. Ist das sinnvoll?
Brosda: Die Häuser bekommen von der Stadt das, was sie an Miete zu zahlen haben. Früher mussten wir immer Millionen ausgeben, um irgendwann mal dringend notwendige Sanierungen vorzunehmen. Der Gedanke, dass sich eine städtische Gesellschaft mit Sachverstand dauerhaft um die Immobilien kümmert, ist sinnvoll. Dieses Modell soll bei den Museen zukünftig noch verbessert werden. Meine Hoffnung ist, dass sie sich verstärkt um Ausstellungen und Programme kümmern können. Denn die sind es, derentwegen wir die Museen gern besuchen.