Musiker Jon Flemming Olsen alias Imbisswirt Ingo aus „Dittsche“ bringt mit „Immer wieder weiter“ sein erstes Album auf Deutsch heraus – mit gecoverten Hits von The Sweet und The Stranglers sowie eigenen Songs.

Hamburg. Aufmerksame Zuschauer, Konzert- oder Theaterbesucher kennen das Phänomen: Du begegnest zufällig einem bekannten Künstler auf der Straße oder in einem Lokal und wunderst dich, wie klein er oder sie doch in natura oft ist. Immerhin lächeln manche, wenn sie erkannt und dabei nicht bedrängt werden.

Jon Flemming Olsen erhebt sich vom Stuhl am Tisch in der Weltbühne, dem Restaurant gleich neben dem Thalia Theater. Klein ist er nicht, etwas über 1,80 Meter, aber auch nicht so groß wie er im Fernsehen wirkt – mit Vokuhila-Perücke als Imbisswirt Ingo in der improvisierten und langlebigen Comedy-Reihe „Dittsche“ mit Olli Dittrich. „Flemming“, so sein Rufname, grüßt freundlich-entspannt mit Händedruck, obenrum natürlich geplättet. Im vergangenen Jahr hatte sich der Musiker, Schauspieler und Autor rar gemacht in der Hansestadt, abgesehen mal von einem Kurzauftritt mit absurd-komischer Tanzeinlage bei der „1. Hamburger Humor-Vollversammlung“, einer Show von mehr als 20 hiesigen Kabarettisten und Comedians im Lustspielhaus. „Ich bin ja überhaupt nicht professionell im Humorgeschäft tätig, außer dass ich mir im Imbiss ab und zu die Haare aufsetze“, erinnert sich „der Fritten-Humboldt“ schmunzelnd.

Seine Hauptprofession ist die Musik. Der hatte sich Olsen 2013 gewidmet, um ein neues Album zu kreieren und zu produzieren, sein erstes unter eigenem Namen. Bevor es „Immer wieder weiter“ geht, liegt – sinnbildlich – der „Revolver“ auf dem Tisch. Die Beatles-Platte von 1966 mit Hits wie „Eleanor Rigby“ hatte er in einem Abendblatt-Interview vor Jahren mal als für ihn bestes Album aller Zeiten genannt. „Das Aufbruchhafte, das Aufbrechende bei dieser Platte ist so ungeheuer stark.“ Bei „Revolver“, „da ging die Knospe auf, da wurde experimentiert“, wählt Olsen eine blumige Sprache. Es war zugleich das erste Album seines Lebens. „Das hat sich in mir festgepresst.“

Gestaltet wurde das Cover vom Musiker und Grafiker Klaus Voormann. Früher fand Olsen dessen Werk „sehr mystisch“. Im Spätsommer hat Olsen, sonst eher schüchtern, Voormann mal angesprochen. „Ich dachte: Du musst ihm einfach sagen, wie sehr dich das inspiriert hat“, erzählt er – und vergisst darob am Tisch fast, den Teefilter in die Kanne zu setzen. Auf Olsens Album „Immer wieder weiter“ findet sich eine Widmung für Voormann. Was kaum einer weiß: Der gebürtige Düsseldorfer Olsen, der bereits als Kleinkind musikalische Früherziehung an der Musikschule in Hamburg genossen hatte, war und ist auch Grafiker und hat zahlreiche Plattencover gestaltet, außer für Udo Lindenberg etwa jene für Annett Louisan, Ina Müller und Stefan Gwildis, alle drei mit deutschem Pop, Soul und Jazz Zugpferde des Hamburger Labels 105music. Dessen Geschäftsführer Heinz Canibol gab Olsen in der Garderobe nach einem Konzert in Kiel auch den Anstoß, es mal mit deutschen Texten zu versuchen. Er, der als Gründer, Gitarrist und Sänger von Texas Lightning die deutschen Farben 2006 beim Eurovision Song Contest in Athen vertreten hatte, der fürs Band-Album im Country-Pop-Stil Gold und Platin einheimste, sollte nach 20 Jahren im Musikgeschäft plötzlich auf Deutsch singen? Statt „No No Never“ so was wie „Ja, ja, juche“...?

