Der Rodler Nodar Kumaritaschwili stirbt bei Olympia, der Student Samuel Koch stürzt schwer bei “Wetten, dass ..?“. Zwei TV-Momente, die bleiben.
Zwei Bilder haben dieses Jahr geprägt, sie umfassen es wie eine Klammer; es war jeweils im Winter 2010, als zwei Menschen haltlos durch die Luft flogen, ein Sportler und ein Student, Spielball der Flieh- und Schleuderkräfte. Der eine, Nodar Kumaritaschwili, war Rodler. Er flog beim Training aus einer Rennbahn, die extra für die Olympischen Winterspiele in Vancouver gebaut wurde, sie sollte spektakuläre Rekorde ermöglichen. Nodar Kumaritaschwili war 21 Jahre alt, als er an der Unfallstelle starb.
Der andere, Samuel Koch, 23, verletzte sich jüngst bei einem Sturz in der Unterhaltungssendung "Wetten, dass ..?", als er sich mit Sprungfedern an den Füßen über ein fahrendes Auto katapultierte. Samuel Koch wird, so sieht es derzeit aus, den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen.
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Was ist nun das Gemeinsame dieser Bilder, was ist die Klammer, die sie zusammenhält? Zunächst einmal wurden sie hervorgebracht von einem Bereich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, der sich der Unterhaltung widmet und der das Risiko als Teil des eigenen Konzepts begreift, vielleicht sogar: auf ihm fußt. Es sind die Sparten der Sportberichterstattung und der Spielshows, die Spaß und Spektakel bündeln und vielleicht genau deshalb so populär und unterhaltsam sind.
Unterhaltung im Fernsehen ist für den Zuschauer so etwas wie ein warmes Sprudelbad - man wird manchmal ein bisschen in die Höhe gesprudelt, hart landen kann man eigentlich nicht. Denkt man zumindest. "Wetten, dass ..?" war der große Whirlpool, in dem wir alle Platz nahmen. Schön war es da. Nur als der junge Sympathieträger Samuel Koch an einem Sonnabendabend lebensgefährlich stürzte, war es vorbei mit der heilen Welt der Sprudelunterhaltung. Knapp 30 Jahre ist bei "Wetten, dass ..?" nichts passiert, das ist eine lange Zeit. Sie kann vergessen machen, woraus diese Sendung unter anderem ihren Erfolg, sprich ihre Quote, zieht: dass Menschen irre Dinge probieren, dass sie versuchen, ihre Grenzen auszutesten und sie zu überwinden. In der Welt der Sportübertragung ist das zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Jedes Rodelrennen, jeder Abfahrtslauf ist die Eis gewordene Möglichkeit, sich den Tod zu holen. Ein Leistungssportler hat einen langen Weg hinter sich, wenn er sich diesem Zweikampf stellt, er hat Jugendkader durchlaufen und Sicherheitstrainings absolviert. Das hatte Samuel Koch nicht.
Die Wette, die der junge Stuntman dem ZDF vorschlug, passte dennoch perfekt in unsere Zeit. Sein Körper wirkte virtuell leicht, als er über die Autos sprang, und etwas seltsam Déjà-vu-Haftes wohnte diesem Fernsehmoment inne: Als habe man aus Versehen in eine Szene aus "Matrix" gezappt.
Bis Kochs Sturz die gefühlte Fiktion durchbrach. Ein schwarzes Tuch wurde aufgespannt, es sollte das Opfer vor den Zuschauern schützen - oder umgekehrt. Das "Live" der Live-Sendung wurde zu ihrem größten Problem. Olympia wird weitergehen, auch "Wetten, dass ..?" und "Schlag den Raab" wird es 2011 wieder geben. Es ist nicht schlimm, dass wir uns unterhalten lassen. Wir sollten nur darauf gefasst sein, dass die Menschen im Fernsehen nicht nur die Grenzen austesten. Sie können auch dabei scheitern. Wer das nicht möchte, muss abschalten.