„Hyper Hyper“– der Titel ihres ersten Hits ist Programm. Die Hamburger Techno-Band Scooter ist nach 20 Jahren und mehr als 30 Millionen verkaufter Tonträger immer noch ganz oben. Ein Interview.
Seit 20 Jahren ist die Hamburger Band Scooter mit ihrem massenkompatiblen Technosound höchst erfolgreich – angefangen bei dem Überraschungshit „Hyper Hyper“. Mehr als 30 Millionen verkaufte Tonträger, mehr als 20 Top-Ten-Hits sowie umfangreiche Touren bis etwa in die Mongolei machen H. P. Baxxter, Rick J. Jordan und Michael Simon sowie Manager Jens Thele zu einer der erfolgreichsten deutschen Bands. Nicht zuletzt wegen ihrer hochtourigen wie energiegeladenen Konzerte samt Lichtshow, Pyrotechnik, Tanz und vor allem Lautstärke. Das Abendblatt traf H. P. Baxxter in Berlin beim Zwischenstopp zur Jubiläumstour „20 Years Of Hardcore“, die diesen Freitag in Hamburg Station macht. Im Schlosshotel Grunewald erzählt ein leicht verschlafener, aber bestens aufgelegter Scooter-Frontmann bei Tee und Gebäck am Kamin von Techno und Feierritualen, von seinen Eltern und „Downton Abbey“.
Hamburger Abendblatt: Wenn Scooter in der Hauptstadt auftritt, dauert die After-Show-Party dann ein bisschen länger?
H. P. Baxxter: Wir waren bis 9 Uhr morgens im Berghain (Anm. der Red.: einer der bekanntesten Techno-Clubs der Welt in Berlin-Friedrichshain).
Alle Achtung! Sie können also noch entspannt öffentlich feiern gehen?
Baxxter: Klar kommt immer mal jemand, der ein Foto will. Aber in großen Städten wie Berlin und Hamburg sind die Leute meistens so cool, dass die einen in Ruhe lassen.
Wie haben Sie eigentlich Technomusik erlebt, bevor Scooter gegründet wurde?
Baxxter: Der erste Technoclub in Hannover, wo ich Anfang der 90er in einer WG gewohnt habe, war die Factory. Da waren wir jeden Freitag. Man merkte: Irgendwas liegt in der Luft. Ein neues Zeitgefühl. Da waren hippe Leute, wie man sie sonst kaum gesehen hat. Sehr freizügig. Die Wand an der Tanzfläche war komplett verspiegelt. Und wenn das richtig losging mitten in der Nacht, lief da einfach das Wasser runter. Das war wie ein Hexenkessel. Man hat sich in dieser Musik verloren und konnte durchtanzen. Bei vielen waren sicher Drogen im Spiel. Damit hatte ich nie was am Hut. Aber ich bin allein durch die Musik in so eine Trance geraten. Ich mochte von einem Tag auf den anderen nur noch so etwas hören.
Wie sah Ihr Rave-Outfit damals aus?
Baxxter: Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Leute hatten Staubsauger auf den Rücken geschnallt. Die Engländer hatten oft Badekappen auf und Schwimmbrillen. Später haben sich dann orange Westen etabliert. Ich trug meistens einen Stüssy-Hut, Sweatshirt und eine Dreivierteljeans. Das war alles andere als schick, aber man musste sich eben bewegen können.
Haben Sie als Teenager schon gerne laute Musik gehört?
Baxxter: Oh ja. In meiner Jugend in Leer kamen immer sämtliche Leute Freitag und Samstag zu mir. Da haben wir so laut Musik gehört, dass man sich nicht mehr unterhalten konnte. Was dazu führte, dass einige Freunde ins Wohnzimmer meiner Eltern geflüchtet sind, um reden zu können. Aber wenn ich in der Musik bin, will ich nicht sprechen.
Waren Ihre Eltern denn nicht genervt?
Baxxter: Nee, die fanden das schön, dass sie Kontakt zu jungen Leuten hatten.
Kommen Sie aus einem musikalischen Umfeld?
Baxxter: Mein Vater hat Beatmusik gehört. Und Nachbarn von uns hatten ihre Zimmer mit Bandpostern tapeziert. Das hat mich fasziniert. Also habe ich mir auch Musikzeitschriften gekauft und die Bilder aufgehängt. Obwohl ich die Gruppen zuerst gar nicht kannte. Aber ich fing dann als Kind bald an, Glamrock zu hören. T-Rex, The Sweet...
Bands, die – wie Scooter heute – für ihre Bühnenperformance bekannt sind. Wie schaffen Sie es eigentlich, immer wieder neu diese Energie aufzubauen?
Baxxter: Man muss sich jeden Abend motivieren und aufwärmen, ähnlich wie beim Fußball. Vom Hotelzimmer direkt auf die Bühne zu gehen würde überhaupt nicht funktionieren. Ich brauche vor der Show eine Stunde mit lauter Musik, Leuten und ein paar Drinks. Diese Zeit ist wichtig, um später Vollgas geben zu können. Ein alter Freund von mir sagt immer, dass unser Backstageraum eine Fortsetzung meines Jugendzimmers sei. Es muss da gemütlich sein. Ich bin unheimlich empfindlich, was Atmosphäre angeht. Ich mag es nicht, wenn da 'ne Neonlampe an der Decke hängt. Man kann einen Raum auch mit wenigen Mitteln nett machen. Kerzen, ein Teppich. Und eine Riesenanlage.
Wenn Sie dann auf die Bühne gehen, und in der Halle warten 12.000 Menschen auf Sie, haben Sie da nach 20 Jahren noch das Gefühl: „Wow!“?
