Hamburg. Der Star-Dirigent und Intendant Georges Delnon verlängern ihre Zusammenarbeit mit der Staatsoper. Das gefällt vor allem einem.

Wer hätte das gedacht: Es gibt auch im Jahr eins der Elbphilharmonie kulturelle Unternehmungen, die nicht lediglich im Kielwasser von Hamburgs musikalischem Flaggschiff mitlaufen. Abseits der Hafenkante, an der Dammtorstraße, ereignet sich seit zwei Jahren eine ganz eigene, nicht minder aufregende Geschichte. Seit das Duo Georges Delnon und Kent Nagano als Intendant und Generalmusikdirektor die Führung der Staatsoper Hamburg übernommen hat, hat die Arbeit des Hauses mehr Fahrt aufgenommen, als sich langjährige Beobachter je hätten träumen lassen.

Stadt macht den Weg frei für die Fortsetzung des Kurses

Getreu der Sportweisheit „Never change a winning team“ hat die Stadt nun die Verträge mit den beiden über die ursprüngliche Laufzeit hinaus bis in das Jahr 2025 verlängert. Und damit den Weg frei gemacht für die Fortsetzung eines künstlerischen Kurses, den man wohl am kürzesten mit „Handschrift“ beschreiben kann. Sowohl für die Oper als auch und ganz besonders für das Philharmonische Staatsorchester haben Delnon und Nagano darauf gesetzt, die große Tradition sowohl der beiden Institutionen als auch des Hamburger Musiklebens neu zu beleuchten und in heutige Bezüge zu stellen.

Dass die Saat aufgeht, zeigt sich nicht nur in der Tatsache der Vertragsverlängerung, mit der war ja zumindest zu rechnen. Ein wahrer Paukenschlag ist es, dass die Klaus-Michael Kühne Stiftung die Zusammenarbeit Naganos mit Staatsoper und Orchester fünf Jahre lang mit einer Million Euro pro Spielzeit unterstützt. Nagano, glaubt auch Kühne, habe „die Musikstadt bereichert“.

Nicht alle Produktionen sind geglückt

Zusammengenommen ein klares Bekenntnis zu der Neuausrichtung, die die Staatsoper zurzeit durch das Leitungsduo erfährt. Oper und klassische Musik hätten an Relevanz gewonnen, sagte Kultursenator Carsten Brosda bei der Pressekonferenz zur Vertragsverlängerung und bezog sich dabei auf die vergangene Woche erschienene Kritikerumfrage der Zeitschrift „Opernwelt“, in der die Staatsoper 18-mal genannt wurde, darunter mit der gefeierten Inszenierung von Bergs „Lulu“ durch Christoph Marthaler als „Aufführung des Jahres“. Er würdigte dabei einerseits, dass Delnon und Nagano Themen von gesellschaftlicher Relevanz aufgriffen, andererseits deren klugen Umgang mit dem Repertoire, zu erleben etwa bei den „Italienischen Wochen“ im kommenden Frühjahr, und schließlich die Vermittlungsarbeit mit den zahlreichen Projekten in der Opera stabile.

Nicht alle Produktionen der ersten zwei Jahre sind gleichermaßen geglückt. Doch Delnon lässt sich von umstrittenen Ergebnissen, etwa Calixto Bieitos Lesart des „Otello“, erklärtermaßen nicht von seinem Weg abbringen. Er sehe sich durch die Verlängerung in seinem Bestreben bestätigt, langfristig mit Regisseuren zusammenzuarbeiten: „Ich suche nach Leuten, die eine klare, persönliche Handschrift haben, die eine Haltung zu Themen der Gegenwart beziehen. Das sind oft Regisseure mit einem starken Profil. Aber ich suche natürlich auch junge Regisseure, die diese Handschrift entwickeln könnten wie Yona Kim, die die Uraufführung von Ruzickas ,Benjamin‘ inszenieren wird.“ Dass Kim in der Leserumfrage der „Opernwelt“ als Regisseurin des Jahres nominiert wurde, freut auch Delnon, na klar.

Glückliche Beziehung zwischen Orchester und Nagano

Geradezu strahlend nimmt sich Naganos Bilanz aus. Sein erklärtes Vorhaben, seine Arbeit in Hamburg in den Dienst dessen zu stellen, was er an Traditionen und an Spezifischem vorfand, und daraus das Profil gerade des Philharmonischen Staatsorchesters weiterzuentwickeln, hat er von Beginn an eingelöst. Dabei hat er, unterstützt durch seinen Berater Dieter Rexroth, seinem Publikum durchaus manche Anstrengung zugemutet. Es dankt sie ihm.

Die glückliche Beziehung zwischen ihm und dem Orchester zeigt sich schon darin, wie oft Nagano von „wir“ spricht, von den Orchestermusikern als seinen „Kollegen“. Sie ist zu hören, und sie wird gewürdigt: in Form von Aufnahmen, Konzertreisen, Sonderprojekten und ab der Saison mit einer Aufstockung der Stellenzahl auf 140.

„Wir können doch nicht nur nach Einschaltquote gehen“

Das hat natürlich auch mit der Elbphilharmonie zu tun – mal in die eine, mal in die andere Richtung. Der Einzug des Philharmonischen Staatsorchesters mit Jörg Widmanns Riesenoratorium „Arche“ geriet zum international beachteten Triumph, die Philharmonischen Konzerte im neuen Haus sind durchweg ausverkauft. Umgekehrt kann es auch an der Elbphilharmonie liegen, dass die Auslastungszahlen der Oper im ersten Jahr der neuen Intendanz um mehr als sieben Prozentpunkte unter den Wert der Saison davor gefallen sind. Der leichte Anstieg der Auslastungszahlen in der vergangenen Saison wiederum ist sicher als gutes Zeichen zu werten.

Der geschäftsführende Direktor Ralf Klöter, der immerhin der Herr der Zahlen ist, sagt übrigens: „Wir können doch nicht nur nach Einschaltquote gehen! Wenn wir das täten, könnten wir die Kunst vergessen.“