An die düstere Seite der Festspiele – Judenfeindlichkeit und Begeisterung für nationalsozialistisches Gedankengut – erinnert eine Ausstellung.
Bayreuth. Festspielchefin Cosima Wagner hatte eine klare Meinung: Bitte keine Juden als Protagonisten bei den Bayreuther Festspielen. Die Witwe von Richard Wagner, die die Festspielleitung nach dessen Tod übernahm und das Festival zum großen Kulturereignis formte, steht für die krasse Judenfeindlichkeit am Festspielhügel.
1888 rühmte sie sich, eine „Meistersinger“-Aufführung ganz ohne Mitwirkung von Juden gestemmt zu haben. „Juden hatten nach ihrer Auffassung in dem Stück nichts verloren“, sagt der Historiker Hannes Heer. Er hat eine Sonderausstellung mitkonzipiert, die sich von diesem Sonntag (22. Juli) an in Bayreuth der Judenfeindlichkeit und dem deutsch-nationalen Gedankengut in der Festspielgeschichte widmet.
Beides mündete in der Verschmelzung der Festspiele mit dem Nationalsozialismus. Adolf Hitler war regelmäßig Festspielgast, wurde mit seiner Entourage in Bayreuth umjubelt und verehrte Richard Wagners Werk. „Es gibt nichts zu beschönigen. Bayreuth war eine NS-Hochburg“, sagt Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (Bayreuther Gemeinschaft).
Die Ausstellung zeigt: Antisemitismus und die Verherrlichung deutsch-nationaler Gedanken hatten schon vor der Machtübernahme Hitlers ihren festen Platz bei den Festspielen. Das Festival zu Ehren Wagners wurde zum Propagandamittel für Judenfeindlichkeit und strammes Deutschtum. Interessante Einblicke gewährt die Schau beispielsweise in die Aufzeichnungen des in Bayreuth tätigen Dirigenten Karl Muck (1859-1940). Dieser habe versucht, jüdische Musiker aus dem Orchester fernzuhalten, erläutert Heer.
Manchmal sei ihm das aber nicht gelungen, da es keine andere Besetzungsmöglichkeit gegeben habe. Man müsse in „den sauren jüdischen Apfel beißen“, schrieb er dann. Auch Sozialdemokraten an den Instrumenten waren ihm ein Dorn im Auge – er fürchtete eine „rote Verlumpung“ des Orchesters.
Die Ausstellung „Verstummte Stimmen“ gastierte schon an vielen Opernhäusern in Deutschland, das Konzept rückt aber stets lokale Besonderheiten in den Blickpunkt – also etwa auch jüdische Künstler des jeweiligen Hauses, die diffamiert, ausgegrenzt oder sogar deportiert und umgebracht wurden. In Bayreuth erinnern die Wissenschaftler an 53 Festspiel-Mitwirkende, die von 1933 an in die Judenverfolgungs-Maschinerie der Nazis gerieten.
Heer spricht auch die Schwierigkeiten bei den Recherchen zum Thema an: „Das ist schon eine Schlangengrube“, sagt er. Schließlich vermische sich hier Familiengeschichte mit allgemeiner Geschichte und Musikgeschichte. Man komme sehr leicht zwischen die Fronten der zerstrittenen Familienstämme der Wagner-Nachfahren. Den privaten Nachlass von Richard Wagners Sohn Siegfried habe man beispielsweise nicht einsehen können.
Heer lobt aber die aktuelle Festspielleitung mit Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier: Sie hätten zugestimmt, Infotafeln als einen Teil der Schau direkt unterhalb des Festspielhauses aufzubauen – und damit an authentischer Stätte. „Das ist großartig.“ Ein anderer Teil der Ausstellung ist im Neuen Rathaus zu sehen. (dpa)