Hamburg. Spektakuläre Arbeiten des Malers Peter Saul. Sein Werk hat Anklänge an die Pop-Art und ist in seinem Anarchismus einzigartig.

Mit Peter Saul präsentieren die Deichtorhallen nun in der Sammlung Falckenberg einen Maler, der wegen seiner Radikalität und seines figürlichen Stils nie so berühmt wurde wie die Pop-Art-Ikonen Andy Warhol und Roy Lichtenstein. Dennoch hat sein grellbuntes, hyperkritisches Werk Anklänge an die Pop-Art und ist in seinem Anarchismus einzigartig.

Der Künstler

Peter Saul wird 1934 in San Francisco geboren. Als jungen Mann zieht es ihn 1958 nach Europa, am längsten nach Paris, wo er die Gelegenheit ergreift, wichtige Strömungen europäischer Kunst wie den Surrealismus und den Kubismus intensiv kennenzulernen. In dieser Zeit gewinnt er einen distanzierten Blick auf die Kultur und die Politik in seinem Heimatland. In einer Pariser Buchhandlung entdeckt Saul die amerikanische Satirezeitschrift „Mad“. Kurz darauf beginnt er, seinen typischen, comicartig-erzählerischen Stil zu entwickeln.

1964 kehrt Peter Saul zurück nach San Francisco, bald darauf erlebt er eine kreative Krise. Sein treuer Galerist Allan Frumkin findet seine Arbeiten „zu wenig aufregend“. Saul denkt nach und befindet, dass er eigentlich nur in die Zeitungen schauen muss, um „die irre Seite von Amerika“ zu entblößen und reißerisch genug zu werden.

Von da an wird er noch politischer, noch extremer. In seiner Malerei befasst er sich mit Krieg, Gewalt, Massenkonsum, Rassismus und Sexismus. In den 1970er-Jahren widmet er sich den Heroen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, Martin Luther King und Angela Davis. Und er beginnt, mit phosphoreszierenden Farben zu malen. In all dem Chaos und der Überreizung gelingt ihm eine erstaunliche Ausgeglichenheit innerhalb der Bilder. Ein streitbarer Künstler ist er bis heute geblieben.

Die Ausstellung

Wären die Phoenixhallen nicht so großzügig, gäbe es ein Problem: Die hochdynamischen, geradezu explosiven Bilder von Peter Saul brauchen nämlich viel Raum und großen Abstand zueinander. Andernfalls droht Reizüberflutung. Kurator Dirk Luckow hat die Ausstellung so sparsam gehängt, dass die im wahrsten Sinne des Wortes knallvollen Bilder sich ausdehnen können.

Die Schau startet mit dem Frühwerk der 1960er-Jahre, in denen Peter Saul durch seine konsumkritischen Kühlschrank-Bilder auf sich aufmerksam machte – und schreitet durch die Jahrzehnte fort in die oberen Etagen der Phoenixhallen. Ein Schwerpunkt liegt in den 1960er- und 1970er-Jahren. „Peter Saul wollte damals nicht elitär sein. Er wollte machen, was jeder versteht“, sagt Dirk Luckow zum Frühwerk des Künstlers. Er habe die verrohte Welt als brutalisiert und sexuell aufgeladen zeigen wollen.

Die chaotischen Bilder des Peter Saul sind bevölkert von muskulösen Superhelden mit mickrigen Beinchen, deformierten Monstergesichtern oder stereotypen, vollbusigen Frauen, die auf vielerlei Weise gewaltsam penetriert werden. Beile, Pistolen, dicke Seile hängen immer irgendwo herum, Teile eines Verdauungsapparates winden sich über die Leinwand, Blut tropft, Zähne werden geputzt, Geld kursiert, Hunde lecken, und oft steht eine Toilette ohne Deckel im Bild.

Es ist die künstlerische Keule, mit der Saul die Betrachter seiner collagenhaften, flächigen Bilder traktiert. Wer sich ihnen aussetzt, wird mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert.

Auch George W. Bush war für Peter
Saul ein Thema
Auch George W. Bush war für Peter Saul ein Thema © Jeffrey Nintzel Photography

Der Höhepunkt

In dem grotesken Bild „Saigon“ von 1967, das sonst im renommierten Whitney Museum of American Art in New York hängt, treibt Saul seinen Stil auf die Spitze, indem er sich an den Grausamkeiten des Vietnamkriegs abarbeitet. Durch die teils kindlich-lustig erscheinenden Figuren und die bunten Farben koppelt Peter Saul das Unterhaltsame mit dem Monströsen, das er eigentlich darstellen will. Aus grellgrünem Grund ringelt sich ein amerikanischer Soldat empor, der einer vollbusigen, gefesselten Frau ein Messer an den Hals hält. Zugleich schießt ihr sein zum Panzer umgerüstetes Geschlecht zwischen die Beine. Sie spuckt Patronen. Darüber wird ein Vietnamese gefoltert, darunter fährt ein US-Soldat mit narbigem Gesicht seine lange Zunge aus, und alles rotiert in großen dynamischen Schwüngen um- und ineinander. Geschmackvoll ist die Kunst des Peter Saul nicht. Aber wirkungsmächtig.

Peter Saul. Ausstellung bis 28.1.18, Sammlung Falckenberg (S Harburg), Wilstorfer Str. 71, Tor 2. Jeden ersten Sonntag im Monat geöffnet von 12.00–17.00; individuelle Führungen sind nach Anmeldung möglich,T. 32 50 77 62 oder per E-Mail an die Adresse:
sammlungfalckenberg@deichtorhallen.de