Hamburg. Intendant Axel Schneider setzt in seiner 15. Spielzeit auf aktuelle unterhaltsame Stücke mit Anspruch.

Das Café und Restaurant Jerusalem im Gebäude der Hamburger Kammerspiele ist bekannt für internationale Spezialitäten und mit seinem langen Tresen und den Lounge-Ecken auch als Bar bei Theatergängern beliebt – auch wenn es hier insbesondere nach Premieren schon mal lauter und drängelig sein kann. Noch bevor am Mittwochmittag die kulinarischen Tagesangebote auf die Tische kamen, servierte Kammerspiele-Intendant Axel Schneider mit Chefdramaturgin Anja Del Caro das Angebot, das in der Saison 2017/18 auf seiner Karte, also: auf dem Spielplan stehen wird.

Und wie das Restaurant muss auch der umtriebige Theatermacher – er leitet in Hamburg auch das Altonaer und das Harburger Theater und zeichnet für den Spielbetrieb im Bergedorfer Haus im Park verantwortlich – in seiner 15. Kammerspiele-Saison Wert darauf legen, für jeden Geschmack etwas zu bieten. Heißt für ihn: „Eine Mischung aus Unterhaltsamem und künstlerisch Anspruchsvollem mit Niveau.“

Auslastung von mehr als 70 Prozent

Er spüre momentan, in Zeiten vieler schlechter politischer Nachrichten und des Hypes um Elbphilharmonie-Tickets, zwei Strömungen im Publikum: „Der eine Teil möchte sich lieber ablenken lassen“, so Schneider, „ein anderer Teil der Zuschauer möchte sich auch nach der Vorstellung weiter austauschen und diskutieren.“

Mit einer Auslastung von mehr als 70 Prozent für die laufende Saison seien die Kammerspiele erneut auf einem guten Weg, sagte Schneider. Auch wenn der Intendant die von der neuen Saison an erhöhte Privattheaterförderung aus der Kulturbehörde schon in dieser Spielzeit hätte gut gebrauchen können: Von 2017/18 an erhalten die Kammerspiele mit 1.275.000 Euro gut 335.000 mehr pro Saison. In die neue gleitet Schneider mit der von ihm inszenierten „Tour de Farce“.

Die Sommerbespielung ist eine von sieben Neu-Produktionen. Vom 30. Juli an sind in seiner Regie mit Publikumsliebling Tim Grobe und Caroline Kiesewetter zwei gesangsstarke Darsteller in der Komödie in zehn Rollen zu erleben. Die Besonderheit liegt in der Musik – eigens arrangiert von Mathias Kosel.

Musik spielt auch bei „Historicus“ eine große Rolle, das nicht wie andere Familienmusicals erst in der Vorweihnachtszeit herauskommt, sondern am 24. September Uraufführung feiert. Nach dem gleichnamigen Kinder- und Jugendbuch von Irene Haarmeyer hat ihr Ehemann Jan Haarmeyer, Lesern dieser Zeitung auch als Abendblatt-Autor bekannt, mit Frank Oberpichler dazu die Musik geschrieben. „Historicus“ ist eine spannende Zeitreise durch 800 Jahre Hamburger Geschichte, von der Hammaburg bis zur Elbphilharmonie. Franz-Joseph Dieken inszeniert.

Erstaufführung von „Schlaraffenland“

Die Kammerspiele eröffnen die Saison offiziell mit der deutschen Erstaufführung von „Schlaraffenland“ (1.10.), für Anja Del Caro „das „Stück der Stunde“. Die autobiografisch geprägte Farce des Gegenwartsdramatikers Philipp Löhle soll hinter die Kulissen der Wohlstandsgesellschaft blicken – ohne zu belehren. Erzählt wird die Geschichte einer scheinbar perfekten Familie. Doch als der Sohn etwa fragt: „Auf wessen Kosten leben wir eigentlich?“, gerät das Gefüge durcheinander. Die Hauptrolle hat Jacob Matschenz, den im Film „Mein Blind Date mit dem Leben“ schon mehr als eine Million Kinobesucher gesehen haben.

Eine Neuheit ist auch die szenische Lesereihe „Hitch und ich“. Vom 10. November an widmet sich Jens Wawrczeck („Die drei ???“) Erzählungen und Romanen, die dem legendären Alfred Hitchcock als Vorlagen dienten. Mit „Vincent will Meer“ hat Mitte Januar 2018 Ralf Huettners Kinoerfolg Premiere. Darsteller und Drehbuchautor Florian David Fitz hat die Bühnenfassung geschrieben. Für Schneider „ein Theaterstück, das mit seinen ganz eigenen Mitteln berührend, witzig und respektvoll vom Leben eines Menschen mit Handicap erzählt“.

Nachfolger für Holger Zebu Kluth gesucht

„Marias Testament“ von Colm Toibin feiert am 25. Februar deutschsprachige Erstaufführung. Der irische Autor erzählt in dem Ein-Frau-Stück als erster Schriftsteller überhaupt die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu aus der Sicht einer Mutter – ein neuer Blick auf das Christentum und eine große Rolle für Nicole Heesters. Die 80 Jahre alte Wahlhamburgerin kehrt damit nach zehn Jahren an die Kammerspiele zurück, in denen sie zuletzt 2008 „Mutter Courage“ gespielt hatte und für ihre Darstellung in „Vita & Virginia“ 2006 den Rolf-Mares-Preis bekam. Erst vor drei Jahren erhielt Heesters den Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ als Vera in „Vor dem Ruhestand“ am Theater in der Josefstadt, 2015 den Louise-Dumont-Topas im Düsseldorfer Schauspielhaus.

Nach dem Erfolg von Eric Assous’ „Unsere Frauen“ in den Kammerspielen kommt am 18. März das neue Stück des französischen Autors mit dem Arbeitstitel „Der glückliche Auserwählte“ auf die Traditionsbühne in Rotherbaum – ebenfalls als deutschsprachige Erstaufführung. Zuvor steht für Schneider auf dem Plan, bis Herbst einen Nachfolger für Geschäftsführer Holger Zebu Kluth zu finden, der nach 13 Jahren in Hamburg zum 1. Oktober Rektor der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin wird. Kluth war am Mittwoch bewusst nicht anwesend – weil es ja um die neue Spielzeit ging.

Programm Kammerspiele online unter www.hamburger-kammerspiele.de