Hamburg. Das Ernst Deutsch Theater bringt Bergmans „Szenen einer Ehe“ auf die Bühne. An Aktualität hat der Stoff nichts verloren.

Der Weg vom Ehe-Himmel in die Ehe-Hölle ist kurz. Meistens reicht ein Satz. Oder ein Name. Wie Paula. Johan (Kai Scheve) hat sich verliebt. In Paula, eine halb so alte Studentin. Seine Frau Marianne (Nele Mueller-Stöfen) begreift im ersten Moment nicht, was da gerade passiert. Wie das bürgerliche Idyll, das sie sich in den vergangenen 15 Jahren aufgebaut hat, zusammenkracht. Dabei ahnt sie, dass es in ihrem Leben viel wiederkehrende Routinen gibt. Die sonntäglichen Mittagessen bei den Eltern, die Sommerurlaube in der Hütte, die Johan meistens zum Angeln nutzt, die abendlichen Diskussionen darüber, ob man Sex haben soll oder nicht.

In den ersten beiden „Szenen einer Ehe“ werden die Risse in der Beziehung des schwedischen Paares bereits angedeutet. Wer die attraktive Anwältin und ihren manchmal recht kindischen Mann beobachtet, könnte vermuten, dass sie aus der Ehe ausbrechen wird, weil sie diese Routinen schon in der ersten Szene mit dem Titel „Unschuld und Panik“ benennt. Doch es ist Johan, der eine Affäre beginnt. 1973 brachte Ingmar Bergman, der große schwedische Regisseur, die „Szenen einer Ehe“ mit Liv Ullman und Erland Josephsson als sechsteilige Fernsehserie und in einer Kinofassung heraus, 1981 inszenierte er es in München. 40 Jahre später hat sich Regisseur Harald Weiler der Vorlage angenommen und sie am Ernst Deutsch Theater auf die Bühne gebracht.

Sie bleibt eine begehrenswerte Frau

An Aktualität hat der Stoff nichts verloren, täglich scheitern Beziehungen daran, dass in ihnen nicht kommuniziert wird, dass Partner sich verändern oder sich einer der beiden als Schwein entpuppt. Auch Johan bezeichnet sich so: „Ich bin ein Schwein. Ich werde mich wie ein Schwein benehmen, und das wird schön sein.“ Doch so rüde er seine Frau auch traktiert und mit Gemeinheiten überschüttet, letztlich bleibt er der Unterlegene.

Kai Scheve spielt den Johan als einen Mann, der gern ein Macho wäre, in Wahrheit aber ein kleiner Junge geblieben ist, der sich nach Nestwärme sehnt. Viel über seinen Charakter sagt eine Anfangsszene aus, als Marianne ein ernsthaftes Telefonat mit ihrer Mutter führt und er wie ein Affenmännchen um sie herumtollt. Sein Ausbruchsversuch scheitert später. Bergman ist so gnädig und beschert Johan dennoch ein Happy End, denn auch Marianne kann nicht von dem Mann lassen, der sie hintergangen hat. Sie handelt jedoch aus einer Position der Stärke heraus. Nele Mueller-Stöfen gibt ihrer Figur von Beginn an Selbstbewusstsein. Sie kann reflektieren, man nimmt ihr sofort ab, dass sie die neue Situation als alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern meistert. Außerdem bleibt sie eine begehrenswerte Frau, die jede Menge Avancen bekommt.

Leere zwischen den Protagonisten

Für diese „Szenen einer Ehe“ hat Bühnenbildner Peter Schmidt einen leeren Raum entworfen, der durch verschiebbare Trennwände verändert werden kann und in dem es nur wenige Requisiten gibt. Der Raum signalisiert eine Leere, die zwischen den Protagonisten herrscht, und er schafft gerade im fünften Bild, Titel „Die Analphabeten“, die Möglichkeit zu großer Distanz zwischen dem Paar, das seine Ehe auflösen will. Am Ende gibt es zu Recht langen und kräftigen Beifall für Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner.

„Szenen einer Ehe“ läuft bis 4.11., Ernst Deutsch Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten ab 22,- unter
T. 22701420; www.ernst-deutsch-theater.de