Google-Tochter YouTube zeigt erstmals einen neuen Kinofilm, Autoren und Verlage streiten sich mit Internetkonzern um Rechte.

Während sich viele Kreative beim Blick ins Gratis-Paradies Internet verzweifelt an bröckelnde Geschäftsmodelle aus der Vor-WWW-Welt klammern, gehen andere andere Wege: Gerade hat Luc Besson bekannt gegeben, dass er seinen neuen Film "Home", eine nicht kommerzielle Umwelt-Dokumentation, ab dem 5. Juni in mehr als 100 Ländern parallel im Kino, im Fernsehen und eben auch im Internet anbietet. Abspielfläche ist das Video-Portal YouTube, das dem weltumspannenden Internet-Konzern Google gehört. Jenem Konzern, der jetzt für seine News-Seite einen Twitter-Kanal einrichtet, um unter "@googlenews" frische Nachrichten weiterzureichen. Kostenlos zu haben. Aber deswegen auch umsonst?

Damit wären wir auch schon mittendrin im Dilemma. Denn das mit dem siebten Gebot ist im Internet so eine Sache. "Du sollst nicht stehlen", heißt es bekanntlich. Und ist, schwuppdiwupp, kopiert. Mit Musik, Filmen, TV-Serien, Artikeln, Romanen oder Fotos ist es genauso einfach. Von Bezahlen steht da nur selten etwas. Zwar hat Gott als Urheber Nummer 1 andere Sorgen, als sich wegen entgangener Tantiemen aufzuregen. Das tun dafür mehr und mehr Sterbliche.

Seit Wochen schon wird über das geschriebene, aber nicht mehr notwendigerweise gedruckte Wort gestritten. Über seinen Wert, dessen Be- und Abrechnung. Nachdem Google still und ziemlich heimlich damit begonnen hatte, ganze Bibliotheken einzuscannen, um sich ein weiteres Vermarktungsmonopol zu sichern, regt sich nun Widerstand gegen die gigantische Selbstbedienung.

Rund sieben Millionen Bücher sind seit 2004 digital erfasst worden, Google hat die Bedeutung dieses Projekts mit der Mondlandung verglichen. Wenn es nach dem Willen vieler deutscher Autoren und hilflos mitredenden Politikern wie Kultur-Staatsminister Bernd Neumann (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) geht, soll daraus eine Bauchlandung werden. Bis zum 5. Mai haben die Protestler noch Zeit, um sich gegen den globalen Textsauger zu wehren. Dann endet die Widerspruchsfrist vor einem US-Gericht. Im "Heidelberger Appell" laufen mehr als 1300 Autoren Sturm gegen Google. Prominente wie Siegfried Lenz oder Daniel Kehlmann sind ebenso dabei wie No-Names. Sie alle eint die Wut wegen der verlorenen Gagen, ein Internet-Phänomen, das ja auch die Musik-, Film- und akut die Medienbranche schmerzhaft durchlitten haben oder gerade durchleiden.

Initiator ist der Heidelberger Germanistikprofessor Roland Reuß. Im Februar hatte Reuß in einem "FAZ"-Artikel sogar Vokabeln wie "Machtergreifung" und "Enteignung" verwendet.

Die Rechtslage ist kompliziert, weil grenzüberschreitend. In der nächsten Woche läuft jene Widerspruchsfrist ab, die festgesetzt wurde, nachdem US-Autoren im Herbst 2005 eine Sammelklage eingereicht hatten. Im Juni soll die Entscheidung in Sachen "Google Book Settlement" fallen. Der betreffende Vergleich betrifft allerdings nur bereits vergriffene Bücher. Vorgesehen ist eine einmalige Entschädigungszahlung in Höhe von 60 Dollar pro eingescanntes Buch sowie eine 63-Prozent-Beteiligung am jeweiligen digitalen Verwertungsgewinn. In dem Vergleich hat sich Google bereit erklärt, 125 Millionen Dollar für Anwaltsgebühren, die Einrichtung einer rechteverwaltenden Instanz und Ausgleichszahlungen auszugeben. Dafür sollen 45 Millionen Dollar verteilt werden - Peanuts für den milliardenschweren Konzern.

Und als ob das Thema nicht schon komplex genug wäre, haben die Heidelberger in ihrem Furor auch noch Äpfel und Birnen gemeinsam verkocht. Reuß' Wut traf gleich auch ein ganz anderes Thema: die "Open access"-Praxis, bei der es um den ungehinderten, vor allem aber kostenbefreiten Zugriff auf wissenschaftliche Fachtexte geht. Mit dieser Gratis-Zugangsmethode reagieren Betroffene auf die immer drastischere Preisgestaltung von Wissenschafts-Großverlagen, die für die Publizierung saftige Rechnungen stellen. Ein weiteres Unding. Aber keines, für das Google etwas kann.

Wie der Kampf der deutschen Davids gegen den amerikanischen Internet-Goliath ausgeht, ist unklar. Der Geist ist aus der Flasche; ihn dorthin zurückklagen zu wollen ist illusorisch. Ein kleiner Trost für Reuß und seine Mitappellierer mag aber sein, dass ihr Problem nicht neu ist: Nicht nur Martin Luther, auch die Philosophen Kant und Fichte wetterten schon vor Jahrhunderten in ihren Kampfschriften "Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" und "Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" gegen den Diebstahl geistigen Eigentums. Die Texte stehen im Internet.