Hamburg. Intendant Michael Lang verabschiedet sich nach 19 Jahren. Mit Jochen Busse gastiert noch mal ein Publikumsliebling.

Auch wenn es Überstunden bedeutet – Michael Lang hat begonnen, aufzuräumen. Einen kurzen Blick gewährt er ins Büro unterm Dach der Komödie Winterhuder Fährhaus. Mit dem Aussortieren ist der Noch-Chef längst nicht fertig. „Meine Nachfolgerin braucht Platz. Immerhin, die ersten zehn Jahre hab ich fast durch“, sagt er.

An diesem Freitag feiert Lang, der nach 19 Jahren in Winterhude bekanntlich zum 1. August als Intendant ans Ohnsorg-Theater wechselt, seine letzte Premiere: Mit Jochen Busse als „Der Pantoffel-Panther“ gastiert noch mal ein Publikumsliebling. Der 76-Jährige zählt zu den 18 Stars von gestern und heute, die auf einer Fotogalerie an der oberen Wand im Fährhaus-Foyer verewigt sind. Theatergeschichte.

Jochen Busse als Pantoffel-Panther

Michael Lang hat sie mitgeprägt und die Komödie Winterhude zu einem der erfolgreichsten Privattheater Deutschlands entwickelt. Ein – was den großen Saal mit seinen gut 600 Plätzen betrifft – bis heute unsubventioniertes Haus. Lang ist in der 29-jährigen Geschichte der Komödie Winterhude der zweite Intendant. Als ihm Gründungsdirektor Rolf Mares 1998 die Nachfolge anbot, überraschte es ihn. Mares war Dozent an der Hochschule für Musik und Theater, an der sich der Orchestermusiker und Musikpädagoge in Kulturmanagement weiterbildete.

Lang, zuvor Klarinettist bei den Philharmonikern Hamburg, konnte sich zwar von Mentor Mares im ersten Jahr einiges abschauen, hatte bis dato jedoch keinerlei Erfahrung im Sprechtheater und im Umgang mit Schauspiel-Stars. Als seine erste Premiere 1999 ausgerechnet „Der dreißigjährige Krieg“ heißen sollte, beschlich ihn ein ungutes Gefühl, offenbart Lang beim Gespräch im Foyer. Drama statt Komödie, hätte das Publikum denken können – trotz der Regie und Mitwirkung von Herbert Herrmann. „Er hatte sofort ein offenes Ohr für mich und verstand meine Sorgen“, erzählt Lang.

Etwa 8500 Abonnenten

Herrmann setzte beim als stur geltenden Autor Curth Flatow eine Titeländerung durch: „Ein Mann, ein Wort“ wurde ein Erfolg und die Basis einer guten Zusammenarbeit. „Die Hochzeitsreise“, auf die sich Herrmann 2011 mit seiner Frau Nora von Collande in Winterhude begab, zählt mit einer Platzauslastung von mehr als 95 Prozent bis heute zu den größten Erfolgen des Hauses. Und mit etwa 8500 Abonnenten liegt die Komödie unter Hamburgs Bühnen noch immer vorn.

Als „König des Boulevardtheaters“ galt hier Wolfgang Spier (1920–2011). Den legendären Regisseur, Schauspieler und Synchronsprecher hat Michael Lang wie zahlreiche weitere Darsteller als äußerst diszipliniert kennengelernt. „Spier wusste, worauf es bei Komödien ankommt, auf höchste Präzision und
exaktes Timing“, erzählt der Intendant.

Stars nehmen, wie sie sind

Lang hat in seiner jungenhaften, freundlichen, indes auch beharrlichen Art gelernt, Stars und Sternchen so zu nehmen, wie sie sind: „Schauspieler sind Menschen, die auf der Bühne ihr Herz ausschütten und manchmal sprichwörtlich die Hosen runterlassen“, sagt der 54-Jährige. Beim Aufräumen im Büro hat Lang auch einen Brief Uwe Friedrichsens von 2003 gefunden: Darin schrieb ihm der im Vorjahr gestorbene Hamburger Theater- und Fernsehschauspieler, er werde die Komödie Winterhude „nie wieder betreten – weder durch den Vorder- noch durch den Hintereingang“.

Friedrichsen war verärgert, dass Lang und Regisseur Jürgen Wölffer, mit seinem Sohn Martin Woelf­fer auch Gesellschafter der Komödie Winterhude, statt seiner Person Dietmar Mues als „Der Hauptmann von Kopenick“ engagiert hatten. Einige Jahre später sprach Friedrichsen wieder mit ihm und merkte ironisch an, Lang sei wohl der einzige Hamburger Intendant, der ihn konsequent nicht besetze.

Keine engen Kategorien oder Genres

Der überzeugende Mues stand indes auch für die Wechselwirkung zwischen dem von Lang seit 2001 kontinuierlich weiterentwickelten Theater Kontraste im kleinen Saal und dem großen im Fährhaus. Lang holte das Ein-Mann-Stück „Leben bis Männer“ mit Mues als Ossi-Fußballtrainer ebenso auf die große Bühne wie die Elternabend-Farce „Frau Müller muss weg“.

Aber egal, ob Farce, Boulevard-Komödie, Lustspiel oder Schwank – der passionierte Theatermacher Lang denkt nicht in engen Kategorien oder Genres. „Die Themen sind heute andere als noch in den 70er- und 80er-Jahren“, meint er. „Auch Unterhaltungstheater mit Großstadtcharakter soll ein Spiegel der Gesellschaft sein, mit Themen wie Familie, heutige Beziehungen, Arbeitswelt, Generationenkonflikte und unterschiedliche Lebensentwürfe“, sagt er.

Einmal selbst auf der Bühne

Mit dem Theater Kontraste, seinem Baby, hat Lang die Kulturlandschaft bereichert, zwei mit je 35.000 Euro dotierte Pegasus-Preise und die überlebensnotwendige Förderung der Kulturbehörde sind Anerkennung dessen. Lang ist dabei stets im Hintergrund geblieben, hat das Wohl der Schauspieler, der 50 Angestellten und das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums im Sinn gehabt.

Einmal jedoch, 2004 sogar eine ganze Woche lang, musste er im eigenen Haus selbst auf die Bühne: Schuld war Walter Plathe, noch so ein Star der Fotogalerie. „Er plante bei uns sein neues Soloprogramm“, erzählt Lang. Der fürs ZDF als „Der Landarzt“ tätige TV-Star wurde aber nicht fertig – und bat Lang, bei seinem „Notprogramm“ mitzuwirken. „Ich war dann Moderator, Stichwortgeber mit Schauspielbezug und Musiker“, erzählt Lang. Es waren sechs weitere Abende von fast 6000 Tagen, die Lang im Theater verbracht hat.

170 Premieren und 850 Darsteller

Zeit zum Klarinettespielen hat er kaum noch, erst recht nicht in diesen Abschiedswochen. Lang hofft, dass die neue Komödien-Leiterin Britta Duah, seit 2008 Vertriebschefin in Winterhude, für ihn einen Rechner frei hat, wenn er als Geschäftsführer des Theaters Kontraste e.V. mal wieder ins Fährhaus kommt: Für das Programm im kleinen Saal bleibt er zunächst bis Sommer 2018 verantwortlich. Ein paar Zahlen hat Lang aber schon sortiert: 170 Premieren und 850 Darsteller in 8000 Vorstellungen hat er seit 1998 erlebt. Und etwa 3,5 Millionen Zuschauer unterhalten. Nicht schlecht für einen Ex-Theater-Novizen.