Hamburg. Mit einem politischen Spielzeitauftakt geht es in die Saison 2017/2018. Dabei sind Lechtenbrink, Oper und ein Physiknobelpreisträger.

„Ich liebe es, Theater zu spielen. Es ist so viel realistischer als das Leben.“ Isabella Vértes-Schütter stellt ihrer neuen Spielzeit den feinen Humor des Dandys Oscar Wilde voran. „Leben spielen!“ lautet das Motto des Ernst Deutsch Theaters für die Saison 2017/2018, klar und schnörkellos. Sie wolle in erster Linie „betrachten, reflektieren, Leben neu entwerfen“, erklärt die Intendantin. Das Theater sei für sie ein „Ort, der Träume schafft und Lust macht aufs ­Leben“.

Was nach einem ausgesprochen optimistischen (und zunächst verblüffend diskursfreien) Zugriff auf die Welt klingt, wird schon zum Spielzeitauftakt politisch: Mit einer Bühnenfassung des berühmten George-Orwell-Romans „1984“, die derzeit erfolgreich am Londoner Westend läuft, nimmt das Theater einen hochaktuellen Stoff auf, dem die Wahl des US-Präsidenten Trump zu neuem Ruhm verhalf. Das 1949 erschienene Buch schoss erst jüngst frisch in die Bestsellerlisten, mehr als 180 Arthouse-Kinos in den USA zeigen zudem am 4. April die Verfilmung, aus Protest gegen ihre Regierung. Hamburg-Premiere ist – in der Regie von Elias Perrig – am 31. August.

Julia Richter ist Schillers „Maria Stuart“

Inwiefern eine unverblümte Eheschlacht im Anschluss „Lust aufs Leben“ macht, muss wohl jeder Zuschauer für sich entscheiden (zumal wenn er mit Partner ins Theater kommt): Ingmar Bergmans berühmte „Szenen einer Ehe“, als Kinofilm mit drei Oscars ausgezeichnet und von Bergman selbst 1981 in München auf die Bühne des Residenztheaters gebracht, stehen vom 5. Oktober an im Spielplan. Rolf-Mares-Preisträger Harald Weiler, bislang unter anderem am Theater Kontraste und in Altona engagiert, feiert sein Regiedebüt am EDT, es spielen Nele Mueller-Stöfen und Kai Scheve.

In der Shakespeare-Inszenierung „Der Widerspenstigen Zähmung“, die derzeit am Ernst Deutsch Theater zu sehen ist, stehen keine prominenten Namen auf der Besetzungsliste. Trotzdem gehört sie schon jetzt zu den erfolgreichsten Produktionen der laufenden Saison. Grund dafür dürfte – neben Shakespeare, so fair muss man dem alten Knaben gegenüber sein – der Regisseur sein: Volker Lechtenbrink, einst selbst (sehr kurz) Intendant am Haus, taugt an den Hamburger Theatern verlässlich als Zugpferd. Am EDT ist Lechtenbrink in der kommenden Spielzeit darum nicht nur als Regisseur wieder fest eingeplant, sondern zugleich als Hauptdarsteller: in der eigenen Inszenierung von Molières „Der eingebildete Kranke“ (23. November bis 7. Januar). Den Argan hatte Lechtenbrink vor Jahren schon einmal an der Komödie Winterhuder Fährhaus gespielt.

Wer die Titelrolle in der ersten Premiere des kommenden Jahres übernehmen wird, steht ebenfalls bereits fest: Julia Richter ist Schillers „Maria Stuart“ in der Regie von Mona Kraushaar (18. Januar bis 18. Februar). Mit ihrer Gegenspielerin wird noch verhandelt.

Simon Stephens „Heisenberg“ auf der Bühne

Der Dramatiker Lutz Hübner hat einen Lauf in Hamburg. Nach „Blütenträume“, das demnächst auch im Ohnsorg-Theater ansteht, ist „Wunschkinder“ das zweite Stück des Autorenteams Hübner/Nemitz an der Mundsburg. Hartmut Uhlemann, der zuletzt das Wissenschaftsdrama „Foto 51“ auf die EDT-Bühne brachte, inszeniert, es spielen unter anderem Saskia Fischer, Antje Otterson – und die Intendantin selbst. Vértes-Schütter war in „Foto 51“ kurzfristig für die schwangere Pheline Roggan eingesprungen, „nun wollten wir auch noch einmal geplant miteinander arbeiten“, lächelt Vértes-Schütter. „Wunschkinder“ also, gewissermaßen. Uhlemann übernimmt zudem erneut das Weihnachtsmärchen, in diesem Jahr: Grimms „König Drosselbart“.

Und auch die Naturwissenschaft kommt wieder zu ihrem Recht: Bevor mit „Carmen“ zum zweiten Mal eine Produktion des derzeit heimatlosen Opernlofts am EDT gastiert („garantiert ohne Kastagnettengeklapper“), bringt Gerd Heinze Simon Stephens „Heisenberg“ auf die Bühne. Der Titel verweist auf die Unschärferelation des Physiknobelpreisträgers. Merke: Ein beobachteter Gegenstand verändert sich durch die Betrachtung, das gilt im physikalischen Experiment wie auch in der Liebe.

Und am Theater, da gilt es natürlich erst recht.

Karten für das Ernst Deutsch Theater (U Mundsburg, Friedrich-Schütter-Platz 1) gibt es unter T. 22 70 14 20, tickets@ernst-deutsch-theater.de und an den Abendblatt-Ticketshops sowie in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, oder unter T. 30 30 98 98