Hamburg. „Das (perfekte) Desaster Dinner“ feiert denkwürdige Premiere. Warum die Hauptdarstellerin ausfiel, wie es weitergeht.

Wenn ein Intendant noch vor der Premiere vor den Vorhang tritt, muss etwas passiert sein. Absage der Vorstellung? Saalräumung? Geld-zurück-Garantie? Theaterleiterin Britta Duah, seit August in dieser Funktion in der Komödie Winterhuder Fährhaus im Amt, überbrachte zunächst die schlechte Nachricht: Hauptdarstellerin Bianca Karsten sei erkrankt. Die gute: Es werde gespielt. „Wundern Sie sich bitte über gar nichts – entsprechend dem Titel des Stücks“, wandte sich Duah an die Besucher von „Das (perfekte) Desaster Dinner“.

Die sollten ihr Kommen nicht ­bereuen. Im Gegenteil: Sie erlebten eine denkwürdige Premiere eines ohnehin turbulenten Stücks mit reichlich Verwechslungspotenzial. Mittendrin: Laura Uhlig als Jacqueline, in der Hand das 122 Seiten dicke Textbuch mit ihren markierten Passagen. Bei nur drei Tagen Probenzeit konnten und wollten sowohl die Schauspielerin als auch ­Regisseur Marcus Ganser nicht ohne Netz und doppelten Boden agieren.

Irrungen und Wirrungen der Liebe

Worum es sich in „Das (perfekte) Desaster Dinner“ dreht? Natürlich um die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Die mit Stefan (Ralf Komorr) verheiratete Jacqueline will eigentlich ihre Mutter besuchen, der Gatte indes das Wochenendhäuschen nutzen, um dort mit seiner Geliebten, einem Model, ­deren Geburtstag zu feiern. Und so schiebt Stefan, genannt „Bärchen“, seinen besten Freund Robert, gespielt von Ganser, als Alibi vor – von wegen ­gemeinsames „Männerwochenende“ ...

Dumm nur, dass Robert der heimliche Geliebte von Stefans Ehefrau ist und die sich doch zum Bleiben entschließt. Noch dümmer für Stefan, dass die ­Geliebte auf dem Weg ist, er daraufhin Robert bittet, diese als seine Flamme auszugeben, und dummerweise noch eine Köchin für das Dinner bestellt ist, die wie die Geliebte Susi heißt.

Marcus Ganser hat das Stück aufgemöbelt

Marcus Ganser, auch für das ­bewusst eindimensionale Bühnenbild verantwortlich, hat das Stück, eine Neufassung des französischen Camoletti-Komödienklassikers „Madame, es ist angerichtet“, nochmals aufgemöbelt. Hier wird, vielmehr soll thailändisch gekocht werden. Als biederer Jung­geselle Robert („Ich bin ein Volltrottel!“) hat Ganser plötzlich drei Frauen am Hals, kreiert immer wieder neue Lügen, um seinen Freund Stefan zu ­decken. Zudem beweist der gebürtige Wiener als großartiger Komödiant, dass man auf einer (Beinahe-)Glatze sehr wohl Locken drehen kann, wenn er plötzlich mit skurrilen Zöpfchen dumm aus der Wäsche guckt. Szenen-, ja Mimikapplaus allein dafür.

Den heimst zu Recht auch Mackie Heilmann als XXL-Köchin Susi ein. Köstlich, wie sie mit holländischem ­Akzent auf fast jede neue Intrige der Männer eingeht, sich dafür Hunderter für Hunderter in die Bluse steckt und trotz aller körperlicher Präsenz filigran das Model-Gehabe karikiert. Demgegenüber hat es Nina Juraga als ­Geliebte auf ihren High Heels anfangs schwer, Schritt zu halten. Als Köchin wider Willen und Lebefrau entwickelt sie mehr und mehr komische Züge. ­Dazwischen steht Ralf Komorr als mal gestresster, mal herrischer bis kindischer Mann in Nöten. Doch im Zusammenspiel mit Jacqueline alias Laura Uhlig funktionieren selbst noch so ­abwegige Lügenkonstrukte.

Reiz und Rasanz

Dank ihres kurzfristigen Engagements gewinnen manche Szenen mit doppeldeutigem Dialogwitz zusätzliche Komik, wenn sie etwa beim Streit zwischen „ihren“ Männern Stefan und Robert hinzufügt: „Ah, jetzt weiß ich endlich wieder, wo wir sind!“ Und eine Liebesszene auf dem Bühnenboden mit Textbuch in der linken und dem Liebhaber in der rechten Hand ist ein Beifall hervorkitzelnder Akt für sich.

Dem Vernehmen nach überlegt Ganser sogar, Laura Uhlig bis zum 19. November jeweils mit Textbuch agieren zu lassen. Danach soll wie geplant Bianca Karsten spielen. Reiz und ­Rasanz hat das Stück so oder so.

„Das (perfekte) Desaster Dinner“ bis 14.1.2018, täglich außer Mo, Komödie Winterhuder Fährhaus, Karten zu 24,09 bis 41,41 in der HA-Geschäftsstelle, Gr. Burstah 18–32,
T. 30. 30 98 98; www.komoedie-hamburg.de