Allen Regie-Kontroversen zum Trotz stehen bei den Bayreuther Festspielen Sänger und Dirigenten im Blickpunkt – besonders Christian Thielemann.

Bayreuth. Der wahre Star der Festspiele ist stundenlang nicht zu sehen. Dann am Ende, wenn sich die Sänger ihren Applaus schon abgeholt haben, verlässt er den Orchestergraben und tritt vor den Vorhang. Sein Schritt ist federleicht, fast tänzelnd: Dirigent Christian Thielemann wird vom Bayreuth-Publikum nahezu grenzenlos verehrt. Seine Interpretation der Musik Richard Wagners ist die Konstante am Grünen Hügel. So auch in dieser 101. Festspielsaison. Über die Regie indes wird auch in diesem Jahr heftig gestritten.

Begeisterndes und Bleibendes bei der Deutung der Wagner’schen Gedankenwelt hat es in Bayreuth schon länger nicht gegeben. Entsprechend laut sind gewöhnlich die Buhrufe und Pfiffe für die Regie. Die große Ausnahme bildet Stefan Herheims „Parsifal“. Zum Abschluss des Premierenreigens am Sonntagabend wurde der Norweger gefeiert. „Parsifal“ muss im kommenden Jahr allerdings der neuen „Ring“-Produktion Platz machen. Gleiches gilt für die in die Jahre gekommene und blutleere „Tristan und Isolde“-Produktion von Christoph Marthaler.

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Dass die Eröffnungspremiere 2012 mit der Oper „Der Fliegende Holländer“ ganz im Zeichen der kurzfristigen Umbesetzung der Titelpartie stand, ließ die Leistung des jungen Regisseurs Jan Philipp Gloger ein wenig in den Hintergrund treten. Auch ihm schallten die Buhs entgegen. Doch tapfer widmet er sich dieser Tage der Erklärung seiner Ideen. Er trat zum Beispiel vor die Hauptversammlung der Mäzene von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth. Die versammelte Wagner-Gemeinde spendete aufmunternden Beifall. Nächstes Jahr darf sich Gloger wieder zum Festspielauftakt an der durchaus stimmigen Idee versuchen, den Holländer als rastlosen, mit viel zu viel Geld ausgestatteten Geschäftsmann auf Sinnsuche zu zeigen.

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Zwei Werke dirigiert Thielemann in diesem Jahr – neben dem „Holländer“ auch den „Tannhäuser“. Beim Staatsempfang nach der Eröffnung schwiegen die Festspielchefinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier auf der Bühne, wo Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ihnen Blumen überreichte. Thielemann aber sprach und lobte und scherzte und erntete wieder Applaus. Er ist der Star am Grünen Hügel.

Der „mystische Abgrund“, jener Orchestergraben im Festspielhaus, der die Musiker unsichtbar werden lässt, ist wohl das Wertvollste, was sie haben in Bayreuth. Nicht nur Thielemann läuft hier zu Höchstform auf. Junge, begabte, aber schon mit etlichen Erfolgen ausgestattete Dirigenten wie Andris Nelsons („Lohengrin“) und Philippe Jordan („Parsifal“) äußern sich fast ehrfürchtig und wollen hier Bayreuths Nimbus einlösen, um den immer wieder gerungen werden muss: dass hier Wagners Musik besser zu hören ist als anderswo.

Und die Sänger? Es gab keinen Komplettausfall, selbst der als Holländer kurzfristig eingesprungene Samuel Youn machte seine Sache ordentlich. Und Bayreuth hat wieder ein echtes Bühnen-Traumpaar: Klaus Florian Vogt als Schwanenritter und Annette Dasch als Elsa im „Lohengrin“. Vogt ist mittlerweile die Lichtgestalt am Sängerhimmel von Bayreuth. Am 22. Mai 2013, dem 200. Geburtstag Richard Wagners, wird er zu Ehren des Komponisten erneut in Bayreuth singen.

Wenn Vogt und Dasch auftreten, vergisst das „Lohengrin“-Publikum gerne die übergroßen Laborratten, die Regisseur Hans Neuenfels ständig um das Paar herumschwänzeln lässt. Die Buhs aus dem Publikum lacht Neuenfels inzwischen weg. Er verteilte Kusshändchen in Richtung Parkett. „Seine“ Ratten winkten ihm fröhlich zu.

Scheuer war da schon Sebastian Baumgarten. Seine Deutung des „Tannhäuser“-Stoffs flog ihm erneut um die Ohren. Nur einmal ließ er sich nach der Wiederaufnahme kurz vor den Zuschauern blicken, um sich erneut Buhrufe und Pfiffe abzuholen. Nichts scheint in dieser Inszenierung wirklich zusammenzupassen. Dass Thielemann dirigiert, scheint das Publikum ein wenig zu versöhnen. Er soll sogar – so war zu hören – dafür gesorgt hat, dass einige Bilder der „Tannhäuser“-Inszenierung abgeschwächt wurden. Thielemanns Einfluss ist groß in Bayreuth. (dpa)