Hamburg. Der ehemalige Schauspielhaus-Intendant Michael Bogdanov ist tot. Ein Nachruf von Axel Schneider
Michael Bogdanov liebte Dylan Thomas, lebte in Cardiff und in Hamburg-Ottensen – aber wirklich zu Hause war er wohl vor allem am Theater. Der Regisseur und Shakespeare-Experte prägte das Hamburger Theaterleben an vielen Bühnen. Am eindrücklichsten war seine nicht unumstrittene Intendanz am Schauspielhaus, das er von 1988 an als Nachfolger von Peter Zadek leitete – bis er nach heftigem Streit mit dem damaligen Kultursenator Ingo von Münch 1991 zurücktrat.
Er arbeitete für Bühne und Film
Er gehörte zur Spezies des Regie führenden Intendanten, arbeitete für Bühne und Film, inszenierte am Altonaer Theater und an den Kammerspielen, am St. Pauli Theater und an der Kammeroper und eröffnete das Ohnsorg-Theater am Heidi-Kabel-Platz mit einem plattdeutschen „Sommernachtstraum“. Überhaupt, Bogdanov und Shakespeare: 1986 mitbegründete er die English Shakespeare Company und inszenierte für sie alle sieben Rosenkriegsdramen. Am Ostersonntag starb Michael Bogdanov mit 78 Jahren in Griechenland.
Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele und des Altonaer Theaters, war ihm über Jahre beruflich und freundschaftlich eng verbunden – er erinnert sich:
Von der Nachricht, dass Michael Bogdanov gestorben sein könnte, bin ich völlig überrumpelt worden. Vor einigen Wochen trafen wir uns noch in Ottensen auf der Straße, einen Tag später wollte er wieder nach Wales ziehen, mit vielen Hamburg-Plänen im Kopf.
Das Merkwürdige war, dass wir seit Jahren kein gemeinsames Projekt in Aussicht hatten. So war es ein Abschied auf unbestimmte Zeit – so schien es.
Freundschaftliche Laudatio
Mit Michael Bogdanov verbindet mich viel. Ich schreibe nicht „verband“, denn daran wird sich nichts ändern. Noch auf dem Weg zur Ehrung des „Hamburger des Jahres“ durch HH1, bei dem er mir eine mehr als freundschaftliche Laudatio hielt, zählten wir seine Produktionen durch, die er für meine Häuser inszeniert hatte. Wir kamen auf 17, und es folgte noch der „Don Quichotte“ im letzten November!
Michael war kein Förderer, er war auch kein Vorbild, als Assistent habe ich nur einmal für ihn gearbeitet, das war dann aber gleich beim „Reineke Fuchs“. Es entstand eine merkwürdige Beziehung. Er hielt den Kontakt, er lud mich nach Wales ein, ich durfte dort „Unter dem Milchwald“ lernen und für ihn in Hamburg vorbereiten. Er nahm mich mit nach Sydney zum Olympic Art Festival, nach New York zu den Vorbereitungen des Musicals „Lone Star Love“, da war ich schon selbst seit Jahren Intendant.
Bei den Arbeiten in den eigenen Häusern wurde unsere Freundschaft auf eine Probe gestellt: Nun war ich der Intendant und er der Regisseur, der nicht selten Ideen durchsetzen wollte, manchmal auch auf Kosten des Etats ... Das theaterübliche „Ich reise ab ...“ hatten wir dabei nicht nötig, dafür kannten wir uns zu gut. Seinem walisischen Dickkopf hatte ich nicht selten einen Hamburger Eisenschädel entgegenzuhalten, zusammengerasselt sind wir aber eigentlich nie! Was ich von Michael gelernt habe und wofür ich ihn unendlich vermissen werde: seinen Charme, seinen Humor, seine Lebenslust und seine Warmherzigkeit.
Michael, der Menschenkenner
Es gibt eine Situation aus seiner Intendantenzeit am Schauspielhaus, ich selbst war nicht dabei, er hat sie mir jedoch so bestätigt: Es gab Streit zwischen Regie und Ensemble, der Regisseur drohte mit Abreise, die Fronten waren verhärtet, der Intendant wurde gerufen. Eine Situation, in der man vieles falsch machen kann. Michael kam, stellte sich zwischen die Streithähne, ließ die Atmosphäre auf sich wirken – und fing an zu grinsen. Die Situation war zu absurd, es gab keine Lösung, bis auf die, sie nicht zu ernst zu nehmen. Am Ende fingen alle an zu lachen. Michael ging, ich weiß nicht, ob er überhaupt ein Wort gesagt hat, aber es wurde konzentriert weitergeprobt und es gab eine erfolgreiche Premiere ...
Diese Anekdote ist symptomatisch für Michael, den Menschenkenner, den Motivator, das große Kind, der eine Orchestersitzprobe dazu benutzen konnte, 20 Minuten an der Handhaltung des Hauptdarstellers herumzuarbeiten. Er war ein großer und akribischer Arrangeur, einer der mir verriet: „Ein Umbau darf nie länger als acht Sekunden sein. Dauert er länger, hast du etwas falsch gemacht, dann langweilt sich das Publikum und lässt sich nicht auf die nächste Szene ein.“
Lieber Michael, unsere Freundschaft währte 26 Jahre, ich hätte noch gerne viele Umbauten mit dir erlebt!