“Der Bachelor“ und “Gottschalk live“ kommen, “Unser Charly“ geht - das Fernsehjahr 2012 in der Abendblatt-Kritik. Wird es schlimmer?
Die große Frage dieses Jahres ist noch nicht beantwortet: Wer folgt bei "Wetten, dass ..?" auf Thomas Gottschalk? Pilawa oder Opdenhövel? Schöneberger oder Engelke? Unter Umständen doch Hunziker plus Kerkeling, Joko und Klaas oder einfach wieder Frank Elstner, vielleicht mit Monika Sundermann als Assistentin? Die Suche nach dem Nachfolger beschäftigt uns auch 2012. Vielleicht setzt sich Thomas Gottschalk ja doch noch mal aufs Sofa von "Wetten, dass ..?", wund gezappt vom Quotenfriedhof des ARD-Vorabends, der seit Jahren nur Leichen hinterlässt.
Wer weiß schon, was 2012 wird im Fernsehen, könnte man sagen. Aber das würde nicht stimmen. Denn RTL weiß es. Mit seinem eher abwechslungs- und sehr verantwortungsfreien Nichtprogramm wird er es auch diesmal zum Marktführer aller Tageszeiten bringen und strebt auch abends nach Höherem. Als "Informationssender Nr. eins" etwa, für den man sich in Köln hält, seit "Aktuell" mal mehr Publikum hatte als der Konkurrent. Gut, dass RTL nur die "Tagesschau" im Ersten gezählt hatte, nicht in den 3. Programmen plus Phoenix - geschenkt. Aber es macht schon Angst, wie viele den anspruchsärmsten Sender auch für den lehrreichsten halten. Daran wird auch 2012 wenig ändern.
+++ TV-Rückblick 2011 – und was wir 2012 wieder sehen wollen +++
Im Gegenteil. Wenn am 4. Januar "Der Bachelor" zurück auf Brautschau geht und drei Tage später Bruce Darnell ins Casting ("Deutschland sucht den Superstar"); wenn irreale, aber irre schicke Betrugsermittler namens "Die Trixxer" zwischendrin den Weg vom Pilotfilm zur Serie schaffen, was Jörg Schüttauf im Action-Comedy-Duo "Die Draufgänger" (ab 12. Januar) bereits gelang; wenn Günther Jauch drei Wochen drauf zum 1000. Millionärsraten bittet und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" im Mai die 5000. Ausgabe der Daily-Soap feiert; wenn 30 Millionen Euro die Koproduktion "Transporter" mit Uwe Ochsenknecht und Hannes Jaenicke nicht nur zur teuersten, sondern erfolgreichsten Serie machen und "Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer" so funktioniert wie die nach Heiligen Lanzen zuvor; wenn all die Sozialermittler und Urlaubsretter, Bauersbalzen, Dschungelcamps und Restaurantschulen gewohnt Quote machen, dann streckt sich die Konkurrenz weiter vergeblich zur Spitze.
Und tut es doch - in einer Art Bieterwettbewerb nach unten. Ein Beispiel dafür ist die ARD. Wo es bereits als innovativ gilt, dass Kölns "Tatort"-Kommissare mit den Leipziger Kollegen in Doppelfolgen ermitteln, scheinen Modernisierungen schon da fern, wo wir noch nicht mal von Til Schweiger als müden Hamburger Ersatz reden. Und selbst wenn man "Heiter bis tödlich" am Vorabend auch kreativ bis neu findet, lässt "Morden im Norden" aus Lübeck (ab 21. Februar) ebenso wie "Alles Klara" (Harz) und "München 7" eine Ermüdung der Schmunzelkrimis erwarten. Auch wenn im Anschluss ab 23. Januar viermal die Woche "Gottschalk live" läuft. Mit etwas extrem Ungewöhnlichem übrigens: talken. Echt? Ein Dank an die ARD! Der gebührt dem ZDF wenigstens dafür, die Endlosserie "Unser Charly" endlich einzumotten. Ansonsten fährt auch Mainz eher Leerlauf als Vollgas. Mit dem Ersten sorgt das Zweite zwar weiter dafür, dass gediegene Filme zur Primetime - falls überhaupt - öffentlich-rechtlich entstehen. Katharina Böhm zur ersten Ermittlerin ("Die Chefin", 24.2.) am Krimifreitag zu machen ist jedoch ebenso mutig wie Veronica Ferres zur Mutter realer "Tsunami"-Opfer am 5. Februar.
Gespannt sein darf man zum Jahrestag des Anschlags Anfang September aber aufs Terrordrama "München 72". Oder ob Monika Gruber in "Leute, Leute" (ab 21.2.) an den großen kabarettistischen Erfolg der "heute-show" anknüpfen kann. Und ob das Biopic "Herrin des Hügels" auch die dunkle Seite der antisemitischen Powerfrau Cosima Wagner zeigt oder doch nur das nächste Fräuleinwunder. Nico Hofmann wünscht sich die Furtwängler in der Hauptrolle.
Das wäre immer noch eine bessere Idee als Fräulein Neldel. Aber die ist ja mit ihrer "Rache der Wanderhure" beschäftigt, zur Fortsetzung des Sat.1-Erfolgs von 2010. Könnte sogar klappen, für Sat.1. Ebenso wie Jürgen Heinrichs Rückkehr als morphinistisches Phantom der Oper in "Wolfs Revier" am 17. Januar. Düster, morbide, gar nicht schlecht. Wie "Hannah Mangold & Lucy Palm", wo Anja Kling als traumatisierte Ermittlerin das Funktionsprinzip 2012 verdeutlicht: Gegensatzpaare. Wie bereits in "Der letzte Bulle" und "Danni Lowinski".
Gleichgesinnte wie "Beavis and Butt-Head", die nach ewiger Bildschirmabstinenz ab Mai bei Viva rüpeln, sind dagegen die Ausnahme. Fast wie gute Comediens. Zu denen zählt Martina Hill. Sie kriegt ab 3. Februar ("Knallerfrauen", Sat.1) ein eigenes Format - und ist, Achtung: lustig.
Was noch passiert? Der Wüstenfuchs kriegt ein kritisches Biopic und Adenauer ein freundliches. Die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule erhalten ihr Drama, Guttenberg eine Komödie (mit Jan Josef Liefers), Linda de Mol eine Sat.1-Show. Die ARD setzt "Weißensee" fort, Pro7 wohl "Stromberg", das ZDF adelt den Dienstag zum Dokumentarabend. Und wenn alle gefragt wurden, wenn keiner will und selbst Gottschalk absagt, dann macht es wohl doch Johannes B. Kerner ...
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