Hamburg. Heiratswillige Frauen dringend gesucht: Premiere von „Landeier – Buer söcht Fro“ wird im Ohnsorg Theater bejubelt.

Zur Einstimmung ertönt „Route 66“. Ein Song über eine Straßenkreuzer-Reise von Chicago nach Kalifornien, über grenzenlose Freiheit und die Kicks bei diesem Road­trip.

Lütjenbüll ist von der Route 66 gefühlt genauso weit entfernt wie die Erde vom Mars, auch wenn die US-Flagge in der etwas abgeranzten Gastwirtschaft von Hein Mattes (Till Huster) anderes suggerieren möchte. Kein Tourist verirrt sich in das abgelegene Provinznest hinterm Deich, die einzigen Kunden in seinem auf amerikanische Trucker-Kneipe gestylten Dorfkrug sind ein paar leicht verschrobene Landwirte. Jens Jensen (Robert Eder) macht in Schweinen, sein Vetter Jan (Markus Gillich) in Schafen und auf Öko. Nur Richard (Tim Ehlert), der auch noch Bauer heißt, ist vergleichsweise normal. Ein Problem haben aber alle drei: Sie sind Junggesellen, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich mal ein paar „schmucke Deerns“ nach Lütjenbüll verirren, geht gegen null. Aber es gibt ja das „Internetz“, wie Jens das World Wide Web durchgehend nennt. Das soll den Landeiern bei ihrer Brautschau helfen.

„Landeier – Buer söcht Fro“ heißt eine Komödie von Frederik Holtkamp über dörflichen Frauennotstand. Ohnsorg-Intendant Christian Seeler zierte sich eine ganze Zeit, das Stück an seinem Haus inszenieren zu lassen, weil er seit Anfang des Jahres bereits mit „Dat Narrenhuus“ eine Männerstory im Repertoire hat. Doch in anderen Theatern in Norddeutschland lief das Lustspiel mit so großem Erfolg, dass er letztlich doch entschied, es auf die Bühne zu bringen. Nach der gefeierten Premiere am Sonntagabend wird Seeler froh sein, denn Sandra Keck hat ihm mit ihrer Inszenierung einen sicheren Publikumsrenner beschert.

Die Vorlage, von Heino Buerhoop ins Plattdeutsche übertragen, bietet alle Zutaten eines Erfolgsrezepts: ein paar Kerle mit Testosteron-Überschuss, die Möglichkeiten des Internet-Datings, Vorbilder wie das Fernseh-Format „Bauer sucht Frau“, den englischen Männerstrip-Film „Ganz oder gar nicht“ und zwei Frauen, die sich eher überraschend nach Lütjenbüll verirren: die trinkfeste und schlagfertige Postbotin Gertrud (Edda Loges), die einen Kollegen vertreten muss, und die Studentin Eva (Hanka Schmidt), die bei einer Fahrradtour von einem Gewitter überrascht wird. Gemeinsam bringen sie die Brautwerber auf Zack und verwandeln Heins Kneipe in ein Aufnahmestudio für ein frivoles YouTube-Filmchen: Drei Männer backen Pfannkuchen und bügeln, ihnen wird mächtig heiß und nach und nach fallen alle Hüllen bis auf die Unterhose.

Sandra Keck inszeniert den Dating-Trubel und das Buhlen um die hübsche Eva punktgenau. Kein Klischee wird ausgelassen, jeder mögliche Kalauer eingesetzt, aber das stört bei „Landeier“ nicht – im Gegenteil. Die Schauspieler haben offensichtlich einen Heidenspaß und man nimmt ihnen ihre Figuren ab. Till Huster macht aus dem schnurrbärtigen Hein einen sanften Altrocker, der aus seiner Lethargie herauskommt und plötzlich wieder von einem Harley-Trip auf der Route 66 träumt. Vor Begeisterung spielt er ein Luftgitarrensolo zu AC/DCs „Highway To Hell“ auf einer Fliegenklatsche und rutscht dabei auf dem Rücken durch seine Kneipe. Huster musste kurzfristig für Wolfgang Sommer einspringen, der nach einer Hand- Operation die Rolle erst in etwa zwei Wochen übernimmt.

Von den drei Landwirten hat Robert Eder den dankbarsten Part, weil er den dösigen Trottel spielen darf, der in einer kleinen Welt zwischen Schweinestall und Trecker-Tuning lebt. Gegen Eders lakonische Komik kommen Markus Gillich und Tim Ehlert kaum an. Gillich als grüner Schafzüchter, der keinem Lämmchen was zu Leide tun kann und mit seiner Vorliebe für „Öko-Kohlrabi“ aufgezogen wird, verfügt über eine Portion Bauernschläue. Tim Ehlert glänzt mit seinem Sixpack und einarmigen Liegestützen. Edda Loges kommt als Postbotin in Lederhose und Wacken-T-Shirt manch lustiger Spruch über die Lippen („Eilig? Machste Witze? Ich bin bei der Post!“). Hanka Schmidt spielt die hübsche Studentin mit keckem Selbstbewusstsein und wickelt die Landeier mit ihrer Natürlichkeit und ihrem Charme um den Finger.

Die bäuerliche Selbstinszenierung für das „Internetz“ läuft auf einen äußerst komischen Schlusspunkt zu. Gillich und Eder zeigen darin, was man alles mit Bratpfannen machen kann. Details werden hier nicht verraten, die kann man nur im Theater bestaunen und belachen.

„Landeier – Buer söcht Fro“ bis 9.1. 2016,
Ohnsorg Theater, Karten ab 18,- unter T. 35 08 03 21