Hamburg. Die Theater-Tanz-Collage “Città del Vaticano“ im Thalia in der Gaußstraße soll zum Ende der Lessingtage zum Nachdenken anregen.
Die Vatikanstadt, dieser merkwürdige katholische Kirchenstaat, der kleinste der Welt, übt eine gewisse Faszination aus. Die jungen Performer auf der Bühne des Thalias in der Gaußstraße stehen ihm mit Unverständnis bis Ablehnung gegenüber: Da hausen Männer, die heimlich fehlgeleiteten sexuellen Neigungen nachgehen. Frauen sind nur als Putzfrauen zugelassen. Es gibt Missbrauch, uneheliche Kinder, Bigotterie, eine mafiöse Bank. Und überhaupt sah der ehemalige Papst Ratzinger zum Fürchten aus.
Sehnlichst erwarteter Höhepunkt
Es sind erschreckende, längst bekannte und untermauerte Überlegungen, die Falk Richter und Nir de Volff in ihrer Theater-Tanz-Collage „Città del Vaticano“ montieren und zum Nachdenken anregen. Zum Ende des Thalia-Festivals „Lessingtage“ liefert Falk Richter mit seinem Gastspiel vom Schauspielhaus Wien einen sehnlich erwarteten Höhepunkt. In einer Art Stuhlkreis tragen die zwei Performerinnen und fünf Performer – alle um die 30 Jahre alt – ihre persönlichen Glaubenserfahrungen vor und man staunt, wie stark sie in Kindheit und Jugend von der Kirche geprägt wurden. Heute leben sie als junge, mobile europäische Nomaden – die Männer eher gleichgeschlechtlich orientiert – und mit Biografien wie jener von Vassilissa Reznikoff versehen, die auf russisch-französische Wurzeln verweisen kann.
Antritt beim Eurovision Contest
Persönliches und Intimes mischt sich mit YouTube-Recherchen über lasterhaft entgleiste Vatikan-Partys und böse-humorvollen Szenen, wenn etwa die fünf Performer als missbrauchte Chorknaben für den Vatikanstaat beim Eurovision Song Contest antreten.
Auch wenn hier einmal alles kräftig durchgerührt wird: Europa, Identität, Religion, Terrorangst, Neue Rechte, Liebe, so gewinnt der Abend seine Stärke aus zarten Tanzszenen und Texten, die über das Persönliche hinausweisen. Eindrucksvoll.