“Great Cate“ im Abendblatt-Gespräch über Marlene Dietrich, Frauen im Nachkriegs-Berlin und ihre Pläne, ein Theater zu leiten.

Berlin. Sie ist zurzeit eine der gefragtesten Schauspielerinnen und möglicherweise auch eine der besten. Auf jeden Fall ist Cate Blanchett einer der großen Stars der Berlinale und gleich mit zwei Filmen im Wettbewerb vertreten. In Steven Soderberghs Film "The Good German" spielt sie an der Seite von George Clooney und Tobey Maguire eine geheimnisvolle dunkelhaarige Frau in Berlin kurz nach Kriegsende, die es mit der Wahrheit oft nicht so genau nimmt. In Richard Eyres "Notes On A Scandal" ist sie, nun wieder naturblond, eine Lehrerin, die sich auf eine Affäre mit einem 15-Jährigen einlässt und deshalb von ihrer Kollegin (Judi Dench) erpresst wird. Für diese Rolle ist sie auch für einen Oscar nominiert. Demnächst sieht man die 37-Jährige in einer Filmrolle als Bob Dylan (!), bevor sie mit ihrem Ehemann Theaterleiterin in Sydney wird.

ABENDBLATT: Welche Kriterien muss ein Rollenangebot erfüllen, damit Sie es annehmen?

CATE BLANCHETT: Es kommt immer mehr auf den Regisseur an. Ganz besonders im Fall von Steven Soderbergh, egal um welches Projekt es sich dabei drehte. Im Fall von "Notes On A Scandal" war es eher das Drehbuch. In "The Good German" gibt es so eine klare Vision des Regisseurs. Eigentlich hätte ich gedacht, dass wir entweder in Berlin oder Rumänien drehen und nicht in Schwarz-Weiß auf einem Studiogelände in Los Angeles. Ich fand das sehr aufregend.

ABENDBLATT: Wie stark war der Unterschied zu dem anderen Film, der im heutigen England spielt und natürlich in Farbe gedreht wurde?

BLANCHETT: Ich habe beide kurz nacheinander gedreht. Deshalb war es großartig, dass sie so verschieden waren. Es war ein bisschen seltsam, weil ich in Soderberghs Film sogar Deutsch gesprochen habe, obwohl ich es eigentlich nicht kann. Deshalb war ich gestern im Kino auch so nervös. Ich hatte gehofft, der Film sei schon synchronisiert worden.

ABENDBLATT: Soderbergh hatte den Schauspielern vorab eine Art Manifest in die Hand gedrückt. Was stand darin?

BLANCHETT: Seine Ambitionen mit diesem Film und den schauspielerischen Stil, den er suchte. Er wollte es theatralisch und melodramatisch. Die Emotionen werden anders präsentiert. Auch mein Verhältnis zur Kamera war anders, als ich das von anderen Filmen gewohnt war. Filme wie dieser vermitteln das Gefühl, als seien sie für ein Publikum gedreht worden, während wir uns heute daran gewöhnt haben, dass die Kamera das Publikum ist. Es ist also eine ziemlich atemberaubende Erfahrung für die Zuschauer.

ABENDBLATT: Welche Schauspielerinnen aus der Serie noir haben Sie inspiriert?

BLANCHETT: Alle. Sie waren ja einzigartig, wie Marlene Dietrich, Ingrid Bergman, Bette Davis und Joan Crawford. Drehbücher wurden extra für sie geschrieben, und sie hatten starke Beziehungen zu bestimmten Regisseuren, die ihre jeweilige Persona zügelten. Es geht nicht nur darum, eine Hommage an bestimmte Filme und deren Stil zu zeigen. Man muss auch die Schauspielerin sein, die man wirklich ist. Das gehört schließlich zum Job.

ABENDBLATT: Haben Sie nur Filme zur Vorbereitung gesehen oder sich auch speziell über das Leben der Frauen in Deutschland nach Kriegsende informiert?

