Der sich als harmoniesüchtig bezeichnende Musiker Jon Flemming Olsen, alias Imbiss-Ingo, hat ein neues Album „Immer wieder weiter“ herausgebracht. Ein Gespräch über ein Haarteil und die Angst vor Erfolg.
Als Imbisswirt Ingo an der Seite von Olli Dittrich in „Dittsches Bistro“ hat er Kultstatus im Fernsehen. Doch begonnen hat Jon Flemming Olsen seine Künstlerkarriere als Musiker. Mit dem Album „Immer wieder weiter“ und einem Konzert kehrt er in diesem Frühjahr zurück zu seinen Wurzeln.
Hamburger Abendblatt: Jon Flemming Olsen, an Ihnen fehlt äußerlich etwas, wenn ich Sie mir so anschaue. Genau. Ihre Vorne-kurz-hinten-lang Frisur …
Jon Flemming Olsen: Das ist ja auch nicht meine normale Frisur! Die trage ich nur als Imbisswirt Ingo. Ich nenne sie meine „Ananas“. Sobald ich die Perücke auf dem Kopf habe und dazu noch das leise Klimpern des Leerguts in der Plastiktüte von Dittsche höre, gibt es einen kleinen, innerlichen Klick, und dann bin ich ganz Ingo, der Imbisswirt. Dann kommt der Seufzer „Ach, Chefvisite“ schon fast von allein über die Lippen.
Werden Sie in Hamburg mit „Ananas“ erkannt und angesprochen?
Olsen: Ja. Aber ohne die Perücke bin ich perfekt getarnt. Das ist ja das Schöne.
Ehrlich? Stört es Sie nicht, dass Ihr Popularitätsgrad als Imbisswirt Ingo über dem als Musiker liegt?
Olsen: Überhaupt nicht. Meine Rolle als Ingo macht mir wahnsinnig viel Spaß. Ich kann dem Himmel doch nur dankbar sein, für diese Aufgabe, die mir sehr viele andere Türen geöffnet hat und mit der ich beweisen kann, was noch in mir steckt. Außerdem kann es mich schon deswegen nicht nerven, weil das Ganze mit meinem alten Kumpel Olli stattfindet. Also: Überhaupt kein Leidensdruck. Null. Niente.
In ihrem aktuellen Album adaptieren Sie auch populäre Titel, wie „The Ballroom Blitz“ von The Sweet, aus dem „Karl Heinz Schmitz“ wird. Aus „Blame It On The Boogie“ von The Jacksons wird „Deine Mutti“ und aus „Golden Brown“ von den Stranglers wird „Morgengrauen“. Ist es nicht gewagt, sich an diesen Klassikern zu vergreifen?
Olsen: Lustigerweise ist mir das erst aufgefallen, als das Album schon fertig war: Da dachte ich zum ersten Mal, Junge, da bist du ja an ein paar Songs rangegangen, von denen andere Leute sagen würden: Um Gottes Willen, die darf man doch gar nicht anfassen. Und dann noch mit neuem Text! Auf Deutsch! Aber Gott sei Dank habe ich beim Schreiben überhaupt keine Angst gehabt. Das war vielleicht naiver Blindflug, aber ich habe einfach das gemacht, was sich für mich richtig anfühlte. Davon abgesehen war der erste Schritt zum Schreiben auf Deutsch alles andere als ein Spaziergang. Ich habe Monate damit zugebracht, innerlich um dieses Thema „Deutsche Texte“ herumzutänzeln.
Haben Sie ihren Freund Olli Dittrich beim Texten um Rat gefragt?
Olsen: Nein. Dabei kann man niemanden fragen, und es kann einem auch niemand raten. Den Weg muss man selber finden. Und Olli war ohnehin mit diversen anderen Baustellen beschäftigt. Insofern war mir klar: Olsen, das Schicksal entlässt dich nicht aus dieser Konfrontation mit dem weißen Blatt Papier, du musst den Knoten selber lösen. Es hätte keinen Sinn gehabt, mich sozusagen hinter der Arbeit von irgendjemanden anderen zu verstecken.
Der Titel Ihres Albums lautet „Immer wieder weiter“. Das klingt nach Durchhalteparole eines Mannes, der in diesem Jahr 50 Jahre alt wird.
Olsen: Ja, so kann man es auch sehen. Für mich spiegelt der Titel exakt die verschiedenen Aspekte der Songs wider: Auf der einen Seite steht das Gefühl von Freude, Aufbruch und „Jetzt geht’s los!“. Auf der anderen Seite spenden diese drei Worte aber auch Trost: Auch nach einer Krise, nach einer schweren Zeit geht es eben immer wieder weiter. So hat es sich für mich jedenfalls angefühlt.
Inwiefern?
Olsen: Es gab vor diesem Album eine Zeit, da wusste ich nicht, wie es weitergehen soll. Das war nach dem Riesenerfolg mit meiner Band Texas Lightning vor acht Jahren. Während andere vielleicht nur noch „Hurra!“ schreiend durch die Gegend gelaufen wären, bin ich in ein richtiges Loch gefallen. Ich konnte mit dem ganzen Trubel um Musik und Business nicht gut umgehen, wurde chronisch heiser, schlief schlecht.
Und heute?
Olsen: Es gibt einen klugen Satz dazu: Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. Und er stimmt auch für mich: Weder bin ich noch der gleiche Mensch, noch ist der Fluss, also die grundsätzliche Konstellation, identisch geblieben. Damals, bei Texas Lightning und dem Hype, der auf einmal um uns losging, habe ich tatsächlich Angst davor bekommen, das irgendwie nicht halten und steuern zu können, und letztlich in eine Bahn zu geraten, die fremdbestimmt ist. Jetzt, mit diesem Album, ist das anders. Ich bin viel mehr bei mir und deshalb gibt es in dieser Situation auch nichts, vor dem ich nennenswert Angst haben müsste. Damals habe ich mir nicht vorstellen können, dass mein musikalischer Weg irgendwo weitergeht. Und heute passiert genau das. Es geht eben immer irgendwie wieder weiter. Das ist meine Wahrheit.
Sind Sie ein Mensch, der gern an sich arbeitet?
Olsen: Ja, das mache ich. Das empfinde ich fast als Verpflichtung mir selbst gegenüber. Wenn man dazu nicht bereit ist – wozu ist man dann überhaupt auf der Welt?
Gibt es heute noch etwas, vor dem Sie Angst haben?
Olsen: Ja, vor Konfrontation. Ich bin relativ harmoniesüchtig. Leider.
Wieso leider?
Olsen: Weil man natürlich nie gern Eigenschaften an sich entdeckt, von denen man weiß, dass sie nicht gut für einen sind.
Sie leben in der Nähe von Eckernförde gemeinsam mit Agnes Ihrer Frau, zwei Katzen und ein paar Millionen Bienen ...
Olsen: Ja, genau. Aber wir sind beide natürlich auch regelmäßig in Hamburg. Um der Freunde und der Arbeit willen. Und das mit den Bienen erklärt sich ganz einfach, meine Frau ist hauptberuflich Imkerin.
Um im Bild zu bleiben, welcher Stich ist Ihr Größter?
Olsen: Sie meinen meine Macken? Das sind zweifellos mein Perfektionismus und meine Besserwisserei. Damit kann ich meine Umwelt ziemlich nerven. Ich kann aber auch über mich lachen, wenn ich merke, dass ich auf dem Holzweg bin.