Der Auftritt kritischer Schriftsteller aus China auf einem Symposium zeigte, wie schwierig der Dialog zwischen Regierung und Dissidenten ist.

Frankfurt/Main. Es endete fast so turbulent wie es begonnen hatte: das umstrittene China-Symposium in Frankfurt/Main hat wenige Tage vor Beginn der Frankfurter Buchmesse deutlich gemacht, wie politisch schwierig das Verhältnis zum diesjährigen Messe-Partnerland China ist. Die Pekinger Umweltaktivistin Dai Qing mahnte zum Abschluss in der Diskussion ein Gesetz an, damit sie ihre Bücher künftig frei in China veröffentlichen könne. Doch die offizielle Seite und auch der auf dem Podium sitzende prominente chinesische Schriftsteller Mo Yan äußerten sich dazu nicht – auch weil die Organisatoren für die Diskussion zum Abschluss ganz wenig Zeit bemessen hatten.

Die zierliche 68-jährige Dai Qing, die zusammen mit dem im amerikanischen Exil lebenden Lyriker Bei Ling nach ihrer Ausladung von der Frankfurter Buchmesse nach der scharfen öffentlichen Kritik wieder eingeladen worden war, mischte sich während des Konferenz immer wieder ein. Doch die Fronten auf dem Symposium, das unter dem Motto „China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit“ den Ehrengastauftritt Chinas auf der Buchmesse von 14. bis 18. Oktober vorbereiten sollte, blieben verhärtet.

Die Sicht der offiziellen chinesischen Seite, die hochrangige Vertreter nach Frankfurt geschickt hatte, unterschied sich von der der beiden Dissidenten doch fundamental. Während Dai Qing und Bei Ling auf ihre individuellen Grundrechte pochten, verwies die chinesische Delegation auf den „eigenen Weg“ Chinas. Bei den Menschenrechten gehe es zuerst einmal um das „Gemeinwohl“ für die 1,3 Milliarden Chinesen. „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ sagte der ehemalige Botschafter Chinas in Deutschland, Mei Zhaorong, in Anspielung auf Bertolt Brecht ganz unverblümt in perfektem Deutsch.

Als Vorgeschmack auf die Frankfurter Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober hat das Symposium gezeigt, dass zwischen Dissidenten und Offiziellen eine fruchtbare Diskussion oder gar ein Dialog nur schwer möglich scheint. Dennoch zeigte sich der Direktor der in den vergangenen Tagen heftig gescholtenen Buchmesse, Juergen Boos, nach den „Irrwegen“ in der vergangene Woche zufrieden: „Wir haben unser Ziel erreicht, die Leute zusammenzubringen.“

Dafür musste sich Boos, für den der Umgang mit dem Ehrengast China zur größten Bewährungsprobe seiner fast fünfjährigen Amtszeit geworden ist, gleich zweimal innerhalb von 24 Stunden entschuldigen: Zuerst am Freitag bei den beiden Dissidenten, die die Buchmesse unter dem Druck Pekings ausgeladen hatte und dann in einer Kehrtwende doch willkommen hieß, als sie mit Hilfe des PEN-Zentrums und auf eigene Faust anreisten. Und am Samstag beim chinesischen Mitveranstalter, mit denen Boos ein auf dem Podium abgegebenes öffentliches Statement von Dai Qing und Bei Ling ganz bewusst nicht abgesprochen hatte.

Die chinesische Delegation hatte deswegen unter Protest den Saal verlassen – und die Tagung stand kurz vor dem Scheitern. Verärgert waren die Chinesen zusätzlich über Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), die wenig diplomatisch in ihrer Eröffnungsrede die Chinesen nicht einmal willkommen geheißen hatte. Erst die öffentliche Entschuldigung von Boos machte den Fortgang des Symposiums möglich.

Über weite Strecken hinweg gab es dann neben einigen offiziösen Verlautbarungen auch sehr viel Informatives über die neue wirtschaftliche Supermacht China zu hören – genauso wie über den Wandel in den Städten oder die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik auf die Gesellschaft. Die riesigen Probleme im Umweltschutz wurden auch von chinesischen Wissenschaftlern recht offen diskutiert. In einer von Podiumsteilnehmern beherrschten Tagung waren es aber vor allem einzelne Diskussionsbeiträge, die hoffnungsvoll stimmten. Ein chinesischer Journalist berichtete, dass er einen durchaus kritischen Bericht über die Olympischen Spiele in Peking der „Volkszeitung“ angeboten habe. Wider Erwarten sei er auch gedruckt worden.