Norddeutschlands neuer “Tatort“-Kommissar Wotan Wilke Möhring betritt das Heiligtum der ARD. Über seine neue Aufgabe hat der Charaktermime in Hamburg mit Jana Werner gesprochen.

Hamburg. Der gebürtige Ostwestfale Wotan Wilke Möhring geht künftig für den NDR als „Tatort“-Ermittler auf Verbrecherjagd. Sein Einsatzgebiet ist der Norden der Republik, seine Rolle der „Bauchmensch“ Thorsten Falke. Nach Figuren in preisgekrönten Filmen wie „Das Experiment“ (2001), „Soul Kitchen“ (2009) oder „Homevideo“ (2011) erklimmt der 45-Jährige nun den nächsten Schritt auf der Karriereleiter. Über seine neue Aufgabe hat der Charaktermime in Hamburg mit Jana Werner gesprochen.

Glückwunsch zur Beförderung, Herr Möhring. Sie sind im Heiligtum der ARD angekommen.

Wotan Wilke Möhring: Ja, absolut, danke. Es ist schon erstaunlich, welche Reaktionen so eine Rolle auslöst. Natürlich wusste ich das in etwa vorher, aber es ist doch noch einmal etwas anderes, wenn es dann passiert. Was für eine Euphorie allein schon dadurch herrscht, wenn man dieses Heiligtum nur betritt – ohne, dass man auch nur einen Tag gedreht hat und irgendetwas vorzuweisen hat. Das hat mich gefreut und fast berührt. Und mir ist die Verantwortung noch einmal bewusst geworden – die Verantwortung, die der „Tatort“ hat, für seine große Gemeinde, für Deutschland. Der „Tatort“ ist wie ein Stück heimatliches Lagerfeuer, um das sich jeden Sonntag die Menschen versammeln. Das ist eine super Motivation für mich.

Lag genau darin der Reiz für Sie?

Möhring: Wir drehen Filme. In diesem Fall ist jedoch das Format stärker noch als diejenigen, die es erfüllen. Der „Tatort“ ist ein Heiligtum, eine Institution über all die vielen Jahre geworden. Und es hat eine große Bedeutung, wer dieses Format ausfüllen darf. Die Zuschauer schalten zunächst einmal den „Tatort“ ein und schauen sich erst dann die Kommissare an. Wenn sie ihnen gefallen, bleiben sie dran. Aber das Format ist viel entscheidender. Das ist etwas, was ich noch nie gemacht habe, mich mit so einem Format auseinanderzusetzen. Ein Format, das man prägen kann oder auch nicht. Das ist für mich die Herausforderung. Und da ich immer auf der Suche nach Herausforderungen bin, ist das nun ein fast logischer Schritt.

Sie konnten dieses Angebot, das nach außen wie ein Schnellschuss aussieht, also gar nicht ablehnen?

Möhring: Das, was jetzt wie ein Schnellschuss aussieht, ist natürlich kein Schnellschuss. Die Zusammenarbeit ist auf einer Basis von vielen Gesprächen entstanden. Letztlich ist es so, dass wir einen Film machen. Jetzt machen wir plötzlich keinen Film mehr, sondern einen „Tatort“. Das ist eine Veränderung der Höhe. Diese Höhe ist aber so ausschlaggebend für dieses Format. Und es ist erstaunlich, was die Verpackung doch ausmacht. Für mich ist jeder Film, den ich mache, ein großer Film. Aber mir hat nie jemand vor einem Film gratuliert. Das ist das Besondere am „Tatort“.

Wie ist es Ihnen gelungen, Ihren Einstieg geheim zu halten?

Möhring: Da kann ich gleich mit der ersten Eigenschaft meiner neuen Rolle, des Kommissars Thorsten Falke, aufwarten: Loyalität ist ein ganz wichtiges Element in unserer Medienwelt. Letztlich hätte ich diesen Film auch gemacht, wenn es ein ganz normaler Film gewesen wäre und kein „Tatort“. Aber es ist jetzt eben doch der „Tatort“ geworden. Und natürlich ist die Entwicklung der Zusammenarbeit mit dem NDR ein längerer Prozess gewesen. Beide Seiten, der NDR und ich, wollen eine langfristige Zusammenarbeit.

Wie wollen Sie sich von den vielen „Tatort“-Kommissaren absetzen?

Möhring: Der Unterschied wird nicht darin bestehen, dass man sich etwas vornimmt. Sondern dass man etwas zulässt, was die Leute auch in einem gesehen haben. Es ist nicht so, dass man eine super Idee hat, die man in eine Figur hineinpresst. Es ist vielmehr eine Mischung aus der optischen Darstellung und der Geschichte. Thorsten Falke ist ein Kommissar, der sich natürlich zum Teil mit der Privatperson Wotan Wilke Möhring deckt, aber nicht nur: Thorsten ist bekennender Single, ich nicht. Thorsten entscheidet gerne aus dem Bauch heraus, ich auch. Thorsten muss jedoch diesem Bauchgefühl, das ihn treibt, auch nachgehen, es beim Lösen eines Falls beweisen. Das ist ein neuer Prozess, bei dem ihm seine anders arbeitende Kollegin hilft. Es wird innere Konflikte geben, die die Figur Falke zum Teil auch ausmachen werden.

Ob Sie es nun wollen oder nicht, Sie werden durch Ihren Debüt-Fall in Hamburg automatisch mit dem Hamburger „Tatort“-Ermittler Schweiger in Konkurrenz treten.

Möhring: Diese Konkurrenzsituation ist von den Medien gemacht. Ich löse den ersten Fall in Hamburg, den zweiten woanders im Norden. Und Til ist der Hamburg-Kommissar. Ich bin für den norddeutschen Raum zuständig. Und wenn ich mir das reale Leben anschaue, dann gibt es, glaube ich, 200 oder 300 oder 400 ermittelnde Hauptkommissare in einem Bundesland. Da kann es nicht sein, dass beim „Tatort“ mal zwei Kommissare für zwei unterschiedliche Fälle an einem Ort ermitteln? Das ist eine Konkurrenz, die ich nicht sehe. Eine Konkurrenz wäre es, wenn mir Til einen Fall wegschnappen würde oder ich ihm. Til ist ein toller Kollege und ein Freund von mir. Da passt kein Blatt zwischen uns.

Apropos Blatt, nun werden wieder alle Ihre Jugendsünden hervorgekramt. Dabei haben Sie nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie früher nicht immer ein lieber Junge waren.

Möhring: Es ist erstaunlich, wie Jugendsünden, die irgendwann einmal in einer Talkshow so launig erzählt wurden, nun wieder hervorgekramt und teils aus dem Zusammenhang gerissen werden. Und natürlich sind die Schlüsse, die ich aus diesen Jugendsünden für meinen Reifungsprozess gezogen habe, nicht spannend für die Titelseiten. Die gehören aber ebenso dazu, zu mir. Ich betrachte das aber alles mit einer gewissen Ruhe, weil ich eben gereift bin, vieles schon erlebt habe. Ich konzentriere mich auch beim „Tatort“ auf meine Arbeit, auf das Lösen des Falls. Ich versuche, diese Figur Thorsten Falke zu finden und zu füllen. Das ist meine Aufgabe.