Studio Braun lässt in der Bearbeitung von Heinz Strunks Bestseller “Fleisch ist mein Gemüse“ spätpubertär die Puppen tanzen.
Hamburg. Ein bisschen Trash, ein paar sinnfreie Ideen, Herumgehopse, Kaspertheater, Rumpelbeat, komische Kostüme und Sprüche wie "Ich investiere am liebsten in Alkohol. Wo sonst kriegt man heute 40 Prozent", das ist das spätpubertäre Volkstheater, mit dem Studio Braun ein Publikum erfreut, das Performances liebt. So war's auch am Wochenende, als im Deutschen Schauspielhaus "Fleisch ist mein Gemüse" Premiere hatte, wieder Premiere hatte, eine Neuauflage nach dem Roman-Bestseller von Heinz Strunk, dem gleichnamigen Film und der Erstaufführung um den in der Spießerhölle Harburg pubertierenden Heinz, die bereits 2005 am Schauspielhaus in Hamburg zu sehen war.
Performances statt Aufführungen dominieren seit Jahren die deutschen Theater, die angesagt sein wollen. Welches Theater will noch die Zuschauer mit Schauspielkunst gewinnen? Man hat Angst zu langweilen und lässt deswegen lieber die Puppen tanzen. Musik, Film, Tanz und Vortrag, am besten bunt gemischt, gehören nun bald zu jeder Inszenierung. Ebenso Laien. Kein Wunder, dass Studio Braun, bestehend aus Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger da gefragt sind. Sie liefern Gaga-Gags am laufenden Meter, spielen betont laienhaft und erklären, erzählen oder kommentieren schon mal das Geschehen. Ihre "Dorfpunks" waren ein Hit am Schauspielhaus. Vielleicht wollte man jetzt auf Nummer sicher gehen, engagierte sie wieder und hat auch noch einen schönen Hamburg-Stoff im Programm.
+++ "Fleisch ist mein Gemüse": Willkommen in der Vorstadthölle +++
Die Fans von Studio Braun waren zahlreich zur Premiere erschienen und amüsierten sich über die Geschichte des frustrierten Heinz, der dem kleinkarierten Harburg seiner Jugend in den 70er-Jahren zu entkommen hofft. Unerschütterlich und schmerzfrei tobt sich die Truppe hier aus. Keiner kann spielen. Alle haben Spaß. Mit Theater hat das nur bedingt zu tun: Klamauk, Klamotte, Kinder-Kabarett würde besser passen. Geklatscht und gejohlt wurde trotzdem am Ende des knapp zweistündigen Abends, der mit Stimmverzerrungen durch Vocoder, einem Riesenpenis oder im Zuschauerraum verteilten Eischnittchen und Eierlikör arbeitete (Bühne: Damian Hitz, Kostüme: Dorle Bahlburg).
Heinz wird in einem Ei geboren, hat eine manisch-depressive Mutter, einen Opa, der gern vom Ersten Weltkrieg erzählt, eine verrückte Nachbarin und den deppen Freund Nils. Seine Zeit verbringt er als Daueronanist. Von der Musik erhofft er sich Sex and Rock 'n' Roll, muss aber auf Schützenfesten Dröhnschlager spielen.
Etwas zäh bei der Ei-Nummer, dann mit zunehmender Freude auch am Laienspiel präsentiert die Truppe Kulinarisches: Quatsch mit Soße von Scherzkeksen. Stefan Haschke spielt Heinz als mit großen Augen in die Welt starrenden Naivling. Heinz Strunk nervt gekonnt blöde als Mutterkarikatur ihren Sohn, Opa ist bei Rocko Schamoni ein humpelnder, hüstelnder Greis (noch so ein Klischee), der seinem Enkel eine Knarre schenkt, Palminger gibt süffisant die Oma.
+++ Ein Urlaub mit Heinz Strunk ist kein Zuckerschlecken +++
Großer Lichtblick ist dann die Band Tiffanys, die klamottig und in Glitzerjacketts in einem überdimensionierten Kofferradio spielt. Sänger Stefan Schad heizt mit "Verdamp lang her" oder "Er hat dich, ich hab Ibiza" das Publikum an. Auf der Bühne wird Polonaise getanzt. Die Stimmung ist gut. Aber wie hat Heinz Strunk kürzlich im Interview gesagt: "Eigentlich ist Theater nicht meine Baustelle." Nein, mit gutem Theater hat das alles nichts zu tun. Aber wie heißt es im Stück? "Das Ende ist das Wichtigste im Leben."
Fürs Schauspielhaus heißt das wohl: Das Beste kommt noch.
"Fleisch ist mein Gemüse" am Schauspielhaus, die nächsten Vorstellungen laufen am 24. und 27. Februar sowie am 7. und 21. März, jeweils 20 Uhr, Karten unter Tel. 24 87 13