Als erste Frau erhält Kathryn Bigelow einen Regie-Oscar - und sticht nebenbei ihren Hauptkonkurrenten, Ex-Gatte James Cameron, mit “Avatar“ aus.
Los Angeles. Kathryn Bigelow (58) hat Filmgeschichte geschrieben: Als erste Frau gewann sie am Vorabend des Weltfrauentages einen Oscar für die beste Regie - und heimste zudem fünf weitere der Goldtrophäen ein.
Bei der 82. Oscar-Verleihung schlug sie ihre Regiekollegen vom anderen Geschlecht mit deren eigenen Waffen, denn ihr knallharter Action-Kriegsfilm „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ ist eigentlich ein klassischer Männerfilm. Doch in diesen Kategorien denkt sie selbst am wenigsten.
„Ich sehe mich als jemanden, der Filme macht, und freue mich auf den Tag, wenn Mann oder Frau keine Rolle mehr spielt“, sagte die 58-Jährige mit dem Look eines Ex-Models kürzlich in der CNN-Talkshow mit Larry King. Dennoch sei sie natürlich stolz, die erste Frau zu sein, die diesen Preis gewinnt, sagte sie direkt nach der Oscar-Gala: „Ich hoffe, ich bin die erste von vielen (Frauen).“ Aber bisher höre sie immer noch die ewig gleiche Frage: Was, eine Frau hat das inszeniert?
Und dies nicht nur bei ihrem aktuellen Film: Die 1,82 Meter große Regisseurin hat seit jeher einen Hang zu Action, Thrillern und harten Kerlen. In dem Cop-Thriller „Blue Steel“ (1990) machte sie Jamie Lee Curtis als toughe Polizistin, die einen Serienkiller austrickst, zur Heldin. Ein Jahr später schleuste sie Keanu Reeves in „Point Break - Gefährliche Brandung“ als Undercover-Agent in die Surfer-Szene ein, mit Patrick Swayze als zwielichtigem Bankräuber. Der Action-Film spielte allein in den USA mehr als 43 Millionen Dollar ein, bis dato Bigelows größter Kassenschlager. Produziert wurde er von ihrem damaligen Ehemann, „Titanic“- und „Avatar“-Regisseur James Cameron.
Das Power-Paar hielt es nur zwei Jahre miteinander aus, doch seit der Scheidung 1991 sind sie noch gut befreundet. Cameron schrieb auch das Drehbuch für Bigelows Science-Fiction-Film „Strange Days“ (1995), mit Ralph Fiennes als Ex- Polizist, der eine Verschwörung aufdeckt. Nun trumpfte sie ausgerechnet gegen ihren Ex-Mann auf, der auch für den Regie-Oscar nominiert war.
Bigelow wuchs nahe San Francisco als einziges Kind einer Bibliothekarin und eines Managers einer Farbenfabrik auf. Sie entdeckte früh ihre Liebe zur Malerei, schrieb sich an der Kunstakademie in San Francisco ein und zog mit einem Stipendium für talentierten Nachwuchs nach New York. Dort wechselte sie schließlich zum Film. „Malerei ist ein bisschen elitär, Film dagegen überschreitet Kultur und Klassen“, erklärte sie 2002. Mit 30 Jahren drehte sie ihren ersten Spielfilm. Für das Biker- Drama „Die Lieblosen“ – im Stil von Marlon Brandos „Der Wilde“ - holte sie Willem Dafoe vor die Kamera.
„The Hurt Locker“ ist Bigelows achter Film, den sie mit einem kleinen Budget von 15 Millionen Dollar unter härtesten Bedingungen realisierte. „Jeder Tag war eine Art Spiel mit dem Feuer, mit Sandstürmen, Windstürmen und der strapaziösen Hitze im Nahen Osten“, sagte sie der „Los Angeles Times“, nachdem sie Anfang Februar von ihren neun Oscar-Nominierungen erfahren hatte. Den Thriller über Bombenentschärfer der US-Armee im Irak drehte sie in Jordanien, dicht an der irakischen Grenze. An den US-Kinokassen floppte das Kriegsdrama, doch Kritiker und Filmpreisverleiher waren begeistert.
Im Kopf-an-Kopf-Rennen um einen Golden Globe mit Cameron unterlag Bigelow dem „Avatar“-Regisseur, doch der war über seinen Sieg im Januar sichtlich überrascht. „Ich habe nichts vorbereitet. Offen gesagt, ich dachte, dass Kathryn gewinnt“, stotterte er auf der Bühne. „Sie hätte es verdient“. Dann steckte sie als erste Frau die Top-Trophäe des US-Regisseurverbandes „Directors Guild of America“ ein und räumte bei der Verleihung der britischen Bafta-Filmpreise mit „The Hurt Locker“ gleich sechs Auszeichnungen ab – ebenso viele wie bei den Oscars.
