Hamburg. Der Hamburger war auf den Bühnen zu Hause – und im TV. Er überzeugte in Gründgens „Faust“ wie in der „Sesamstraße“.

Man könne ja „lernen, wie man sitzt, steht, spricht oder tanzt“, hat Uwe Friedrichsen einmal gesagt und dann einen so grundwahren wie unnachgiebigen Satz angefügt: „Schauspieler ist man von Anfang an – oder man ist es nie.“ Ein Satz, der einem als Überheblichkeit ausgelegt werden kann, der aber tatsächlich eine große Wahrheit gelassen ausspricht.

Man kann diese nüchterne Erkenntnis um eine Ebene ergänzen: Es gibt viele gute Schauspieler und manche sehr gute – aber nur ausgesprochen wenige Volksschauspieler. Über Heidi Kabel hatte Uwe Friedrichsen nach ihrem Tod gesagt, er habe sie nicht nur als Kollegin geschätzt, er habe sie „lieb gehabt“. Eine schöne und zu Herzen gehende Formulierung. Auch Uwe Friedrichsen, der am Sonnabend nun selbst im Alter von 81 Jahren in Hamburg gestorben ist, war ein Volksschauspieler. Ein Charakterkopf, den sein Publikum um seiner Kunst und seiner Ausstrahlung willen lieb hatte.

Uwe Friedrichsen hat nie eine Schauspielschule besucht

Ida Ehre, Gustaf Gründgens. Kann man ein Theaterleben in Hamburg mit besseren Referenzen beginnen? Dabei hat Uwe Friedrichsen, geboren 1934 in Altona, nie eine Schauspielschule besucht, seine Karriere begann der gelernte Import-/Exportkaufmann in der Laienspielgruppe der Volkshochschule. Das Geld für privaten Schauspielunterricht verdiente er sich als Hafenarbeiter und Zeitungsjunge, er wurde 1955 von Ida Ehre an die Kammerspiele geholt und sprach nur ein Jahr später bei Gründgens am Schauspielhaus vor. Der nahm den jungen blonden Mann mit den blauen Augen direkt ins Ensemble: „Hier ist ein Verrückter“, sollen seine Assistenten dem Meister berichtet haben, als Friedrichsen mit Maske, Kostüm und Requisiten erschien. „Sofort engagieren“, sagte Gründgens.

Bis 1968 gehörte Friedrichsen dem Schauspielhaus-Ensemble an, in der legendären „Faust“-Verfilmung spielte er, da war er gerade Mitte 20, den „Schüler“. Deutsche Theaterhistorie. Lokale Bühnengeschichte geschrieben hatte Friedrichsen zu diesem Zeitpunkt bereits: Gemeinsam mit Markus Scholz und dem Schauspieler Karl-Ulrich Meves, der später unter Boy Gobert ebenfalls Bühnenkarriere machte, hatte er in einer Baracke an der Rothenbaumchaussee das avantgardistische theater 53 gegründet, das überwiegend zeitgenössische Dramatiker spielte.

Der Typ für ein kumpelhaftes „Uns Uwe“ war Friedrichsen eher nicht

Man muss sich wohl schon den jungen Uwe Friedrichsen als einen willensstarken Charakter vorstellen, der Typ für ein kumpelhaftes „Uns Uwe“ war Friedrichsen eher nicht. Er galt als das, was man gern „schwierig“ nennt, „aber oft auch:zurecht schwierig“, sagt einer, der häufig mit ihm gearbeitet hat. Tatsächlich war Uwe Friedrichsen ein außerordentlich disziplinierter Schauspieler, kam immer mit gelerntem Text zur Probe – durchaus keine Selbstverständlichkeit. Wer an sich selbst hohe Erwartungen hat, fordert dieselbe Professionalität auch von anderen ein.

Bis zuletzt, als seine lange und schwere Krankheit ihm nicht mehr die Kraft dazu ließ, stand Uwe Friedrichsen auf Hamburger Bühnen, in den letzten Jahren waren ihm vor allem das Ernst Deutsch Theater und das Ohnsorg Theater zur künstlerischen Heimat geworden. Und Uwe Friedrichsen spielte dort nicht einfach mit – er prägte die Inszenierungen, in denen er besetzt war. Ein „Glanzstück“ hieß es beispielsweise in der Abendblatt-Kritik zur Premiere „Lengen na Leev“ („Ein Mond für die Beladenen“), die 2013 am Ohnsorg Theater herauskam, eine beglückende Sternstunde des Theaters. Am Ernst Deutsch Theater spielte Uwe Friedrichsen 2011 einen wunderbaren und ebenfalls mit Ovationen bedachten Abend mit Nicole Heesters, „Love Letters“ in der Regie von Wolf Dietrich Sprenger. Auch der „Faust“, der ihn bereits zum Karrierebeginn begleitet hatte, kam noch einmal viel beachtet auf eine Hamburger Bühne: Am Ohnsorg spielte Friedrichsen vor fast zehn Jahren den Mephisto an der Seite von Joachim Bliese in der Titelrolle.

Von 1979 bis 1981 spielte der Hamburger in der „Sesamstraße“

Sein direkter, stets etwas prüfender Blick kennzeichnete ihn, und selbst wer niemals oder nur selten ins Theater ging, dem war Uwe Friedrichsen meist wohlvertraut – mindestens als Zollfahnder Zaluskowski in der ARD-Serie „Schwarz Rot Gold“, die zwischen 1982 und 1996 Quotenerfolge einfuhr. An der Seite des 2012 verstorbenen Edgar Bessen und Siegfried W. Kernen ermittelte Friedrichsens herrlich bärbeißiger „Zalu“ darin im Hamburger Freihafen; „Schwarz Rot Gold“ war ein Wirtschaftskrimi im Serienformat, der aus ungewöhnlicher Perspektive von der bundesdeutschen Gegenwart erzählte. In der Vorabendserie „Oppen und Ehrlich“ spielte Uwe Friedrichsen mit Andreas Schmidt-Schaller, die ersten Fernsehauftritte hatte er in den ­50er- und 60er-Jahren in der Serie „Familie Schölermann“ und als Detektiv in „John Klings Abenteuer“.

Als gut gebuchter Synchronsprecher gehörte er zudem zu den bekanntesten Film- und Fernsehstimmen, sprach unter anderem die deutschen Texte von Peter Falk, Jerry Lewis, Gérard Depardieu und Donald Sutherland. Und wenn es eine Generation gibt, die Friedrichsen dann doch als „uns Uwe“ geprägt hat, dann ist es die der heute Um-die-40-Jährigen, denn Uwe Friedrichsen hat – neben Lilo Pulver und Manfred Krug – 1979 bis 1981 in der „Sesamstraße“ mitgewirkt.

Seine Lebensliebe aber war das Theater und man hätte ihm gewünscht, dass ihm die schwere Krankheit am Ende erspart geblieben wäre. Denn Uwe Friedrichsen gehörte „auf die Hamburger Theaterbühne wie der Dom auf das Heiligengeistfeld“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz mit angemessenem Pathos, als ihn die Nachricht des Todes erreichte. Er habe „Generationen von Hamburgern ein Stück Heimatgefühl“ vermittelt.

Das Tröstliche ist vielleicht: Dieses mit einem Volksschauspieler verbundene Gefühl ist eines, das über den Tod hinaus Bestand hat.

Diese Persönlichkeiten sind 2016 gestorben: