Hamburg. Der amerikanische Starbariton und The Philharmonics frönen in der Elbphilharmonie der sogenannten leichten Muse.
Gerade haben die beiden Geigen und das Klavier noch glitzernd vor Übermut die leichte Unwucht des Dreivierteltaktes ausgekostet, wie man sie vom Wiener Walzer kennt, da dreht sich die Stimmung binnen weniger Takte: Leiser werdende Terzeinwürfe der Geigen machen den Weg frei für einen Soloauftritt der Klarinette im zartesten Pianissimo, mündend in slawische Schwermut.
So geht die Ouvertüre zur Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß Sohn – jedenfalls in der Lesart und Bearbeitung der Musiker von The Philharmonics. Hinter dem Namen verbergen sich sieben Instrumentalisten von Graden, darunter gleich vier Wiener Philharmoniker.
In den Großen Saal der Elbphilharmoniesind sie mit dem Bariton Thomas Hampson gekommen, seit Jahrzehnten auf den Bühnen der Welt zuhause und der vermutlich prominenteste Anwalt des amerikanischen Kunstlieds. Als reine Begleitcombo wäre dieses Luxusensemble aber viel zu schade. Das Programm ist denn auch keine Gala, sondern durchaus gleichberechtigt und geprägt von einer Mischung aus Brillanz, Witz und Souveränität, die das Publikum sofort in den Bann schlägt.
Zum Aufakt also: Strauß, ohne Hampson. In den ersten Takten müssen sich auch diese so hörbar hochkarätigen Herren rhythmisch wie intonatorisch zusammenfinden. Dem Drive tut das keinen Abbruch, der Begeisterung des Publikums schon gar nicht. Weniges stiftet schließlich so unmittelbar Glück, wie wenn der Mensch sich im Vertrauten wiedererkennt. All das, was da zusammenkommen mag, ob Nostalgie, romantische Erinnerungen oder ein fast kindliches Gefühl des Aufgehobenseins, mixen die Künstler an diesem Abend zu einem geradezu überschäumenden Cocktail.
Die großen Hamburger Orchester und ihre Dirigenten:
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„Vom Wiener Fin de Siècle ins New York der 1930er Jahre“ führt das Programm. Das mag stilistisch nicht zwingend sein; es führen nicht sehr viele Wege von Johann Strauß Sohn zu George Gershwin oder Cole Porter, wenn man von dem zweifelhaften Etikett „Unterhaltungsmusik“ einmal absieht. Aber zum einen helfen die Künstler so raffiniert wie augenzwinkernd nach (dazu später).
Und zum anderen bildet das Programm damit die Beziehung zwischen Hampson und dem Ensemble wunderbar ab. Mit Wien verbindet den Amerikaner Hampson so einiges, nicht zuletzt die intensive Beschäftigung mit Gustav Mahler, und das oft und gern mit den Wiener Philharmonikern, ob mit dem ganzen Orchester oder mit einzelnen Mitgliedern wie hier.
Auch in Hamburg ist Hampson oft und ausgiebig mit Mahler zu Gast gewesen. Und irgendwie wird er den Mahler an diesem Abend nicht los. Er hat ein untrügliches Gespür für den Drive und die süffigen Rubati in Irving Berlins „Blue Skies“, doch seinem Timbre fehlt an diesem Abend das Dunkle, ein wenig Schmutzige, das die amerikanische Musik des frühen 20. Jahrhunderts dringend braucht, soll sie nicht aseptisch klingen.
Zudem klingt Hampsons Stimme, schlank geführt und klug an den Untiefen der Jahre vorbeinavigiert, in der Höhe mitunter ein wenig eng. Und so professionell er sich als Entertainer auf der Bühne bewegt und in seinem flüssigen, amerikanisch gefärbten Deutsch moderiert, einen Hauch amtlich bleibt er auch in seinen Bewegungen. Ein Profi, der sich auf höchstem Niveau auf ein Terrain begibt, das dann doch nicht sein angestammtes ist.
Herrlicher Schmäh
Mit herrlichem Schmäh kommen The Philharmonics daher. Man muss wahrscheinlich mindestens eine böhmische Großmutter gehabt haben, um den Geist dieser Musik so leichthändig zu fassen, vollkommen unbekümmert um die haarsträubenden spieltechnischen Anforderungen. Rasante Flageolett-Läufe? Zupfen in einem Tempo, als hielten die Musiker eine Balalaika in der Hand und kein Streichinstrument? Alles kein Problem. Und der Kontrabassist Ödön Rácz trägt seine Kollegen förmlich auf den kräftigen Händen, ohne eine Miene zu verziehen, als verdiente er seine Brötchen nicht mit Sinfonien, sondern wäre just von einer Balkan-Band abgeworben worden.
Je weiter das Programm Richtung Broadway driftet, desto entschiedener springen ihnen als Gäste der Saxofonist Gerald Preinfalk und der brasilianische Drummer Matheus Jardim bei. Die Arrangements aber besorgen die sieben Herren schon selbst, mit hörbarem Vergnügen. Wer hat das Liedchen „Feliz Navidad“ schon mal im Siebenachteltakt gehört?
Elbphilharmonie: Die grandiose Eröffnung
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Dem Elefanten aus dem „Karneval der Tiere“ von Saint-Saëns haben sie mal kurz Henry Mancinis „Baby Elephant Walk“ angedichtet. Und nachdem die Musiker zu ihrem Freddy-Mercury-Medley auch noch gesungen haben, sollten sich alle wieder auf Hampson freuen, wie der Klarinettist Daniel Ottensamer in schönstem Wienerisch mutmaßt.
Noch schöner als Ottensamers Wienerisch ist freilich sein katzenpfötchensamtener Klarinettenton. Sollte die Akustik des Großen Saals jemals im Verdacht gestanden haben, sie sei nicht nett zu Klarinetten, sie ist hiermit vollauf rehabilitiert. Jedenfalls wer in Block A sitzt, kann nicht anders, als dahinzuschmelzen. „Schade“, seufzt eine Dame beim Hinausgehen, „jetzt ist es schon vorbei.“
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