Leer ging "Avatar" allerdings auch bei den Oscar nicht aus. Der Film bekam eine Auszeichnung für die beste Ausstattung, zudem noch für die Kameraführung von Mauro Fiore sowie für Spezialeffekte.
Die deutsche Oscar-Hoffnung, „Das weiße Band“ von Regisseur Michael Haneke, blieb allerdings ungekrönt. Die Trophäe für den „besten nicht-englischsprachigen Film“ holte „El Secreto de Sus Ojos“ aus Argentinien. Der deutsche Beitrag, ein Schwarz-Weiß-Drama über die repressive Gesellschaft kurz vor dem Ersten Weltkrieg, war als Favorit ins Rennen gegangen und hatte zuvor zahlreiche internationale Auszeichnungen gewonnen.
Den Oscar als beste Schauspielerin und bester Schauspieler gewannen Sandra Bullock und Jeff Bridges. Bullock erhielt den Preis für ihre Darstellung einer Mutter in dem Kassenschlager „The Blind Side“. Es war das erste Mal in ihrer langen Karriere, dass die 45-Jährige den Oscar gewann. „Habe ich den Preis wirklich verdient, oder habe ich Euch einfach nur lange genug zermürbt?“, fragte die Schauspielerin scherzhaft ins Publikum.
Der 60-jährige Bridges erhielt die goldenen Statue für seine Rolle als abgehalfterter Country-Sänger in dem Film „Crazy Heart“. Bridges, der bei seiner fünften Nominierung zum ersten Mal gewann, war überwältigt und bedankte sich überschwänglich – erst bei seine Eltern, dann bei seiner Familie und natürlich bei dem Filmteam. Die britische Schauspielerin Kate Winslet überreichte ihm den Oscar. Sie hatte die Trophäe im vergangenen Jahr für ihre Rolle in „Der Vorleser“ gewonnen.
Der Österreicher Christoph Waltz und die Amerikanerin Mo’Nique gewannen die Oscars als beste Nebendarsteller.
Der 53-jährige Waltz erhielt die Auszeichnung für seine Rolle als charmant-zynischer SS-Offizier in Quentin Tarantinos Nazi-Satire „Inglourious Basterds“. Die schwarze Schauspielerin Mo’Nique wurde für die Darstellung einer gewalttätigen Mutter in dem Sozialdrama „Precious“ ausgezeichnet.
Es war der zweite Oscar an diesem Abend für „Precious“. Zuvor war Autor Geoffrey Fletcher bereits für das beste adaptierte Drehbuch geehrt worden; der Film „Precious“ basiert auf dem Roman „Push“ von Sapphire. Die 42-jährige Mo’Nique hielt eine kurze, aber emotionale Dankesrede: „Ich danke der Academy, dass sie gezeigt hat, dass es bei dieser Auszeichnung um die Performance gehen kann, nicht um Politik.“
Auch Waltz zeigte sich sichtlich gerührt: „Dies ist ein Über- Bingo“, sagte er mit tränenerstickter Stimme. „Ich werde mich niemals genug bedanken können. Aber ich kann damit jetzt beginnen“, betonte er in seiner kurzen Dankesrede, nachdem ihm Vorjahresgewinnerin Penélope Cruz die erste Statue des Abends überreicht hatte.
Der Preis für Waltz war der erste, der an diesem Abend vergeben wurde. Waltz setzte sich gegen Hollywood-Veteranen wie Matt Damon (“Invictus“), Woody Harrelson (“The Messenger“), Christopher Plummer (“The Last Station“) und Stanley Tucci (“The Lovely Bones“) durch, die ebenfalls in dieser Kategorie nominiert waren.
Außerdem gab es Oscars für „Up“ (Oben) als bester Animationsfilm, den „Star Trek“-Film für die beste Maske und den besten Original-Song „The Weary Kind“ von Ryan Bringham und T Bone Burnett aus dem Film „Crazy Heart“. Ihren bereits dritten Oscar erhielt die Kostümbildnerin Sandy Powell für „The Young Victoria“.
Regnerisches Wetter mit Blitz und Donner hatte die Ankunft der Gäste zur Oscar-Verleihung im Kodak Theatre von Hollywood begleitet. Der Rote Teppich wurde schon am Sonntagnachmittag sicherheitshalber mit Plastikfolie abgedeckt. Ein Unwetter hatte in Nacht zuvor die Berge in der Nähe von Los Angeles mit Schnee bedeckt. Immer wieder zogen Regenschauer durch die Stadt.
Ein Plastikzelt sorgte dafür, dass die eintreffenden Stars in Hollywood nicht nass wurde. „Es ist ein toller Tag“, sagte Anika Noni Rose, eine Sprecherin in dem Film „The Princess and the Frog“. Weitere Schauspieler, die schon früh kamen, waren die „Precious“-Stars Mo’Nique und Paula Patton, Soul-Sänger Robin Thicke, Anna Kendrick aus dem Film „Up in the Air“ und Ed Asner, der Sprecher in „Up“.