Nicht ganz. Mit dem Jon Flemming Olsen Acoustic Trio hatte er nach seiner Zeit bei Texas Ligthning („Ich habe mich selbst entlassen“, so Olsen) englische Hits gecovert. Alle drei Musiker, neben ihm die früheren Lightning-Mitstreiter Markus Schmidt (Gitarre) und Laurens Kils-Hütten (Kontrabass), wollten doch nur spielen. Jahrelang sei er „um die deutsche Sprache immer mal wieder so ein bisschen rumgeeiert“, räumt Olsen ein. Jetzt, mit 49 Jahren, ist es für ihn „auch eine Art spannender Selbstversuch“ zu beobachten, was passiert, wenn er deutsche Texte schreibt.

Die eine Olsen-Methode: „Entweder du entfernst dich komplett vom Originalinhalt und machst ’ne ganz andere Geschichte und hoffst, dass der Verlag das trotzdem genehmigt und dass es originell, überraschend und vielleicht auch lustig wird.“ Das ist ihm beim ersten Titel „Karl-Heinz Schmitz“ besonders gut gelungen. Er interpretiert The Sweets alten Rockkracher „Ballroom Blitz“ temporeich neu, ebenso „Deine Mutti“ frei nach „Blame It on The Boogie“ von den Jackson Five. Die zweite Olsen-Methode zielt darauf ab, sich am Originalinhalt zu orientieren und „den mit den eigenen Worten auszudrücken, wenn es ein bisschen ernsthafter wird.“ „Gentle on My Mind“ passt als „Das wird immer sein“ zu einem trüben Wintertag, noch besser das wundervolle „Morgengrauen“ zur Melodie des einstigen The-Stranglers-Hits „Golden Brown“.

Eingefallen sind Olsen solche Titel und Zeilen in seinem alten Haus in der Nähe von Eckernförde. Der Vorteil: Dort kann Olsen Tag und Nacht singen, Gitarre spielen, trommeln oder Urschreie ausstoßen, ohne dass es jemanden stört oder irgendjemand hört. Im dicht besiedelten Hamburger Stadtteil Hoheluft-West wäre das undenkbar gewesen. Hier hatte er jahrelang mit seiner Frau Agnes in einer Altbauwohnung gewohnt, gleich schräg gegenüber der Grillstation. „So schön das auch war – wenn der Nachbar Zwieback isst, kannst du eigentlich jeden Biss mithören“, sagt er. Bingo, Ingo – gute Comedy!

Olsens neuer Stil? „Akustische Musik, vom wilden Galopp“, sagt Olsen – und sucht mithilfe von PR-Mann Nils Jung am Tisch sprachlich den Gegenpol – bis zum „wärmenden Lagefeuer“, souffliert der treffend. „Das sind Facetten, die zu mir gehören“, ist Olsen wieder ganz bei sich. 14 Titel enthält das Album, zusammengehalten vom folkigen Charakter und durch die sparsame Instrumentierung. Sogar „Der Picknicker“ von den Fantastischen Vier wird so zu einer Mitsingnummer; in den fünf Eigenkompositionen wie „Tanz durch den Müll“ oder dem bluesigen „Nicht Amerika“ überwiegen die melancholischen Momente. „Die ist nicht Amerika/dies ist nicht San Francisco/Hier gibt’s nur ’ne Einkaufsmeile und ’ne Großraumdisco“, heißt es im letztgenannten Lied. Nur manchmal klingt Texas Lightning noch durch.

Wie bei der Albumaufnahme will Olsen auch bei der Tour im April bewusst aufs Schlagzeug verzichten. „Das macht diese Musik tatsächlich auch anders, weil man sich rhythmisch anders organisieren muss.“ Einen vierten Musiker, der auch Gitarre spielen sollte, sucht die Band noch. „Die Basis im Trio ist ganz gut gebacken, jetzt gibt es mit einem vierten Mann noch Schlagsahne obendrauf, und dann kann es losgehen!“, frohlockt Olsen.

Bevor es im Restaurant weitergeht, fällt der Blick auf seine Melone. Jon Flemming Olsen trägt sie nicht nur auf dem Albumcover und auf der Bühne, sondern auch privat. „Das ist ein Hut von Welt“, sagt er. Keine „Weltidee“, wie Dittsche sagen würde, doch die Melone steht ihm auch in der Weltbühne. Als Olsen aufsteht, wirkt es fast so, als wachse er noch.

Album „Immer wieder weiter“ ab Fr 31.1. im Handel, Konzert Do 24.4. Fabrik

„Hamburg Sounds Spezial“ Fr 31.1., 21.05 Uhr, NDR 90,3; Internet: www.jfolsen.de