Hamburg. Der wie immer versierte Erzähler Jan Costin Wagner schickt seinen finnischen Kommissar Kimmo Joentaa hinein in ein familiäres Drama.
Schon der Titel dieses Buchs ist ungewöhnlich: „Sakari lernt, durch Wände zu gehen“ (Galiani, 235 Seiten, 20 Euro) heißt der neue Kriminalroman von Jan Costin Wagner. Sakari klingt ein wenig japanisch, ist aber der Name eines jungen Finnen, der auf dem Marktplatz in Turku von einem Polizisten erschossen wird, nachdem er nackt, bewaffnet mit einem Messer, in einen Brunnen gestiegen ist. Offenbar fühlte sich der Polizist bedroht, soll ja vorkommen, so etwas. Das ist Wagners erzählerischer Startpunkt, von dem aus er eine Geschichte entwickelt, die weit mehr ist als lediglich ein guter Spannungsroman. Der wie immer versierte Erzähler Wagner schickt seinen finnischen Kommissar Kimmo Joentaa hinein in ein familiäres Drama.
Der Tote war ein friedlicher, sehr sensibler junger Mann, er lebte in einer sogenannten Wolken-WG. Kurz nach seinem Tod brennt das Nachbarhaus seiner Eltern ab, ein kleiner Junge ist danach verschwunden, offenbar hat er Dinge gesehen, die er besser nicht beobachtet hätte.
Der mehrfach ausgezeichnete Krimi-Autor Wagner erzählt seine Geschichte von Liebe, Einsamkeit und Sehnsucht in einer ruhigen Tonart, also jenseits aller genreüblichen Aufgeregtheiten, und dabei durchaus mit jener zarten Poesie und menschlichen Anteilnahme, die berührt. Die leise, geschliffene Form der Spannung nimmt den Leser sofort gefangen. Mit seinem Roman „Sakari lernt, durch Wände zu gehen“, dem sechsten Fall für Kommissar Kimmo Joentaa, hat Jan Costin Wagner, man kann das so sagen: ein lakonisches Meisterwerk geschaffen.
Koppelstätter hat sich selbst übertroffen
Zwei Kriminalromane mit seinem Commissario Grauner hatte der Südtiroler Autor Lenz Koppelstätter bislang herausgebracht. Anständige Geschichten, ordentlich erzählt. Mit seinem dritten Roman, „Nachts am Brenner“ (KiWi, 327 Seiten, 9,99 Euro), aber hat sich Koppelstätter, der im Hauptberuf als Reporter unter anderem für die Zeitschrift „Geo Special“ arbeitet, nun selbst übertroffen. Er erzählt in diesem Buch eine tiefgründige und komplex konstruierte Geschichte um alte Schuld, um Gier, Neid und Angst.
Alles beginnt mit einer Leiche am Brenner. Dort, kurz vor der Grenze zu Österreich, wir befinden uns am Anfang der 80er-Jahre, wurde ein alter Mann offenbar zu Tode geschleift.
Doch wer macht so etwas, wer tötet einen Greis, der sowieso nicht mehr lange zu leben hatte, auf derart brutale Weise? Commissario Grauner und sein Assistent Saltapepe, den es aus Neapel nach Südtirol verschlagen hat, sind ratlos. Ihre Ermittlungen führen sie schließlich in die jüngere Vergangenheit, als Grauners Eltern auf ihrem Hof hingerichtet wurden, und in die ältere, als kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs der Brenner als Nadelöhr diente, durch das hochrangige NS-Verbrecher versuchten, gen Süden zu fliehen.
Koppelstätter erzählt seinen fulminanten Fall sprachlich immer prägnant, mit sehr genau gezeichneten Charakteren und mit detaillierten, atmosphärischen Schilderungen, die die Geschichte ungemein lebendig machen – und er zeichnet dabei gleichsam nebenbei ein facettenreiches Panorama der Historie Südtirols.
„Nachts am Brenner“ ist ein ganz starker Kriminalroman voller Kontraste, in dem die beiden Prinzipien Licht und Schatten in ständigem Wechselspiel stehen – hier der sonnendurchflutete Süden, dort die dunkel-dramatische Bergwelt.