Der Streit um die Ein- und Ausladung zweier chinesischer Literatren wenige Wochen vor der Frankfurter Buchmesse gerät immer mehr zum Skandal.
Frankfurt/Main. Der Skandal um die Ausladung zweier chinesischer Autoren im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse mit China als Gastland hat nun auch eine innenpolitische Debatte ausgelöst. Der Vorsitzende des Bundestagskulturausschusse, Hans-Joachim Otto (FDP), sprach am Donnerstag von einem „Armutszeugnis für die Verantwortlichen der Messe“. Schon am Vortag hatte der Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung Günter Nooke eine klare Haltung von der Buchmesse angemahnt. Unterdessen wollen die Schriftstellerin Dai Qing und der in den USA im Exil lebende Autor Bei Ling ungeachtete der Boykottandrohung der chinesischen Seite doch an einem China-Symposium am Wochenende in Frankfurt teilnehmen.
Die Schriftstellervereinigung PEN macht die Reise der Autorin möglich. Die Buchmesse hatte mit ihrer Ausladung auf die chinesische Seite, die die Tagung mitorganisiert, Rücksicht nehmen wollen. Unter massivem Druck von Peking haben die Organisatoren Dai Qing und Bei Ling von dem Treffen über „China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit“ ausgeladen. China ist vom 14. bis 18. Oktober Gastland der Buchmesse. „Ich habe gerade das Visum bekommen“, sagte Dai Qing am Donnerstag in Peking. In welcher Form die Autorin an dem Symposium teilnehmen wird, blieb offen. „Wenn die Organisatoren glauben, ich eigne mich nicht als Vortragende, nehme ich aktiv an den Diskussionen teil und stelle meine Fragen.“
Bei Ling sagte, dass er soeben Projektleiter Peter Ripken eben von seiner Absicht unterrichtet habe. Die Organisatoren der Buchmesse zeigten sich am Donnerstag überrascht von der neuen Entwicklung. Nach Angaben von Ripken war mit Dai Qing am Mittwoch vereinbart worden, dass sie statt zum Symposium im Oktober zur Buchmesse komme, um die mit den Chinesen organisierte Tagung nicht zu gefährden. „Wenn sie kommt, dann kommt sie“, sagte Ripken. Man kenne aber noch nicht die Reaktion des chinesischen Partners.
PEN-Generalsekretär Herbert Wiesner sagte, er hoffe, dass am Wochenende mit der offiziellen chinesischen Seite und Dai Qing ein Gespräch möglich sei. „Falls es bei dem Symposium zu einem Exodus der Offiziellen kommt, ist dies ein schlechtes Vorzeichen für die Buchmesse“, sagte Wiesner. Das Auswärtige Amt in Berlin begrüßte die Vergabe des Visums durch die Botschaft in Peking. „Wir freuen uns, dass Dai Qing an dem Treffen teilnehmen kann“, sagte eine Sprecherin. „Mit meiner kleinen Aktion will ich meiner Regierung beibringen, nicht willkürlich zu handeln“, sagte Dai Qing.
Zuvor hatte der Frankfurter Buchmessen-Chef Juergen Boos den Ausschluss der zwei Autoren in Frankfurt verteidigt. Es handle sich um eine gemeinsam mit dem chinesischen Partner vorbereitete Tagung, „Deshalb müssen wir manchen Kompromiss eingehen.“ China ist Ehrengast der weltgrößten Bücherschau vom 14. bis 18. Oktober. Man müsse auf so einer Tagung mit den Chinesen reden und „nicht über sie“, sagte Boos. Er wies Vorwürfe zurück, die Buchmesse unterwerfe sich beim Symposium der chinesischen Zensur. Die Meinungsfreiheit stehe für die Buchmesse an erster Stelle. Auf der Messe im Oktober könnten alle Autoren zu Wort kommen. „Die Frankfurter Buchmesse ist inhaltlich nicht kontrollierbar“, sagte Boos. Die Organisatoren der Frankfurter Buchmesse hatten ähnlich wie Dai Qing auch den in den USA im Exil lebenden Schriftsteller und Verleger Bei Ling ausgeladen.
Projektleiter Ripken habe ihn am Mittwoch „sehr besorgt“ angerufen. „Er sagte, bitte komm nicht“, sagte Bei Ling. Es würde sonst zu einer Konfrontation kommen, die das Symposium und die Frankfurter Buchmesse schädigen würde, gab er die Begründung Ripkens wieder. Sein Flug von Boston nach Frankfurt war bereits gebucht. Erst vor einer Woche sei er gebeten worden, seinen Beitrag über Zensur und Selbstzensur vorzubereiten. Der Exilchinese beschrieb den überraschenden Anruf Ripkens am Vortag ausführlich. Der Projektleiter habe ihn über die „sehr schwierige Lage“ informiert. Die Offiziellen aus China und selbst der bekannte chinesische Schriftsteller Mo Yan wollten nicht in einem Raum mit ihm sein, zitierte er Ripken.
Dieser sagte dagegen, er habe Bei Ling vor mehreren Wochen bereits mitgeteilt, dass er nicht teilnehmen könne. Das Symposium sei nicht als als Tagung mit „Dissidenten und Sinologen“ gedacht, sondern es gehe um den „Dialog" mit China unter Beteiligung von Wissenschaftlern und auch Diplomaten. Die Einladung an Chinas als Gastland war nach Ansicht von PEN- Genersekretär Wiesner „vielleicht etwas voreilig“. „Möglicherweise ist China als Ehrengast der Buchmesse noch nicht reif für die Weltöffentlichkeit“, sagte er. Wichtig sei es, sich von China nicht „erpressen“ zu lassen.
Bei Ling war 2000 in China wegen „illegaler Veröffentlichungen“ festgenommen worden und nach kurzer Haftzeit mit Hilfe der USA freigelassen und ausgewiesen worden. Er lebt heute als amerikanischer Staatsbürger in Boston, betätigt sich aber auch von Taiwan aus als Verleger für exilchinesische Literatur. Auch die Ansichten der Exilschriftsteller müssten in Frankfurt gehört werden, forderte er.