George Michael gefühlig wie nie mit reinem Balladen-Programm. Mit seiner “Symphonica – The Orchestral Tour“ gastierte der Brite in Hamburg.

Hamburg. Popstar war gestern. Heute ist George Michael Opernstar. Die Sounds sind so flauschig, wie der rote Samtvorhang, der sich zu Beginn seiner ausverkauften Show in der O2-World ehrwürdig erhebt. Es ist alles da, was eine absolute Superstarshow braucht. Showtreppe, rote Blattmuster, die sich dramatisch auf schwarzem Grund ranken.

George Michael nähert sich dem Ereignis erst mal nur aus dem Off. Bis sich der Vorhang nach den ersten Takten hebt. Eine schwarze Sonnenbrille verbirgt die Augen, der Anzug wäre in seiner dunklen Schlichtheit jeder Trauerfeier würdig. Üppig klingt der Apparat des UK Symphony Orchestras aus Violinen, Celli, Oboen und jeder Menge Blech. Auf seiner aktuellen Tournee „Symphonica“ badet der britische Sänger in gesättigten Cinemascope-Sounds.

Längst hat der mittlerweile 48-Jährige eine Größe erreicht, in der er nicht mehr eitle Selbstbespiegelung mit eigenem Material halten muss. 80 Jahre Popliteratur sind ihm gerade genug. Heute will er für Orientierung sorgen. Als verlässliche Größe in einer von Krisen geschüttelten Welt.

Keine Frage, Michael ist neben Bono und Madonna der letzte große Megastar des Pop aus einer untergegangenen Ära. Und er hat sichtlich Spaß daran, fast in Crooner-Manier Coverversionen seiner Lieblingssongs zum Besten zu geben. Ob nun der New-Order-Ohrwurm „True Faith“ oder das sehnsuchtsvolle „Roxanne“ des Ex-Punk-Trios The Police, alles wird hübsch auf einen sinfonischen Teppich gebettet, den der Meister mit seinem noch immer sensationellen Bariton abschreitet.

Deutlich mehr Esprit und musikalische Vielfalt zeigt er im zweiten Teil. Wenn er der verstorbenen Amy Winehouse mit ihrem Song „Love is a losing game“ gedenkt. Oder mit Nina Simone, auch nicht gerade künstlichen Stimulantien abhold, in „Feeling Good“ schwelgt. Das Lebensdrama des George Michael ist längst in die Fußnoten der Pophistorie eingegangen. Angefangen von seinem frühen Startum mit Wham in den 80er-Jahren, der anschließenden Solo-Karriere, bis hin zu den Skandalen. Nicht zu vergessen, er ist derjenige, der noch vor Prince, gegen einen Plattenmulti in den Kampf zog.

Das alles ist Geschichte und der Künstler inzwischen in ein Stadium des Klassiker-Daseins eingetreten, was fast ein wenig schade ist. Denn bei all den Balladen, und seien sie auch noch so schön, vermisst man mitunter das stürmende und drängende von „Everything She Wants“ oder „Killer vs. Papa was a rolling stone“. Lieber pflegt er sein eigenes Songbook. Mit Liedern von Seelenverwandten wie Rufus Wainwright, der lange schon dem Opernhaften zugewandt ist. Dessen Anti-Amerika-Hymne „Going to a town“ wattiert den Saal endgültig mit Sentimentalität.

Nur gelegentlich holt Michael zum Smoothjazz aus, etwa bei „Brother, can you spare a dime“, dem gleichnamigen Bing-Crosby-Cover. Auf ein paar Klassiker müssen die Anwesenden lange warten. Auf „A different corner“. Und ein schmissiges Medley mit dem federnden „Amazing“, dem Dancefloor-Feger „Freedom“ oder dem Wham-Hit „I’m your Man“. Tatsächlich ist George Michael am besten, wenn er ausgerechnet Rihannas laszives „Russian Roulette“ covert. Der Mann macht aus jedem mittelmäßigen Song Gold. Diesmal hat er nur leider den Beat vergessen.