Hamburg. Gegen Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard wird wegen eines Kunstprojekts mit Lampedusa-Flüchtlingen ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat wegen eines Kunstprojekts mit fünf afrikanischen Flüchtlingen, die in der „ecoFavela Lampedusa Nord“ auf dem Kampnagel-Gelände untergebracht waren, ein Ermittlungsverfahren gegen die Intendantin Amelie Deuflhard eingeleitet. Eine Sprecherin der Behörde hat einen Bericht der „Welt“ vom Wochenende bestätigt, dass wegen des Anfangsverdachts auf „Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht für Ausländer“ gegen Deufl­hard ermittelt werde.

Hintergrund dieses Verfahrens ist eine Anzeige, die der Hamburger Landesvorstand der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Dezember 2014, in der heißen Phase des Bürgerschaftswahlkampfs, gegen die Intendantin gestellt hatte. Bei einer kontrovers verlaufenen Podiumsdiskussion im Thalia Theater hatte der AfD-Politiker und frühere Hamburger Innensenator Dirk Nockemann damals zu Deuflhard gesagt: „In einer anderen gesellschaftlichen Form würde ihnen etwas anderes blühen als diese Anzeige.“ Pfarrer Sieghard Wilm von der St. Pauli Kirche hatte auf Nockemanns Äußerung entgegnet: „Kunst muss eine Wunde offen halten, das ist sie der Gesellschaft schuldig.“

Deuflhards Reaktion auf die Nachricht über die Aktivitäten der Staatswaltschaft ist eindeutig: „Als politischer Mensch denke ich, dass es wirklich seltsam ist, gerade jetzt eine Anzeige zu bekommen, kurz nachdem Hunderte Menschen wieder im Mittelmeer ertrunken sind.“ Die Staatsanwaltschaft selbst habe sich noch nicht bei ihr gemeldet, es habe aber „wahnsinnig viele Reaktionen auf Facebook“ auf diese Nachricht gegeben, „viele fragen auch, ob ich einen Anwalt benötige oder wie sie mir helfen können.“ Juristischen Beistand hat sie und berichtet: „Mein Anwalt ist total entspannt.“ Eine weitere Anzeige wegen „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ sei mittlerweile zurückgewiesen worden, sagt Deufl­hard. Für das Projekt hatten private Geldgeber Mittel bereitgestellt.

Moralische Rückendeckung erhält Deuflhard durch Kultursenatorin Barbara Kisseler: „Gegen die Kunstaktion auf Kampnagel Anzeige zu erstatten, wie es die AfD gemacht hat, ist vor dem Hintergrund der unfassbaren Tragödien, die sich täglich auf dem Mittelmeer ereignen, zynisch. Kunst muss auch unbequem sein und mit Aktionen wie dieser auf drängende gesellschaftliche Probleme aufmerksam machen.“

Die Kampnagel-Chefin fühlt sich „auf jeden Fall künstlerisch durch das Projekt bestätigt. Es ist superwichtig, diese Debatte zu führen“, sagte sie. „Wenn es nur um die Unterbringung von Flüchtlingen gegangen wäre, hätten wir ja auch eine Dreizimmerwohnung anmieten können. Aber es ging ja um etwas ganz anderes – wir wollten die Kunst, Soziales und das Leben damit zusammenbringen. Man muss auch bedenken, wie klein das Projekt eigentlich ist. Und wie viel Aufregung und Debatte es dennoch verursacht.“

Das Projekt auf dem Kampnagel-Gelände ist mittlerweile beendet. Die Genehmigung endete am 1. Mai, die Bewohner sind privat untergebracht. Doch das Thema an sich wird Deufl­hard und Kampnagel weiter beschäftigen. Am 5. und 6. Juni sind im Rahmen des „Live Art Festivals“ zwei dreistündige Abende mit der Performance-Gruppe „Schwabinggrad Ballett“ und Mitgliedern der Lampedusa-Gruppe geplant. Sie wollen mit interventionistischen Aktionen den Platz vor der Flüchtlingsunterkunft Schnackenburgallee bespielen, und ebenso die per Gerichtsbeschluss stillgelegte Unterkunft-Baustelle an den Sophienterrassen in Harvestehude. Der Titel des Projekts: „Chöre der Kommenden“.

Beim Kampnagel-Sommerfestival soll die „ecoFavela“ in veränderter Form wieder eröffnet und mindestens eine Woche lang als „Diskursraum“ genutzt werden. Mit ängstlicher Ruhe ist also nicht zu rechnen. Zum Start der nächsten Spielzeit sei ein Schwerpunkt zum Thema Postkolonialismus geplant. Außerdem wird bereits an Plänen für ein weiteres Winterquartier gearbeitet. „Inhaltlich bleiben wir stark dran.“

Deuflhard hatte noch nie mit der Staatsanwaltschaft zu tun, „und mit der Polizei höchstens wegen Strafzetteln, vor allem für falsches Parken“, sagte sie mit ebenso verwundertem wie entschiedenem Unterton. Ihre Meinung zu den nun angekündigten Ermittlungen und ihrem Ausgang ist kategorisch: „Es wäre ein fatales politisches Signal, wenn ich in diesen Tagen tatsächlich verurteilt oder bestraft würde – egal, ob es um 200 Euro ginge oder um 3000.“