Hamburg. Aus Bundesmitteln sind dem Haus 36 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Direktor will es während des Umbaus offen halten.

Für die Öffentlichkeit völlig überraschend erhielt das Museum für Hamburgische Geschichte vor etwa einem Jahr eine enorme Finanzzusage: 18 Millionen Euro Bundesmittel und weitere 18 Millionen Euro aus dem Hamburger Haushalt wurden am 12. November 2015 für die grundlegende Erneuerung in Aussicht gestellt. Was ist inzwischen passiert, und welche Konzepte gibt es für Deutschlands größtes stadthistorisches Museum? Wir fragten Hans-Jörg Czech, der das Haus seit Jahresbeginn leitet.

Insgesamt 36 Millionen Euro stehen für die grundlegende Erneuerung des Museums für Hamburgische Geschichte bereit. Wissen Sie schon konkret, wie Sie das viele Geld ausgeben wollen?

Hans-Jörg Czech: In den letzten Monaten haben wir uns im Team über die künftige inhaltliche Ausrichtung verständigt, welche strukturellen Veränderungen uns am Herzen liegen und wie wir den Erwartungen der Besucher künftig entsprechen können. Das mussten wir noch vor Beginn der eigentlichen Planungsphase klären.

Um welche Veränderungen soll es denn konkret gehen?

Czech: Es ist eine einmalige Chance, das Haus vom Keller bis zum Dach völlig neu zu gestalten. Dabei wollen wir neue Per­spektiven auf die Stadtgeschichte eröffnen. Wir werden unser Angebot auf allen Etagen neu organisieren und in neue Zusammenhänge stellen.

Wird es einen historischen Rundgang von der Hammaburg bis zur Elbphilharmonie geben?

Czech: Ja, das wollen wir ins Zentrum stellen. Für die erste Etage des Hauses ist ein chronologischer Rundgang vorgesehen, vom achten bis zum 21. Jahrhundert auf einer Ebene. Eine solche Gesamtschau setzt voraus, dass sich der Besucher auch zeitlich darauf einlässt. Deshalb organisieren wir diesen Rundgang so, dass er sich mit unterschiedlichen Zeitbudgets absolvieren lässt, von der schnellen Grundinformation bis hin zu Vertiefungen.

Gleichzeitig mit der Finanzzusage für Ihr Haus kam auch die Finanzierung des Deutschen Hafenmuseums. Wird das Thema Hafen künftig nur noch dort stattfinden und bei Ihnen gar nicht mehr?

Czech: Ich bin glücklich darüber, dass die Planungen für das Deutsche Hafenmuseum und die Neukonzeption des Museums für Hamburgische Geschichte zeitlich parallel laufen. Dadurch ergeben sich auch für unser Haus völlig neue Per­spektiven auf das Thema Hafen. Wir müssen zum Beispiel nicht mehr die Geschichte des Umschlaghandels en détail erzählen, das passiert dann im Deutschen Hafenmuseum. Wir können uns stattdessen zum Beispiel der Frage widmen, welche Rolle der Hafen für die Stadtgesellschaft gespielt hat.

Schon unter Ihrer Vorgängerin Lisa Kosok gab es Modernisierungspläne. Wird davon etwas umgesetzt?

Czech: Dadurch, dass wir jetzt tatsächlich das gesamte Haus neu konzipieren können, haben wir viel größere Möglichkeiten, als das damals denkbar gewesen wäre. Aber natürlich gibt es Ideen, die wir weiterführen ...

Zum Beispiel die Öffnung des Hauses in Richtung Planten un Blomen?

Czech: Richtig, das ist einer der Ansätze, die wir weiterverfolgen werden. Das geht auch einher mit der Verlagerung der Gastronomie, die an der Parkseite des Hauses ihren neuen Platz finden soll. Das Erdgeschoss soll künftig in beiden Flügeln über Sonderausstellungsflächen verfügen.

Wird die Gastronomie auch außerhalb des Museumsbesuchs zugänglich sein?

