Umfrage von Kulturbehörde und Abendblatt: Wir stellen die zehn inhabergeführten Geschäfte vor, die im Finale sind. Ende August wird der prestigeträchtige Titel vergeben.
Hamburg. Einer schreibt ein Gedicht. Ein anderer mailt ein Foto, das ihn lesend im Bett zeigt. Eine ältere Damen schickt keine Mail, sondern einen Brief, in dem handschriftlich Grundsätzliches kundgetan wird: „Ich werde stets freundlich bedient und beraten.“ Und zwar von den vielen jüngeren Damen, die auf dem Anschreiben zu sehen sind, die Absenderin hat es mit einem Gruppenbild der Belegschaft verziert. Es erreichte uns eine Postkarte aus Cornwall, außerdem E-Mails aus München, Wien, Göteborg.
Die Kulturbehörde sucht Hamburgs beste Buchhandlung, das Abendblatt rief die Leser auf, Vorschläge zu machen, wer denn für diesen durchaus prestigeträchtigen Titel infrage kommen könnte. Die Resonanz war beinah überwältigend, 2649 gültige Vorschläge wurden eingereicht und insgesamt 56 Läden in Hamburg genannt. Die zehn meistgenannten inhabergeführten Buchhandlungen stehen nun im Finale und werden von einer Jury bewertet, sie wird am Ende die Entscheidung fällen. Überreicht wird der Preis am 30. August im Literaturhaus, im Rahmen der ersten Langen Nacht der Literatur.
2649 Vorschläge, das waren also auch 2649 Stimmen, mit denen die Einsender ihre Buchhändler des Vertrauens unterstützen und in die Finalrunde hieven wollten. Viele von ihnen begründeten ausführlich ihre Wahl, es gab genaue Beschreibungen des Services und der Bedeutung zu lesen, die die Literatur-Kaufhäuser jeweils für den Einreicher haben: Und so wurden die Voten zu Liebeserklärungen an etwas, das für viele zum Alltag gehört – und mit dem die Menschen, so scheint es, viel mehr verbinden als ihren Status als Kunden.
Die Schreiben zeugen von einer großen Anhänglichkeit („Ich habe das Glück, in direkter Nachbarschaft dieses Kleinods zu wohnen“), sie preisen den Buchladen als Ort des Sozialen („Für einen netten Klönschnack ist immer Zeit“), und in ihnen äußert sich eine Achtung vor der Funktion dieser gerne als Zapfsäulen des Geistigen beschriebenen Geschäfte. Amazon oder andere Internet-Kaufhäuser schätzen die Einsender nicht; muss ja auch keiner in einer Großstadt wie Hamburg, wo ein Netz von Buchhandlungen für die literarische Versorgung zuständig ist.
Warum digital nicht immer besser ist, zeigt sich jedenfalls in den stellenweise auch ausgesucht-kuriosen Begründungen. „Mein Buchladen ist wie eine heimliche Bibliothek für mich – ich komme und blättere in den Bildbänden“, heißt es einmal, und anderswo: „Ich werde hier freundlich bedient, obwohl ich ein Mann und dann auch noch kein Lehrer bin.“ Und eine angemessene Portion Pathos kann auch nicht schaden: „Ein Besuch in meiner Buchhandlung ist Wellness für die Seele!“
Was Kunden an ihren Buchhandlungen außerdem schätzen? Die Akkuratesse der Verkäufer, ihre Geschmacksicherheit und Belesenheit, ihr Gedächtnis. Es ist halt immer gut zu wissen, wer die Lieblingsautoren der Stammkunden sind. Was die Kunden darüber hinaus eint, sind die Freude am Interieur und die Lust auf die Atmosphäre – wo Bücher auf Tischen liegen und in Regalen stehen, hält sich der Hamburger gern auf. Er mag die manchmal intime Beziehung, die zwischen Buchmenschen entsteht: den Verkäufern, Käufern, Autoren, Besuchern, Suchern. Er mag übersichtliche Homepages, auf denen er ausnahmsweise auch mal von zu Hause Kultur shoppen kann; er mag Lesungen und Lesekreise, die in den Buchhandlungen stattfinden. Er trinkt dann ein Glas Wein bei solcherlei literarischen Angelegenheiten; das gute Buch, der gute Tropfen, sie scheinen zusammenzugehören. Noch besser ist es, wenn die Buchhandlung außer Getränken auch Schnittchen reicht.
