Hamburg. Im Kunstverein spielt eine neue Ausstellung mit Klischees – und fordert das Sehvermögen und den Geist der Besucher heraus.

Eine aufregend-schöne Ausstellung wurde jetzt im Kunstverein eröffnet: „Malerei. Böse“ ist der Titel, und wie gewohnt in diesem Haus, werden auch hier wieder Sehvermögen und Denkapparat herausgefordert. Verwässert, in Korsetts gezwängt und von Klischees erdrückt – so formuliert Kunstvereinschefin Bettina Steinbrügge das Schicksal der Malerei in den vergangenen Jahren. Mit ihrer ironisch betitelten Ausstellung versucht sie so etwas wie eine Besinnung, denn keines der allesamt figurativen Kunstwerke ist einfach zu entschlüsseln und in eine bequeme Schublade zu stopfen.

Das wird schon bei Lydia Balke deutlich, deren klassisch-schön gemalte Ölbilder eine gewisse Morbidität ausströmen, einen Unterton von Gewalt und Tod. Eine schweinsköpfige Braut posiert für ein elegantes Porträt, doch zu ihren Füßen liegt, halb unter ihrem weißen Schleier, ein toter Fuchs. Überdies hat die Künstlerin eine Schwäche für Serienmörder.

Gleich daneben ein grelles, zwischen trashiger Blutrünstigkeit, Popkultur und Werbeästhetik schwankendes Großformat von Dawn Mellor, auf dem chinesische Arbeiter mit Horrorfilmköpfen Plakate verteilen. Darauf stehen Songtexte von Madonna, geschrieben mit dem Blut des blonden Popstars in der Mitte. Um die Ecke kann man auf einer wundervoll langen Bank einen Platz gegenüber von Mellors Porträtgalerie einnehmen. Anders als die Hofmaler englischer Schloss­herren hat die Künstlerin hier lauter Schauspielerinnen porträtiert, die schon einmal Dienstmädchen gespielt haben, zum Beispiel Glenn Close oder ­Joan Crawford. Auf Biegen oder Brechen scherzwütig, verzerrt ihr Pinsel die Bildnisse zur Groteske und verlegt die Identität der Porträtierten in die Welt des Kunstbusiness.

Was als Nächstes kommt, ist wirklich erstaunlich: Wie trivial darf Kunst werden, wenn sie in einer so anspruchsvollen Institution ausgestellt wird wie dem Kunstverein? Martin Eder ist, technisch betrachtet, ein virtuoser Maler, der mit fotorealistischer Genauigkeit schmollende Feen in Ritterrüstungen auf die Leinwand zaubert. Damit greift er genau jenen Kitsch der gängigen Fantasy-Ästhetik auf, der seit Jahrzehnten die Kassen von Kinos, Buchhändlern, Computerspielentwicklern und Comicverlagen klingeln lässt. Eders Bilder seien „verdammt gut gemalt“, und in Hochglanzmagazinen seien solche Spielereien okay, kontert Bettina Steinbrügge. „Aber warum macht ein Maler so etwas? Damit können wir uns hier auseinandersetzen!“

Während Birgit Brenner in ihren Sperrholz-Acryl-Arbeiten die mediale Bilderflut in einzelnen Gegenständen wie Handgranaten oder Luxusartikeln bündelt, setzt sich der Maler Bernhard Martin ihr rückhaltlos und lustvoll aus. Was wie Airbrush aussieht und einen diffus-pudrigen Grund bildet, hat der Künstler mit großen Pinseln und fünf Farben auf die Leinwand gemalt. Sich verneigend vor Hans Baldung Grien, aber sicher auch vor Otto Dix, malt er lauter Figuren in seine Bilder, die der luxusverwöhnten Oberschicht entstammen könnten oder einem Film von Quentin Tarantino, dessen Ästhetik er ebenfalls in ein Bild bannt. Seine ­Gestalten sind glamourös, exzessiv, narzisstisch, sie schlucken zu viele ­Tabletten oder hungern nach Fetischen und Beachtung. Letztlich aber scheinen sie, jede einzelne, isoliert zu sein, einsam in schicker Gesellschaft.

„Malerei. Böse“ Ausstellung Kunstverein, Klosterwall 23 (U/S Hbf), bis 10.1.2016. Di–So 12–18.00, Eintritt 5, erm. 3 Euro. www.kunstverein.de