Hamburg. Die vierte Inszenierung des Ohnsorg-Klassikers „Tratsch op de Trepp“ mit Heidi Mahler ist keine One-Woman-Show.

Mit Klassikern, auch im Theater, ist das ja so eine Sache: Sie sind Fluch und Segen zugleich. „Tratsch op de Trepp“ ist solch ein Fall, Das Stück gehört im Ohnsorg gewissermaßen zum Inventar. Daran hat auch der Umzug des Theaters vor vier Jahren von den Hohen Bleichen an den Heidi-Kabel-Platz nichts geändert.

Seit der Uraufführung 1962, damals noch unter dem Titel „Sluderee op de Trepp“, steht Jens Exlers Komödie nun zum insgesamt vierten Mal auf dem Ohnsorg-Spielplan. Wie soll man da herangehen, hat sich auch Regisseur Michael Koch in seiner Neuinszenierung zum Auftakt der diesjährigen Spielzeit gefragt. An jenen „Tratsch im Treppenhaus“, der aufgrund der Fernsehübertragung und unzähligen Wiederholungen – stets in Schwarz-Weiß – untrennbar mit den Stars Heidi Kabel (als Tratschtante Meta Boldt) und Henry Vahl (als Steuerinspektor a.D. Ewald Brummer) verbunden bleibt.

Nun, den ersten Applaus bei der Premiere am Sonntagabend gab es gleich mal fürs fast museal anmutende Bühnenbild, das Katrin Reimers aus Originalteilen mit Treppengeländer nahezu eins zu eins nachgebaut hat. Obwohl das Treppenhaus der eigentliche Hauptdarsteller der Inszenierung ist – auch alle Dialoge spielen hier – , brauchen sich die Akteure mitsamt der menschlichen Schwächen nicht hinter den vier knallenden und knarzenden alten Holztüren im dritten Stock zu verstecken. Auch nicht Heidi Mahler, die zum zweiten Mal nach 1996 die Rolle ausfüllt, die ihre Mutter Heidi Kabel populär gemacht hatte. Wenn sie als alterslose Klatschtante Meta Boldt mit scheinheiliger Freundlichkeit treppauf und treppab schleicht und lustvoll tratscht, hat im Haus von Schlachtermeister Tramsen (Wolfgang Sommer) alles mal ein Ende, nur die Wurst aus Intrigen, Lügen und Gerüchten nicht. Vor allem in der Mimik ähnelt Heidi Mahler ihrer Mutter.

Anstatt aber wie einst nur dem Duo Kabel/Vahl und dem Gezänk zwischen dem bösen Plappermaul Boldt und dem gnadderigen Brummer zu vertrauen, gibt Regisseur (und Mahler-Ehemann) Michael Koch sowohl der männlichen Hauptfigur als auch dessen Nachbarin Hanne Knoop mehr Farbe als anno dazumal. So verfliegt der drohende Staub mit der Zeit.

Horst Arenthold, äußerlich eine Mischung aus dem einstigen Ohnsorg-Star Werner Riepel und Fußball-Klops Reiner Calmund, poltert und bollert im Morgenmantel nicht nur an den Nachbarstüren von Witwe Knoop und beschwert sich über zu laute Musik und Wäschestücke auf seinem Balkon. Erst tanzt er angesichts deren neuen Untermieterin, der süßen Deern Heike (Arja Sharma), beschwingt über den Hausflur, dann tanzen die Hormone. Denn Sandra Keck, wie Arenthold ein Publikumsliebling im neuen Ohnsorg Theater, gibt der Witwe Knoop eine jüngere, eine weiblichere Gestalt und noch mehr Seele als von früheren Inszenierungen bekannt.

Da fängt es im zweiten Teil nach dem Karnickelzüchter-Ball zwischen dem großen Brummer und „Knööpchen“ richtig an zu knistern, dass Tratschtante Meta Mühe hat, in diesem „Soda und Gomorrha“ noch ihr Gift zu verspritzen. Plötzlich bekommt sie Angst „vor drei bis vier Jahren Zuchthaus“ wegen übler Nachrede und Verleumdung.

Henry Vahl als
Ewald Brummer
und Heidi Kabel als
Meta Boldt 1962.
Die Fernsehübertragung
vier Jahre
später machte die
beiden landesweit
populär
Henry Vahl als Ewald Brummer und Heidi Kabel als Meta Boldt 1962. Die Fernsehübertragung vier Jahre später machte die beiden landesweit populär © ullstein bild

Die prüde Verklemmtheit der frühen 60er-Jahre ist heute, in Zeiten oft anonymer Mietshäuser im Besitz von großen Wohnungsbau-Investoren anstatt von Einzelpersonen, ebenso passé wie jene Hausgemeinschaft vom „Tratsch op de Trepp“. Das Ohnsorg Theater versteht es jedoch, dieses Milieu wiederaufleben zu lassen. Nichts Überraschendes. Am Ende aber sang ein Teil des Publikums sogar das plattdeutsche Couplet „An de Eck steit’n Jung mit’n Tüdelband“ mit, und es spendete lang anhaltenden Beifall.

„Es sind ja auch ganz andere Schauspieler als damals“, gab Ohnsorg-Intendant Christian Seeler auf der Premierenfeier eine Zuschauerreaktion wider. Auch dafür gab es Lacher.