Für den Hamburger ist die Buchhandlung der wichtigste Leseverführer. Sie ist ein Ort der Inspiration, und das können ja nicht alle Geschäfte sagen, in denen wir sonst so dem Konsum frönen. Unter den Abstimmenden und Einsendern waren viele Vertreter des Bildungsbürgertums, es schrieben aber auch Handwerker. Manche gaben sich standesbewusst, andere lobten, dass niemand beim Betreten der heiligen Bücherbuden Schwellenangst haben müsse. Hamburger Buchläden haben Fans in Hamm und in Harvard, sie liegen nicht immer im Stadtteil, in dem man wohnt. Manche Verbindungen halten Jahrzehnte und über Grenzen hinweg. Das Publikum sucht seinen literarischen Bedarf in Buchhandlungen für die populäre Vollverpflegung, die den Mainstream, aber auch die Nischen besetzen – und manchmal auch in denen für Spezialisten. Es gibt in Hamburg Geschäfte, in denen die Freunde des Maritimen gerne einkaufen, und solche, die bevorzugt Juristen aufsuchen. Der Berufsstand der Architekten hat übrigens, gefühlt zumindest, geschlossen für seine Lieblingsbuchhandlung abgestimmt – vielleicht getreu der Devise „Zeig mir, wo du deine Bücher kaufst, und ich sag dir, wer du bist.“
So oder so: Die Hamburger sind dankbar für ihre Buchläden. Sie lieben sie.
Seitenweise gibt es seit zwei Jahrzehnten, die Buchhandlung ist eine literarische Institution am Hammer Steindamm. Und „Frau Ehlert und Frau Holtmann“, wie sich Elke Ehlert und Beatrix Holtmann auf ihrer basarbunten Homepage nennen, sind die Instanzen, ohne die in Hamm buchtechnisch wenig läuft. Als Buchhandlung hat man irgendwo auch einen soziokulturellen Auftrag: Lesungen haben auch mal einen gesellschaftlichen Hintergrund, Seitenweise ist im Stadtteil gut vernetzt. Und bei Buchvorstellungsabenden gibt es Wein. Was sonst. Seitenweise, Hammer Steindamm 119, Hamm
Klar, die Regale in Buchhandlungen sind immer hoch. Wo sollen denn sonst auch die ganzen Schinken hin, die dicken! Bei Sautter + Lackmann, der Kunstbuchhandlung auf der Fleetinsel, stehen besonders groß dimensionierte Bücher: Das in zweiter Generation geführte und früher am Klosterstern beheimatete Geschäft ist spezialisiert auf Bildende Kunst und Architektur, und Prachtbände sowie Ausstellungskataloge brauchen nun mal Platz. Die Regale scheinen sich hier mehr noch als anderswo an der Decke zu stoßen. Es droht aber keine Einsturzgefahr. Sautter + Lackmann, Admiralitätsstraße 71, Neustadt
Tja, die Sache mit den Namen. Ein Buchgeschäft braucht einen wie jedes andere auch. In Neugraben, in der Marktpassage, haben sie ihres ganz schlicht Der Buchladen genannt. Aber im Untertitel, sozusagen, heißt der von Seylan Mohr und Bettina Meyer betriebene Laden zusätzlich schön stabreimend Meyer & Mohr. Das klingt witzig-sloganhaft wie „Meyer und mehr“ – um was es hier geht, ist nichts weniger als die literarische Versorgung eines großen Teiles des Hamburger Südens, gewährleistet durch zwei belesene Damen und ihr Team. Der Buchladen, Marktpassage 9, Neugraben
Wer in Altona wohnt, für den ist der Stadtteil ohne Christiansen nicht denkbar – das Buchgeschäft am Spritzenplatz gehört zum festen Interieur. Seit 1878 gibt es den Laden, und deswegen darf Christiansen sich „die älteste Buchhandlung Hamburgs in Familienbesitz“ nennen. Für den Buchverkauf, der ja immer auch Literaturförderung ist, tut Christiansen einiges: Es gibt Literaturlesekreise, darunter gleich drei für jugendliche Leser. Außerdem kann man bei Christiansen Kaminholz für den Winter kaufen. Merke: Bücher selbst verfeuert man nicht. Christiansen, Bahrenfelder Str. 79, Ottensen
