Hamburg. Das Ensemble Resonanz wird Residenzensemble im Kleinen Saal der Elbphilharmonie und hatte einen ersten Termin in dem neuen Konzerthaus.
Ein paar verstohlen weggespielte Bach-Noten, ein Portiönchen Vivaldi vielleicht noch, mehr war noch nicht. Und – UM HIMMELS WILLEN! – jetzt nichts kaputt machen, auf den letzten Metern. Aber immerhin. Irgendwer muss ja den Anfang machen. Ein kleiner Schritt für die Musik, ein großer für das Ensemble Resonanz. „Schön. Ist krass. Der ist echt schön, der Saal“, beschreibt die Geigerin Swantje Tessmann diese Momente.
Der erste, kurze, straff reglementierte Fototermin mit penibel abgezählten Kammerorchester-Mitgliedern im eigentlich praktisch fertigen Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Nebenan, im Großen, sollen die Stühle bereits montiert sein und die Arbeit an der Orgel geht auch voran, hört man außen. Vom Streicher-Ensemble, das sein Konzertsaal-Standbein im eigenen resonanzraum hat, ist beim Gespräch über die neue Aufgabe vor allem Vorfreude zu hören. Selbstbewusste Vorfreude, Stolz auf das Etappe für Etappe Erarbeitete. Dann müssen alle wieder hinaus. Im September stehen die ersten Akustiktests zwischen den vier Eichenholz-Wänden an, und erste Proben, um zu erfahren, ob der Saal mit den vielen Bühnen-Variationsmöglichkeiten so speziell klingt, wie er aussieht. Die Flitterwochen haben schon begonnen.
„Wir sind für das, was wir machen und was wir sind, in die Elbphilharmonie gebeten worden“, sagt Resonanz-Geschäftsführer Tobias Rempe mit gut hörbarem Selbstbewusstsein und sagt zu den Pflichten als kreative Verfügungsmasse für die Elbphilharmonie/Laeiszhalle-Dramaturgie auch: „Wir wissen, dass wir eingeplant sind. Das bedeutet aber auch für die künstlerische Planung eine Sicherheit: Sie haben ein Ensemble, mit dem sie an eigenen Produktionen arbeiten können.“
Immer war das nicht so kommod. Als die anderthalb Dutzend Musiker vor knapp anderthalb Jahrzehnten nach Perspektiven suchend in Hamburg ankamen, mussten sie zunächst wie Kellerkinder im Souterrain der Laeiszhalle darben. Über den Karostar ging es ins Kulturhaus am Schulterblatt, dann kam der hippe neue Saal im Medienbunker an der Feldstraße. Und nun also: Premiumlage HafenCity.
Als Residenzensemble im Kleinen Saal werden, wollen, sollen die Resonanzler das tun, was die NDR-Kollegen im Großen vorhaben: programmatische Pflöcke einschlagen. Ihre „Resonanzen“-Konzerte, die bislang in Eigenregie in der Laeiszhalle stattfanden, ziehen in den Neubau an der Elbe um. Eigens für dort entworfen wurde das Konzertformat „Into the Unknown“, bei dem erst kurz vor knapp verraten werden soll, was es zu hören gibt. Einen Mitarbeiterrabatt bei der Saalmiete gibt es allerdings nicht. Gab es bei den Laeiszhallen-Terminen aber auch nicht. Bei der Gebührenordnung hört die Freundschaft dann doch auf.
Der NDR und Thomas Hengelbrock werden Mitte Januar 2017 den Großen Saal einweihen und danach die Philharmoniker mit Kent Nagano hineinlassen; die Erstbespielung des Nachbarsaals, drei Abende mit neuer Neuer Musik von Georg Friedrich Haas, übernehmen die Resonanzler. Dazu kommt einiges im Rahmen der Beiboot-Festivals von Generalintendant Lieben-Seutter und natürlich viel Education-Arbeit. Und in der dann folgenden ersten „normalen“ Spielzeit stehen Festivals wie „Greatest Hits“ oder „Lux aeterna“ zur Teilnahme an.
Das Rundfunkorchester hat sich für den neuen Erstwohnsitz umgetauft. Die Resonanzler bleiben trotz mehr als einem Dutzend Terminen, was sie sind: „So großartig die Herausforderung und die Aufgaben in der Elbphilharmonie auch sind – es gibt auch noch den resonanzraum und unser Publikum dort. Deswegen wäre der Name Elbphilharmonie Ensemble auch nichts für uns“, findet Rempe. „Wir sind in Residence in der Elbphilharmonie und zu Hause auf St. Pauli.“
Zu diesem Aufschwung gehört inzwischen auch eine institutionelle Förderung. Ein Ensemble, zwei flotte Adressen, ist das nicht nur Luxus, sondern auch schon unfair gegenüber anderen Ensembles? Da wird Rempe grundsätzlich: „Dass wir jetzt dort in Residenz sind, hat mit unserer Entwicklung der letzten Jahre in Hamburg zu tun. Auch den resonanzraum haben wir uns selbst aufgebaut, wir haben Unterstützung gefunden und diese Idee entwickelt. Die Musiker haben mit den ,Resonanzen‘ und mit ,urban strings‘ unter jeweils harten Bedingungen angefangen und sie haben das durchgezogen.“ Außerdem: Drei Viertel des ER-Budgets sind selbstfinanziert.
Der Resonanzler-Geiger David-Maria Gramse bringt die Perspektive zwischen dem Spielbein in der HafenCity und dem Standbein im Schanzenviertel auf den Punkt: „Es gibt vielleicht ein Spannungsfeld. Aber keine Grenze.“ Danach müssen wir das Gespräch beenden, denn das Publikum im resonanzraum wartet. Nach dem Konzert ist hier immer vor dem Konzert.
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