Hamburg. Die Komödie ist ein triumphaler Erfolg für das Ohnsorg Theater. Regie und glänzende Darsteller überzeugen restlos.
„I am what I am“, singt sich leicht und sagt sich noch leichter. Was aber bedeutet es, wenn man homo- oder transsexuell ist, den oft schwierigen Prozess des Outings hinter sich hat und auf eine Gesellschaft trifft, die sich schwer mit Menschen tut, die nicht nach der Norm leben wollen? Man muss gar nicht bis nach Russland schauen, wo Schwule und Lesben verfolgt werden: Die Ablehnung, die ein ESC-Popkünstler wie Conchita Wurst trotz seines Erfolges erfahren hat, spricht gleichfalls Bände. Deshalb ist ein Theaterstück wie „La Cage Aux Folles“, 1973 in Paris uraufgeführt, immer noch von großer Aktualität. Das Ohnsorg Theater hat diese ernsthafte Musical-Komödie nach dem Stück von Jean Poiret mit der Musik von Jerry Herman jetzt als plattdeutsche Erstaufführung in sein Programm genommen. Am Sonntag wurde „Dat Narrenhuus“ bei der Premiere frenetisch gefeiert.
Im Mittelpunkt steht das Pärchen Alwin (Erkki Hopf) und Georg (Hardy Rudolz). Alwin ist unter dem Künstlernamen Zaza der Star einer Travestie-Show, Georg der Impresario des Theaters und der „Narrenhuus“-Shows. Georg ist auch Vater eines 24 Jahre alten Sohnes. Jan (Christian Richard Bauer) ist bei ihm und bei Alwin aufgewachsen. Der junge Mann hat eine Freundin, die er heiraten möchte. Die Sache hat nur einen Haken: Annes (Arja Sharma) reaktionären Vater. Jan möchte die Schwiegereltern gern einladen, aber wohin mit dem exzentrischen Alwin? Der war zwar Mutterersatz für Jan, aber er ist nun keine leibliche Mutter. Auch die Wohnung des schwulen Paares entspricht mit ihren Statuen von nackten Körpertorsos nicht geraden konservativ-bürgerlichen Vorstellungen. Alwin, die Tunte, soll weg. Wenigstens für einen Abend.
Erkki Hopf spielt Alwin/Zaza mit gewollt übertriebenen Gesten und bedient damit gezielt die Tunten-Klischees. Auf der Bühne ist er der große Star, zu Hause bei Georg jedoch ein unsicherer und eifersüchtiger Mensch, der geliebt werden will, aber immer zweifelt. Als er erfährt, dass er für Jans Schwiegereltern die Wohnung verlassen muss, bricht für ihn eine Welt zusammen. Hopf steht in einem schwarzen Kleid ohne die blonde Perücke auf der Bühne. Allein, verstoßen. Das Publikum lacht, doch es ist ein Ausdruck tiefer Trauer. Er ist ausgegrenzt, verraten von den Menschen, die er liebt und für die er alles gibt. Intendant Christian Seeler bezeichnete die Leistung von Hopf später als „Weltklasse“. Kaum übertrieben, denn Hopf versteht es, die komplette Klaviatur von der Zicke über das Muttertier bis zum Trauerkloß mit genauer Gestik und Mimik und viel Wortwitz zu spielen. Gegen ihn hat es selbst ein international erfahrener Akteur wie Hardy Rudolz schwer.
Für diese Produktion hat das Ohnsorg Theater groß aufgefahren. Die drehbare Bühne (Félicie Lavaulx-Vrécourt) ist dreigeteilt und ermöglicht einen schnellen Szenenwechsel zwischen Garderobe, Wohnzimmer und „Narrenhuus“-Bühne. Sechs Tänzer und Tänzerinnen, die „Zaretten“, schwingen die Beine, wedeln mit Federpalmen und verwandeln das Volkstheater in ein glitzerndes Varieté. Regisseur Frank Thannhäuser, der auch für die beeindruckenden Kostüme verantwortlich zeichnet, nimmt das Ambiente der Vorlage ernst und baut ein paar schwungvoll getanzte Nummern in das Stück. Auch seine Dialogregie geht auf. Die Gags sitzen, die Tiefe des Stücks wird ausgelotet. Thannhäuser vermeidet Klamauk und Brachialkomik, auch wenn einige Szenen völlig überdreht sind. Aber das gehört zum „Narrenhaus“ dazu. Eine großartige Vorstellung liefert auch Nils Owe Krack als Zofe Jakob. Seine exaltierten Auftritte garantieren Lacher auf Lacher. Eine Anspielung auf Hamburger Politik bauten Hartmut Cyriacks und Peter Nissen in ihre plattdeutsche Übertragung ein: Jans Schwiegervater, ein Politiker und selbst ernannter Sittenwächter, heißt Schilling, die Ähnlichkeit mit dem früheren Innensenator Schill, dem „Richter Gnadenlos“, ist gewollt.
Zum Ende der Spielzeit serviert das Ohnsorg Theater seinem Publikum noch einmal einen richtigen Kracher. Travestie funktioniert auch auf Plattdeutsch, der Siegeszug von „Ein Käfig voller Narren“ geht weiter. Beim Schlussapplaus springt das Publikum von den Sitzen, klatscht begeistert und singt gemeinsam mit den Akteuren den Schlusssong. „Dat Narrenhuus“ ist ein weiterer Beleg dafür, wie breit Intendant Seeler sein Haus inzwischen aufgestellt hat. Die Zeiten der Volkskomödien im norddeutschen Milieu sind lange vorbei. Ohnsorg kann auch international. Für eine tolle Travestieshow muss in diesem Sommer niemand ins Moulin Rouge nach Paris fahren, die gibt es jetzt vor der Haustür. Am Heidi-Kabel-Platz.
„Dat Narrenhuus“ läuft bis zum 5. Juli