BLANCHETT: Natürlich. Ich habe das Tagebuch einer Journalistin gelesen, die darin ihre täglichen Erlebnisse im Nachkriegs-Berlin aufgeschrieben hat. Ihren Weg zur Wasserpumpe und wie sie auf dem Hin- und Rückweg vergewaltigt wurde. Ihr Verhältnis zu ihren Mitbewohnerinnen und wie sie sich einen Soldaten angelte, weil es besser war, Sex nur mit einer Person auch ohne Liebe zu haben, wenn damit etwas Schutz einherging. Oder die Erniedrigung der Männer. Von all diesen Erfahrungen der Zivilbevölkerung hatte ich vorher keine genaue Kenntnis.

ABENDBLATT: Sie hätten auch für diesen Film für den Oscar nominiert werden können.

BLANCHETT: Das nehme ich an. Es war querbeet ein unglaubliches Jahr für Schauspielerinnen. Es gab so viele erstaunliche Leistungen. Ich denke nie, dass ich an der Reihe bin, für irgendetwas nominiert zu werden. Es ist doch ohnehin eine Frage des Geschmacks. Natürlich hofft man, dass es den Leuten gefällt, was du tust. Aber so ist das nicht immer.

ABENDBLATT: Ist "The Good German" ein Film, in dem Ihre Rolle eher den Alltagsrahmen sprengt, während "Notes On A Scandal" ein intimeres Arbeiten war?

BLANCHETT: Es war ein äußerst entspanntes Arbeiten mit Steven und George. Die Rolle war fantastisch zu spielen. Soderbergh ist ein sehr ökonomischer Regisseur. Meistens hatte ich schon um 15 Uhr Feierabend und konnte meine Söhne von der Schule abholen.

ABENDBLATT: Aber ist es nicht für eine Schauspielerin eine größere Herausforderung, ein Duell wie das mit Judi Dench darstellen zu können?

BLANCHETT: Nein, das ist unglaublich anders. "The Good German" war eine Nuss, die schwer zu knacken war. Aber die Leute wollen ja auch die Darstellung sehen und mögen es, wenn viel geweint und geschrien wird und man mit zerflossenem Make-up auf die Straße rennt wie in "Notes On A Scandal". Aber denken Sie nur an Matt Damons Leistung in "Departed"! Brillant, unglaublich! Man kann das darunter liegende Gewebe nicht erkennen. Es wird aber oft übersehen, weil man das Schauspielen da nicht erkennen kann.

ABENDBLATT: "All diese alten Geschichten", hat jemand gestern in der Pressekonferenz über die historischen Stoffe gestöhnt.

BLANCHETT: Ich könnte mir vorstellen, dass man als Deutscher die Nase davon voll hat, von deutschen Kriegserlebnissen erzählt zu bekommen. Das Ungewöhnliche an diesem Film ist auch nicht, dass er ein großartiger Noir-Thriller ist, sondern wie dort alles dargestellt ist.

ABENDBLATT: Sie wollen mit Ihrem Ehemann, dem Drehbuchautor Andrew Upton, in Sydney ein Theater leiten. Wie steht es um diese Pläne?

BLANCHETT: Wir sind als kommende künstlerische Leiter ernannt worden. Wir leiten die Spielzeit 2008, die noch jemand anders plant, unsere erste eigene Spielzeit ist 2009. Wir wollen spannende unterhaltsame Exzellenz.

ABENDBLATT: Wollen Sie Hollywood den Rücken kehren?

BLANCHETT: Ich glaube, ich bin nie in Hollywood gewesen. Ich weiß nicht einmal, was das ist. Mehr als alles andere ist das doch ein Gemütszustand, oder?

ABENDBLATT: Sie haben gerade im Film "I'm Not There" Bob Dylan gespielt. Wie war das?

BLANCHETT: Verrückt und kurz. Es hat nur drei Wochen gedauert. Regisseur Todd Haynes hat Dylans Persona in ungefähr sechs Charaktere aufgeteilt, von denen aber keiner Bob heißt. Es geht um seine musikalische Reise. Richard Gere, Heath Ledger, Christian Bale und Ben Whishaw sind neben anderen mit dabei. Ich spiele Dylan, als er auf die E-Gitarre umstieg und dafür auf seiner Tournee ausgebuht wurde. Wenn sie ihn ausbuhen, denkt man, so schlimm ist das eigentlich gar nicht, da ist man in guter Gesellschaft. Aber es war trotzdem großartig, dass die Leute gestern nicht gebuht haben.