„Stories“, das klingt doch gleich schwer nach erzählender Literatur – und frisch auch, nach modernem Geschäftsmodell, nach Internationalität. Et voilà: „Abendbrot“, wie der regelmäßig stattfindende After-work-Lesezirkel heißt, auf dem neue Buchtitel vorgestellt werden, gibt es auch auf Englisch. Die verhältnismäßig junge Buchhandlung residiert am Falkenried und seit Kurzem auch im Hanseviertel. Wer nach dem Tag im Büro zur literarischen Runde stößt, darf ein gutes Glas Wein trinken. Das könnte man auch Bestechung nennen. Stories, Straßenbahnring 17, Hoheluft, Hanseviertel
Seit 2003 gibt es die Buchhandlung Klauder in Duvenstedt, aber erst 2011 hat Heike Klauder, die Chefin vom Ganzen, eine fünfte, natürlich weibliche Arbeitskraft: die Hündin Meggie. „Sie sorgt für freundliche und gute Stimmung“, steht auf der Klauder-Homepage. Meggie kurbelt also, aber das wird nicht so deutlich gesagt, den Buchverkauf an. Buchhändler kennen eben alle Tricks – bzw. Buchhändlerinnen: In Duvenstedt arbeiten ausschließlich Frauen. Was sich durchaus mit unseren Stichproben trifft – Bücherverkaufen ist eine Domäne der Damen. Buchhandlung Klauder, Duvenstedter Damm 41, Duvenstedt
Kundenbindung – der Schlüssel zum Erfolg! Auch beim Bücherverkaufen. In Niendorf darf jeder Literaturkritiker sein. Deswegen hat Christiane Hoffmeister, die Inhaberin des Bücherecks Niendorf Nord, eine Rubrik auf der Homepage ihres Ladens eingerichtet. Sie heißt „Testleser“. Klingt doch viel besser als Buchkritiker. Auch gut: der Buchhandlungsblog, in dem Buchhändler und Autoren über ihr Leben als Leser und ihre Erfahrungen im berühmt-berüchtigten Literaturbetrieb schreiben. Verkaufstrick an verkaufsoffenen Sonntagen: Waffeln. Büchereck, Nordalbingerweg 15, Niendorf
Auch Hipster-Boys und Szene-Girls lieben Bücher. Und genau das wusste das Buchhändler-Paar Cohen + Dobernigg, als es sein Geschäft aufmachte – und zwar im ... ja, wo eigentlich, Schanze oder Karolinenviertel? Genau da, wo sich die beiden Quartiere treffen! Geschickter Schachzug. „Cohen + Dobernigg ist der Buchhandel auf St. Pauli“, heißt es in der Selbstbeschreibung – noch besser. Die jungen Leute im Ausgehbezirk lieben ihr „Codobuch“. Sie gehen manchmal sogar lieber zu Lesungen bei Cohen + Dobernigg als auf Konzerte. Wirklich. Cohen + Dobernigg, Sternstraße 4, St. Pauli
Ist ja überhaupt nicht so, dass in Hamburg niemand die neuen Zeichen erkennt: Moderne Buchdealer wie die Sachsentor-Buchhandlung in Bergedorf sind natürlich auch Internetshops. Trotzdem glaubt Jörg Johannsen, der Buch-Chef am Sachsentor, total an die analoge Welt: Neulich erst hat er in Lohbrügge einen weiteren Laden aufgemacht. Wie sollte Johannsen auch nicht Sinn für die Dingwelt haben – das Stammhaus ist in einem schönen Altbau untergebracht. Aura ist immer wichtig, gerade bei Büchern, denn das Auge liest mit. Sachsentor-Buchhandlung, Sachsentor 11, Bergedorf
Felix Jud am Neuen Wall: eine feine Adresse. Bücherwelt mitten im Shopping-Paradies. 1923 von Felix Jud gegründet, damals noch an den Colonnaden als „Hamburger Bücherstube“. Eine Bücherstube ist das Geschäft geblieben, das außer Buchhandlung auch Antiquariat und Kunsthandel ist, also ein Ort für Sammler. Marina Krauth und Wilfried Weber führen den Archetyp einer Buchhandlung. Wenn man an Felix Jud denkt, imaginiert man das Geräusch, das beim Umschlagen einer Seite entsteht, ansonsten: Stille. Kunden-Lockmittel: die Schaufensterkunst. Felix Jud, Neuer Wall 13, City