Czech: Ja, aber der Restaurantbesuch kann durchaus dazu führen, dann doch ins Museum zu gehen. Neben dem traditionellen Eingang, der weiterhin erhalten bleibt, soll sich das Museum Richtung Planten un Blomen öffnen. Und das geschieht über den Gastronomiebereich.

Was können Sie außerdem schon jetzt über die künftige Struktur des Museums sagen?

Czech: Neben den Sonderausstellungsflächen im Erdgeschoss und dem historischen Rundgang im ersten Stockwerk wollen wir im zweiten Obergeschoss einen intensiven Blick auf die verschiedenen Facetten der Stadtgesellschaft werfen. Dort spielen auch die historischen Räume eine Rolle, und es soll weiterhin eine Abteilung zu Juden in Hamburg geben. Neu wird die dritte Ausstellungsetage sein, in der wir die historische Modelleisenbahn neu aufstellen, die aber auch für verschiedene Sammlungspräsentationen genutzt werden soll.

Wann werden die Bauarbeiten beginnen?

Czech: Die Prozesse brauchen ihre Zeit. Genaues kann ich gegenwärtig noch nicht sagen.

Ihre Kollegen von der Kunsthalle hatten während der Umbauarbeiten weiterhin geöffnet. Wird das bei Ihnen ebenfalls so sein?

Czech: Ja, auch wir wollen während der nächsten Jahre zumindest mit einem Wechselausstellungsprogramm weiterhin in der Öffentlichkeit präsent sein. Das ist wichtig, um mit unseren Besuchern in Kontakt zu bleiben, aber auch, um die Möglichkeit zu behalten, uns neue Inhalte zu erschließen.

Gibt es dafür schon konkrete Ideen?

Czech: Für 2018 planen wir zum Beispiel eine Ausstellung, die sich mit den Umbrüchen und Nachwirkungen der Jahre 1918 und 1919 in Hamburg beschäftigen wird.

Welches Zielpublikum haben Sie im Blick, mehr die Hamburger oder eher die Touristen?

Czech: Diese Besuchergruppen halten sich ungefähr die Waage, deshalb müssen wir beide gleichermaßen im Auge behalten.

Haben Sie den Anspruch, künftig wieder Ausstellungen zu machen, die auch überregional wahrgenommen werden?

Czech: Ich denke, das muss unbedingt so sein, denn das entspricht der Rolle und der Bedeutung des größten stadtgeschichtlichen Museums in Deutschland. Aber es wird nicht nur die Sonderausstellungen betreffen, sondern auch die Dauerausstellung. Dabei geht es nicht nur um die lokale, sondern auch um die regionale, die nationale und internationale Bedeutung der hamburgischen Geschichte.

Viele Museen werden besucht, weil Menschen ein berühmtes Spitzenobjekt sehen wollen. Werden Sie künftig auch ein solches Objekt herausstellen und sozusagen zum Maskottchen des Hauses machen?

Czech: Maskottchen würde ich nicht sagen, aber tatsächlich verfügt unser Haus über eine ganze Reihe von einzigartigen Objekten zur hamburgischen Geschichte. Diese werden in der künftigen Dauerausstellung auch eine sehr wichtige Rolle spielen, denn sie erlauben einen besonders anschaulichen Zugang zur Geschichte. Diese Objekte wollen wir aber nicht als kunstgeschichtliche Solitäre präsentieren, sondern in ihrem jeweiligen historischen Kontext.

Um was für Stücke könnte es sich denn dabei handeln?

Czech: Wir haben zum Beispiel ein Pektoralkreuz aus dem 10. Jahrhundert oder unsere außergewöhnlichen historischen Stadtmodelle. Es gibt aber durchaus auch Entdeckungen, nämlich herausragende Stücke, die selten oder noch nie gezeigt wurden, aber dennoch in einer künftigen Dauerausstellung eine wichtige Rolle spielen können.

Gibt es schon einen Eröffnungstermin?

Czech: Es gibt zumindest ein Jubiläum. 1922 wurde das von Fritz Schumacher erbaute Museum am Holstenwall erstmals fürs Publikum geöffnet. Bis 2022 sollte das Haus in neuem Glanz erstrahlen.