Hamburg. „Katze Ivanka“an der Opera stabile ist eine kurzweilige und amüsante Fabel über die Liebe zum Musiktheater.

Die Katze Ivanka ist anders als andere Katzen. Mit Mäusen kommt sie prima klar, Hunde wickelt sie geschickt um die Pfote. Und überhaupt: Auf normale Katzenhobbys hat sie keine Lust. Denn Ivankas Herz schlägt für die Oper. Sie streift schnurrend durch die Gänge, sie schwärmt vom Gesang und maunzt sogar die Melodien mit. Kurz gesagt: eine echte Rampen-Miau.

Um ihre – wenigstens teilweise – wahre Geschichte kreist die Familienoper „Katze Ivanka“, die jetzt an der Opera stabile ihre umjubelte Uraufführung erlebte. Autorin Vera Nemirova, die auch Regie geführt hat, und Komponist Massimiliano Matesic präsentieren dem Publikum eine kurzweilige, amüsante und anrührende Fabel über die Liebe zum Musiktheater, gespickt mit Einstiegshilfen für junge, aber auch für erwachsene Opernneulinge.

Als der Requisitenmeister Falana (mit kernigem Bariton: Julian Arsenault) etwa der neugierigen Katze Ivanka erklärt, wie man ein Bühnenschwert per Knopfdruck in der Mitte durchbricht, fasst er nebenbei die Handlung von Wagners „Ring“ zusammen, während die wichtigsten Leitmotive durchs Orchester geistern. Ein knackiger Crashkurs in Sachen Wagner-Wahn.

Spätromantisch gefärbte Klangsprache

Kurz danach, in einem der stärksten Momente, parodiert Nemirova den Opernalltag mit einer fiktiven Probe zu Puccinis „Bohème“. Wie der Regisseur (herrlich überspannt: Sascha Emanuel Kramer) ständig den Tenor (Sergej Abab­kin) in seiner schwersten Arie unterbricht und in pathetischem Regisseurssprache um Bedeutung ringt („Ich will was richtig Tiefes, das muss von innen kommen!“), wie er dann mit dem Tenor zusammen die schönste Stelle mitschmettert: Das ist einerseits zum Brüllen komisch – und zwar nicht nur für Insider, – wahrt aber auch den Zauber von Puccinis Musik, die Matesic gekonnt in seine eigene, spätromantisch gefärbte Klangsprache integriert.

Lachflash und Gänsehaut auf engstem Raum: Das muss man erst mal so hinkriegen. Da offenbart sich die außergewöhnliche Qualität der Familienoper von Vera Nemirova, die ihr Stück so temporeich wie fantasievoll inszeniert.

Die Liebe zum Detail spiegelt sich in der Ausstattung von Pavlina Eusterhus. Indem sie eine schwarze Bühne mit rotem Vorhang baut, setzt sie den Rahmen fürs Opernsetting und schafft mehrere Erzählebenen. Eusterhus kleidet den Abend in eine farbige Bildsprache zwischen Alltags- und Fabelwelt; mit Holzfällerhemden und putzigen Katzenohrenmützen für die drei Kater, die Ivanka sehnsüchtig umstreichen und mit einem mondänen Nerz um den Hals der Primadonna, Ivankas erbitterter Gegenspielerin. Diese Primadonna entwickelt im Laufe des Stücks eine Katzenhaarallergie – und das ist noch die mildeste Form ihrer Abneigung gegen die vierbeinige Konkurrentin.

Wunderbar ironisches Porträt der Diva

Gabriele Rossmanith zeichnet ein wunderbar ironisches Porträt der Diva. Herrlich, wie sie den schmierigen Operndirektor (Marcel Rosca) bezirzt, seine Krawatte befummelt und ihn so an die gute, alte Besetzungscouchvergangenheit erinnert, wie sie sich affektiert die Stirn pudert oder eiskalt lächelnd die Abschiebung der Katze genießt.

Das ist Rossmanith in Bestform. Aber die Sopranistin spielt nicht bloß hinreißend, sie singt auch so – wie eigentlich alle Solisten und, vor allem, Narea Son in der Titelrolle. Die 26-jährige Südkoreanerin führt ihr leuchtkräftiges Timbre traumwandlerisch sicher durch die Partie, die weit ausgreifende Intervalle und anspruchsvolle Koloraturen umfasst. Mit derselben Eleganz hat sie sich eine katzenhafte Körpersprache angeeignet, reibt die Hände, als wären es Tatzen und bewegt den Kopf mit den mandelförmigen Augen artgerecht – besonders possierlich im Blumenduett mit dem verliebten Siamkater (Michael Taylor). In der kleinen Opera stabile ist all das zum Greifen nah; man versteht auch fast jedes Wort.

Dass die Kammermusikbesetzung der Philharmoniker unter Leitung von Johannes Harneit dabei von hinten rechts im Raum mitunter etwas verhalten klingt und die süffigen Farbmischungen von Matesics Partitur noch etwas Probenzeit vertragen, gehört zu den wenigen Einwänden eines erwachsenen Rezensenten. Als kleiner Junge würde er nach diesem tollen Opernabend am liebsten jede Vorstellung besuchen, um sicherzugehen, dass Katzen auch wirklich sieben Leben haben.

Weitere Aufführungen: 18.10., 19 Uhr,
19.10., 16 Uhr, Karten unter T. 35 68 68