Paramilitärisch organisiert haben Heinz Strunk und sein Freund C. gemeinsame Urlaube über die Weihnachtstage etabliert.

Harburg. Ein Urlaub mit ihm ist kein Zuckerschlecken. Paramilitärisch organisiert haben Heinz Strunk und sein Freund C. gemeinsame Urlaube über die Weihnachtstage etabliert. Karibik, Afrika, Fernziele eben. Doch ihr Ziel ist der Kein-Erlebnis-Urlaub, die geruhsame Ereignislosigkeit, die mit Sicherheit verschaffenden Ritualelementen in der Hotelanlage untermauert wird: Frühstück um neun -- bereits ein Eintreffen mit einminütiger Verspätung kann mit einer penetranten Fragezeichen-Sms auf dem Handy registriert werden. Danach der zwanghaft ritualartig getaktete immer gleiche Ablauf zwischen großem Pool, kleinem Pool, Kaffeerund und lethargischem Abendprogramm im Casino.

Gegenentwurf sind die Wolfs, die selbst bei sengender Hitze noch in irgendwelchen Ruinen nach "Artefakten, Artefakten Artefakten" suchen. Mit den kulturbeflissenen Bildungsbürgern ist schnell eine herrliche Urlaubsfeindschaft etabliert, die beim täglichen Sundowner an der Poolbar gepflegt wird und meistens 1:0 für unsere Freunde endet. Schonungslos protokollarisch werden Phlegma und Ignoranz von Heinz Strunk in einer Art biografischen Nabelschau in seinem neuen Roman "Heinz Strunk in Afrika" beschrieben. Heimlicher Höhepunkt ist ein Ausflug im "Magic Glass Boat", bei dem es Strunk dann doch zu viel zu sehen gibt: "We want to get back to the beach, now immediately."

Strunk, der Vorzeige-Harburger, der seine triste und von pulsierenden Akneflechten begleitete Muckervergangenheit auf Schützenbällen im Landkreis Harburg in "Fleisch ist mein Gemüse" zu Gold machte, indem er gnadenlos präzise auf das Elend draufhielt, "is back in town". Zum Kulturtag wird er in Harburg lesen. Und zwar mit seiner besonderen, ein wenig knarzigen Stimme, der etwas schlurigen Aussprache, mit der seine Protagonisten im Nu lebendig werden, und das ganze 90 Minuten lang. Dort, wo normalerweise Studenten der TUHH tapfer Analysis I oder lineare Algebra lernen, im Audimax 1 mit 400 Sitzen, dort wird Heinz Strunk auf dem Podium Platz nehmen und aus seinem neusten Roman "Heinz Strunk in Afrika" lesen.

Womöglich wird er noch die eine oder andere Lebensberatung hinsichtlich diätetischer Praxis, Managerfitness, die er regelmäßig praktiziert, zum Einsatz von Zahnseide oder einfach zu "Biestern" geben, die ihm in "Fleisch ist mein Gemüse" bekanntlich das Leben schwer machten - denn Heinz Strunk durchdringt in seinem Ringen um Haltung und ein wenig innerer Ordnung das widerspenstige und tückische Leben des Alltags wie kaum ein anderer Autor (Beginn der Lesung um 21 Uhr an der TUHH, Schwarzenbergstraße 95, Gebäude H).

Doch das ist nicht das Einzige, was am mittlerweile achten Harburger Kulturtag am 29. Oktober einen Besuch lohnt. Um die Ecke, im "Schauraum" von Monica Bohlmann an der Schwarzenbergstraße 42 (Hof) wird es mal wieder voll. Unter dem rätselhaften Namen "Domo Pepe Clalwa Gaguruja" verbergen sich die Initialen der ausstellenden Künstler, die an Arbeiten zeigen, was ihnen derzeit am wichtigsten ist. Und wer den Schauraum kennt, weiß, dass hier nur exzellente Arbeiten eine Chance haben. Einen kleinen Fußweg weiter warten bei "Alles wird schön" in Heimfeld weitere Künstler, die unter dem Ausstellungsmotto "Absender unbekannt" anonyme Kunst im Postkartenformat zeigen.

Wer es lieber mit ortspezifischer Kunst hält, schaut in der Kulturwerkstatt am Kanalplatz vorbei, wo es Kunst von der Elbinsel Wilhelmsburg gibt - Jan Huber, ehemals Professor für Freies Zeichnen, zeigt seine Skizzen, später liest Tobias Sommer aus seinem Roman "Dritte Haut" (16 Uhr).

Und auch ein Besuch im "electrum" - Museum für Elektrizität könnte lohnen. Denn Hand aufs Herz: Ist es bei Ihnen schon richtig angekommen, dass das "electrum" von Barmbek nach Harburg gezogen ist und dort jetzt die Vorläufer von Ipad, Handy und Co. zeigt? Geräte wie der erste Fernseher zur Olympiade von 1936 entführen in die technische Moderne, sorgen für Nostalgie und auch für ein Lächeln (Harburger Schloßstr. 1).

Im Kunstverein Harburger Bahnhof unweit des Museums gibt es Soundgefrickel des Biennale-Künstlers Haroon Mirza und der Künstlerin Sunah Choi zu sehen, die zu einer Führung anwesend sein wird. Wer mag, kann sich richtige Kultur-Cluster einrichten: Denn der umtriebige Jazz-Club im Stellwerk mit Multimedia-Konzert ist vom Kunstverein nur eine Tür weit im Bahnhofsgebäude entfernt und ein Besuch zu einer der Führungen in der Sammlung Falckenberg durch die aktuelle Ausstellung "Atlas" rundet das Kulturdreieck um den Bahnhof um neue Einsichten zur Gegenwartskunst ab. Achtung: Hier wird es immer sehr voll, pünktliches Erscheinen und Anmeldung sichern den Einlass ( besuch@sammlung-falckenberg.de ). Für Musikfreunde sind wie immer einschlägige Formate wie "Musik im Gespräch" oder das erstklassige Programm der Musikgemeinde Harburg im Programm.

Im Harburger Zentrum lässt sich traditionell das Angebot des Harburger Theaters mit Blick hinter die Bühne und Einblick ins Programm genießen, hier wartet das Helms-Museum und der Verein Alter Friedhof stellt sich vor. Ein Abstecher ins Mayrische Haus in der Lämmertwiete 14 verrät, was eine Stipendiatin in Harburg in einem Jahr so treibt. Und wer sehen will, dass Kunst auch im Verborgenen blüht und Harburg auch richtig charmante kleine Montmartre-Ecken und versteckte Atelierwinkel hat, der besucht die neue Galerie "kroko" der Künstler Jutta Konjer und Manfred Kroboth und ihrer Nachbarn Eva Wehdemayer und Dr. Johannes Grüter (Winsener Str. 11, Atelier kroko in der Nöldekestr. 13). Zu Gast ist dort übrigens auch der Kunst-Imbiss, der ambulant mit Kunst versorgt.

Wie man es dreht und wendet: Wer sich im Hamburger Süden für Kultur interessiert, kommt um einen Besuch des Kulturtages nicht herum. Und das für einen Beitrag von 2,50 Euro, zu dem man sich den Kulturtags-Button anheften darf. Und wo gibt es schon eine Strunk-Lesung zu diesem Preis?

Der Vorverkauf des Kulturtag-Pins hat begonnen und der Programmflyer ist erhältlich: beides zu haben in der Haspa-Filiale oder an der Konzertkasse im Phoenixcenter. Veranstaltungsorte präsentieren sich von 10 bis 20 Uhr.