Der Starmoderator setzte zum Auftakt seiner neuen ARD-Vorabendsendung vor allem auf Gemütlichkeit. 4,3 Millionen sahen zu.

Berlin. Gemütlich hat er’s hier. Flokati auf hellen Eichendielen, Bücherstapel auf der Fensterbank, in der Ecke lehnt eine Gitarre, als wäre es nur eine Frage von Minuten, bis man zur Hausmusik übergeht. Sein "Wohnzimmer“, nennt Thomas Gottschalk sein neues ARD-Studio, in das er den Zuschauer mit offenen Armen willkommen heißt: Lasst es uns nett miteinander haben.

Alles, was verschrecken könnte, hat der umsichtige Moderator von vornherein aussortiert: Politik, Promi-Experten, Kochlöffelschwingen. Eine "Wulff-freie halbe Stunde“ sollte es werden. Hollywoodstar Nicolas Cage wurde spontan ein- und genauso schnell wieder ausgeladen – zu abgehoben, zu oberflächlich vermutlich für das, was "Gottschalk Live“ in erster Linie sein will: Wohlfühlfernsehen. "Wir fangen ganz einfach an“, sagte Gottschalk, und das bedeutete: bei ihm. Bei seiner Familie. Nicht in die kalifornische Sonne von Malibu, wo Gottschalk lebt, nahm er das Publikum in dieser Auftaktsendung mit, sondern zu Tante Zilly, Onkel Oswald und einem Cousin aus Leipzig, dem die als investigativ bekannte "Freizeit-Revue“ den finanziellen Bankrott nachgewiesen hatte ("Skandal: Gottschalks Cousin komplett verarmt“).

Wie ein stolzer Familienvater stellte Gottschalk Mitglieder seines rund 20-köpfigen Redaktionsteams vor – Social Media-Redakteurin Caro und Assistent Johannes – und wer mochte, konnte gleich das Handy zücken oder den Laptop hochfahren und die Krawatte vom Günther (Jauch) ersteigern, in der wahrscheinlich noch Reste seines Rasierwassers klebten.

Die Gemütlichkeit, sie hielt an. Es hätte nicht viel gefehlt, und Gastgeber Gottschalk hätte sich aus seinem ockerfarbenen Zweiteiler herausgeschält und den Bademantel übergeworfen. Wen stört’s – gucken ja nur ein paar Millionen Menschen zu. Immerhin, die Einweg-Pantoffeln schafften es ins Fernsehen, ein in Originalfolie verpacktes Mitbringsel aus dem Hotel, das Gottschalk und Gast Bully (Herbig) dann auch gleich in Betrieb nahmen, bevor es aufs Gästesofa ging, in diesem Fall: auf die Ledersessel.

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Thomas Gottschalk, der es sich stets zu Herzen genommen hat, wenn Kritiker ihm wiederholt seine Interviewschwäche vorwarfen, legte sich sichtlich ins Zeug, ein Gespräch zu führen, kein Smalltalk, kein Geplänkel. Und hätte die ARD nicht mit Autowerbung, Apothekenmagazinwerbung und Wetter alles zerhackstückt, es wäre in der Tat eine hübsche Unterhaltung geworden. "Gibt es ein Publikum für diesen Stoff?“, wollte Gottschalk vom Schauspieler anlässlich des neuen Kinofilms "Zettl" von Helmut (Dietl) wissen – und meinte schon wieder ein bisschen sich selbst: Gibt es in diesem Land ein Publikum für diese Art von gehobener Unterhaltung?

Wie angekündigt ging es kurz um das Ehe-Aus von Seal ("ein ausgesprochen netter Kerl“) und Heidi (Klum), die bei Gottschalk und RTL 1992 ihren ersten Modelvertrag gewann. Er hat nicht halten können, behauptete der Mann des Abends, der mit Heidi schon auf der ein oder anderen Halloweenparty (Er: Pirat, Sie: Häschen) getanzt hat: "Zwei Menschen, die beide Karriere im Showbusiness machen wollen, das geht selten gut.“

Thomas Gottschalk, der sich freiwillig in die "Todeszone“ des ARD-Vorabends hineinbegeben hat, wirkte in keiner Sekunde angespannt. Gentlemanwürdig und lässig, eine Hand in der Hosentasche, schlenderte er durchs Studio, ließ eigene Paparazzibilder einblenden (mit der Sekretärin im Berliner Szenetreff "Grill Royal“ beim Steakessen), in seinem Gesicht spiegelte sich, wenn nicht alles täuscht, so etwas wie Erleichterung, dass das Warten, Herumspekulieren und ins Leere produzieren nun ein Ende hat. Dass die Kuh endlich auf dem Eis ist. Die Kuscheligkeit, das Heimelige, die inszenierte Privatheit wird wohl vorerst anhalten bei "Gottschalk Live“. Am Dienstag zum Beispiel ist ein Eisbärenbaby zu Gast in der Sendung. Danke, Thomas. Schön war’s - auch für die Quoten. 4,34 Millionen waren dabei, was einem Marktanteil von 14,6 Prozent entspricht. Normal sind für die ARD zu dieser Sendezeit 8,4 Prozent.