Von zwölf Grimme-Preisen geht nur ein einziger an einen Privatsender. Die Öffentlich-Rechtlichen räumen ab, bekommen aber auch Kritik.

Hamburg/Düsseldorf. "Der Tatortreiniger" räumt nicht nur auf, sondern auch ab: Nach nur vier ausgestrahlten Folgen ist die NDR-Comedy-Reihe bereits der große Sieger der Grimme-Preisverleihung. Das Format mit Bjarne Mädel als "Schotty" siegte in der Kategorie Unterhaltung. Das teilte der Sender am Dienstag parallel zum Grimme-Institut mit. Die ersten vier Folgen wurden erst Ende vergangenen Jahres im NDR Fernsehen ausgestrahlt. Anfang Februar gab der Sender sechs neue Episoden in Auftrag.

Als "Schotty" ist Schauspieler Mädel, der vielen Zuschauern als "Ernie" aus der TV-Serie "Stromberg" bekannt ist, immer der Letzte am Leichenfundort. Im weißen Schutzanzug und mit Desinfektionsmitteln, Schrubber und Putzlappen unterwegs, trifft er auf Angehörige, Freunde oder Bekannte der Toten und philosophiert mit ihnen über den Sinn des Lebens.

Für die Platzierung der ausgezeichneten Sendung erhielt der Norddeutsche Rundfunk allerdings Kritik von Jury-Mitglied Hans Hoff. Die TV-Perle sei "schlecht und lieblos" im Programm platziert. "So darf man mit gutem Fernsehen, das man selbst in Auftrag gegeben hat, nicht umgehen", sagte der Fernsehkritiker.

Mit zwei weiteren Produktionen und Koproduktionen sicherte sich der NDR den renommierten Medienpreis ebenfalls: Der bereits mehrfach preisgekrönte Spielfilm "Homevideo" über Internet-Mobbing überzeugte die Jury in der Kategorie Fiktion. Die eindringliche Inszenierung von Regisseur Kilian Riedhof hatte bereits beim Deutschen Fernsehpreis gewonnen. Den Film über einen pubertierenden Jugendlichen (Jonas Nay), der zum Cyber-Mobbing-Opfer wird, hatte der NDR gemeinsam mit anderen Sendern und der Produktionsfirma teamWorx produziert.

Einen Grimme-Preis im Bereich Information und Kultur bekam Rosa von Praunheims NDR-Doku "Die Jungs vom Bahnhof Zoo". Darin geht es um die Hauptfigur Daniel, der als 16-Jähriger seine "Stricherkarriere" am Bahnhof Zoo in Berlin begann. An seinem Beispiel will der Film zeigen, welche sozialen Umstände einen Einstieg in diese Szene begünstigen.

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NDR-Intendant Lutz Marmor lobte die Gewinnerbeiträge seines Senders: "Eindringlich, skurril, nachdenklich – so unterschiedlich die drei NDR-Produktionen sind, die einen Grimme-Preis 2012 erhalten, eins haben sie gemeinsam: Sie stehen für Qualität."

Die ARD und ihre Sender räumten mit ihren TV-Produktionen insgesamt sieben Grimme-Preise ab. Vier gingen an ZDF-Produktionen. Für die Privaten blieb ein Achtungserfolg für den kleinen Sender Tele 5 mit der Reihe "Walulis sieht fern". Seinen zehnten Grimme-Preis heimste Regisseur Dominik Graf für die Krimi-Trilogie "Dreileben" ein. Unter anderem bekam die ZDF-Produktion "Liebesjahre" mit Schauspielerin Iris Berben einen Preis. Der Film über ein geschiedenes Ehepaar sei in seiner Qualität, schauspielerischen Leistung und seinen komplexen Beziehungen herausragend, so die Begründung.

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Der Grimme-Preis wurde bereits zum 48. Mal vergeben und gilt als die renommierteste Auszeichnung für Qualitätsfernsehen in Deutschland. Die vom Deutschen Volkshochschul-Verband gestifteten Trophäen werden am 23. März im Theater der Stadt Marl überreicht. Mit dem Preis sollen TV-Produktionen ausgezeichnet werden, die "die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein können".

Eine Jury aus Fernsehkritikern, Publizisten sowie Medien- und Bildungsexperten vergibt insgesamt bis zu zwölf Preise – in den Kategorien Fiktion, Unterhaltung sowie Information und Kultur. Zusätzlich würdigt der Verband das Lebenswerk von Fernsehschaffenden mit einem Sonderpreis – der in diesem Jahr an Schauspielerin Hannelore Hoger geht.

Benannt ist der Preis nach Adolf Grimme (1889-1963). Er war von 1948 bis 1956 Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks, aus dem später NDR und WDR hervorgingen.

Mit Material von dpa und dapd