Baxxter: Wenn du so eine Masse vor dir hast, ist man erst mal total euphorisch. Ich muss mich dann bremsen, dass ich nicht völlig ausflippe und die ganze Energie in den ersten Songs verpulvere. Aber das kann ich mittlerweile ganz gut dosieren. Früher war ich manchmal nach drei, vier Titeln völlig außer Atem. Heute schaffe ich die Show superlocker. Durch mein Lauf- und Konditionstraining. In Hamburg gehe ich jeden Morgen in den Wald.
Sie sind heutzutage fitter als früher, haben also mit 47 Jahren das Feiern professionalisiert?
Baxxter: Ja, das ist verrückt, weil die Shows ja auch immer länger wurden. Wir haben angefangen mit 20-Minuten-Sets. Jetzt sind es fast zwei Stunden. Länger hält man dieses Tempo aber auch nicht aus.
Nach der Show können Sie dann den Schalter direkt umlegen und ausruhen?
Baxxter: Ich hab’s versucht, als wir drei Wochen in Russland unterwegs waren, was anstrengend war, weil wir weite Strecken quer durchs Land zurücklegen mussten. Einen Abend war ich echt k.o. und bin nach dem Konzert direkt ins Bett gegangen. Aber dann liegt man da wie unter Strom und egal, wie müde ich bin: Ich kann nicht schlafen. Deshalb macht das Sinn, sich noch mit ein paar Leuten an die Hotelbar zu setzen.
Scooter hat anfangs stark polarisiert. Der Band wurde vorgeworfen, den Ausverkauf von Techno zu betreiben. Hilft da eine gewisse ostfriesische Sturköpfigkeit, um das auszuhalten?
Baxxter: (lacht) Eine gewisse stoische Haltung hat gewiss nicht geschadet. Aber Gegenwind hatte ich schon immer: Als ich in meiner Jugend New-Wave-Musik geliebt habe und anfing, mich zu schminken, stand ich als Schüler auf dem Gymnasium in der Kleinstadt ziemlich alleine da. Das Gute ist: Ich blicke nur selten zurück. Erst jetzt zum Jubiläum ist mir bewusst geworden, wie lange das mit Scooter schon geht.
Haben Sie alles zur Band aufgehoben, zum Beispiel das erste „Bravo“-Poster?
Baxxter: Rick und ich hatten ja mit unserer ersten Band Celebrate The Nun acht Jahre lang versucht, eine erfolgreiche Popgruppe zu sein. Das hat nie geklappt. Als sich das mit Scooter dann eher zufällig ergeben hat und „Hyper Hyper“ ’94 zum Hit wurde, sind wir selber von dem Erfolg überfahren worden. Zum Glück sammelt meine Mutter jeden Schnipsel zu Scooter. Sie hat ein Riesenarchiv. Es gibt allein einen Schrank voller Videokassetten mit aufgezeichneten Sendungen.
Gab es eine Phase in den vergangenen 20 Jahren, in der die Band in einer Krise steckte und an sich gezweifelt hat?
Baxxter: Ja, ja, das hatten wir öfter mal. Wenn die Ideen nicht sprudeln, sondern man handwerklich an einem Track arbeitet in der Hoffnung: Irgendwann kommt der Geistesblitz. Aktuell war es so, dass Rick, der Scooter mit mir von Anfang an gemacht hat, nun einen Gang zurückschalten und mehr Familienleben haben will. Er steigt nach der Tour aus, und wir haben dann einen neuen Mann. Ich habe aber noch nie das Gefühl gehabt, ich will jetzt aufhören. Ich verstehe auch nicht, woher diese Energie kommt. Meine Mutter fragte schon, als ich 30 war: Wie lang willst du denn noch in Diskotheken gehen?
Teil des Erfolgs von Scooter ist auch, dass Sie als Frontmann allein optisch zur Marke geworden sind. Es gibt Künstler wie Madonna, die sich ständig verändern. Haben Sie auch mal gedacht: Ach, bei der nächsten Tour trage ich die Haare lieber schwarz?
Baxxter: Nee, dafür bin ich doch zu sehr Gewohnheitsmensch. Guck dir Karl Lagerfeld an oder Udo Lindenberg, die sind auch Marken. Das ergibt sich irgendwann so. Man kann schwierig da raus. Und ich will das auch nicht.
Sie haben in Lillehammer mal einen Fernseher aus dem Hotelzimmer geworfen. Muss man das als Musiker einmal gemacht haben?
Baxxter: Ach Gott, das hat sich so ergeben. Das war aus so einer Wut heraus, weil wir vorher auf der Bühne von Idioten mit irgendwelchen Sachen beworfen worden sind. Das war der kürzeste Auftritt der Bandgeschichte. Zwei Minuten.
Gibt es weitere Rockstar-Marotten?
Baxxter: Auf Tour brauche ich Rituale, da werden Kleinigkeiten auf einmal ganz wichtig, zum Beispiel, dass Kaffee im Hotelzimmer steht, wenn ich ankomme.
Sie gelten als Liebhaber von gediegenem britischen Ambiente. Gucken Sie die TV-Serie „Downton Abbey“?
Baxxter: Jaaa, meine absolute Lieblingsserie. Ich gucke da immer nach Lampen und Sofas für meine Einrichtung.
Scooter „20 Years Of Hardcore“ Fr 24.1., 20.00, O2 World (S Stellingen), Silvesterallee 10, Tickets ab 47 Euro im Vorverkauf; www.scootertechno.com