Der russische Bassbariton Evgeny Nikitin gibt sein Debüt in Bayreuth. Der tätowierte Hüne singt die Titelpartie des “Fliegenden Holländers“
Berlin. Der „Fliegende Holländer“ ist ein wilder Mann: Getrieben von der Suche nach Erlösung treibt er mit einem Gespensterschiff und blutig- roten Segeln übers Meer. So erzählt es die Sage seit Jahrhunderten bis hinein in die „Donald Duck“- und „SpongeBob“- Comics von heute, und so ist es auch in Richard Wagners gleichnamiger Oper. Zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele gibt es eine Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“, die Titelpartie singt der junge Bassbariton Evgeny Nikitin aus Sibirien, der mit seinem Aussehen auch einer wilden Heavy-Metal-Band gut zu Gesicht stehen würde.
Diese wilde Musikzeit ist für den 38-Jährigen vorbei, seitdem er weltweit immer gefragt an den großen Opernhäusern ist: neben dem „Boris Godunow“ vor allem für die schweren deutschen Rollen, für den „Holländer“, überhaupt für Wagner, aber auch für Richard Strauss. „Bei den Rockkonzerten ist es so laut, dass es schlecht ist für meine Ohren. Da muss ich als klassischer Musiker jetzt vorsichtig sein“, sagt Nikitin. Und so versucht der Hüne mit dem rötlichen Bart immer öfter, seine freie Zeit in großer Ruhe zu verbringen. „Ohne jede Art von Musik.“
Doch die zahlreichen sichtbaren Tattoos an Händen und Armen erzählen von der Vergangenheit des Sängers aus Murmansk. Mit den Geschichten rund um die bunten Bilder und Zeichen mag er nicht so richtig rausrücken. Nur soviel: „Das gibt es zum Beispiel an meinem Arm eine alte isländische Rune, die einem viel Geld bringen soll... leider hat es nicht funktioniert“, sagt der Vater von zwei Kindern und zuckt mit den Schultern. „Man muss schon selbst hart arbeiten, um Geld zu verdienen.“
„Ich bin sehr angespannt vor meinem ersten Auftritt in Bayreuth“, erzählt Nikitin. Schließlich schaue die ganz Opernwelt nach Bayreuth. „Man befindet sich wie unter einem Mikroskop. Es ist wie Fußball: Ich spiele auf einem fremden Platz, muss also vorsichtig sein.“ Zu Hause fühlt er sich in St. Petersburg am Mariinski-Theater, wo es inzwischen keine deutsche Oper auf der Bühne zu sehen gibt, in der er nicht mitwirkt.
Als Student wollte er in der Oper Mädchen treffen
„Meine erste Oper war in St. Petersburg Wagners ’Parsifal’ 1996. Ich habe dort eine kleine Rolle gesungen, aber es hat mich so beeindruckt, dass ich von dem Moment an mein künstlerisches Leben den Opern Richard Wagners gewidmet habe“, sagt er auf Englisch - denn deutsch kann er nur perfekt singen, nicht aber sprechen.
Dann kam Maestro Valery Gergiev an das berühmte Haus und begann, viel Wagner aufzuführen. „Und so war ich schnell integriert in das deutsche Repertoire des Mariinski-Theaters.“ Seinen ersten „Fliegenden Holländer“ sang er mit gerade mal 26 Jahren. So ist es ihm seitdem oft gegangen: Die Bassbariton-Partien in den Opern verkörpern oft ältere Männer. „Das ist häufig ein Problem“, sagt er. „Aber wenn man jung ist, hat man viel weniger Probleme, die Rolle zu lernen. Und ich bin froh, dass ich dieses Repertoire schon sehr jung gelernt habe.“ Doch manchmal findet er es schwierig, sich auf der Bühne wie ein alter Charakter zu verhalten.
Seine Opernkarriere war dem jungen Evgeny nicht unbedingt vorgezeichnet. In seiner Heimatstadt Murmansk in Sibirien gab es nicht mal ein Opernhaus, seinen Eltern beschäftigten sich mit Chormusik. „Meine erste Oper habe ich als Student in St. Petersburg gesehen“, erzählt er. Das war 1982. „Wir Studenten sind damals eigentlich in die Oper gegangen, um Mädchen zu treffen, und nicht, weil uns die Musik so begeistert hätte.“ Auch er habe damals „das Leben sehr genossen“ und nebenbei „ein wenig studiert“. Man glaubt es ihm gerne. Doch heute sagt er: „Es war für mich eine gute Wahl, ins klassische Fach zu gehen und nicht Heavy-Metal-Sänger zu werden.“
Schließlich trug ihn seine klassische Karriere nun bis nach Bayreuth, den überirdischen Ort für alle Wagner-Fans. „Das ist für mich ein wahr gewordener Traum“, sagt er. „Seitdem ich Wagner singe sage ich mir, du kannst dich nicht wirklich Wagner-Sänger nennen, wenn du nicht in Bayreuth aufgetreten bis.“ Und jetzt ist es sein Ziel, das am 25. Juli auf ganz hohem Niveau zu tun. (dapd)