Mit seiner ständig wachsenden Präsenz und Marktmacht sorgt der Internet-Dienstleister für Irritationen und zunehmend ruppige Debatten.
Ein Porträt von Olaf Preuß.
Es hilft und nützt uns, es bewegt und berührt. Es verändert unser Wissen über die Welt, weil es Informationen aus den hintersten Winkeln der Erde präsentiert, sekundenschnell. Es verändert unser Weltbild, weil es uns die Welt aus immer neuen Perspektiven zeigt, sekundenschnell. Es ist unser Helfer. Und unser Freund. Kann das schlecht sein?
Mehrere Hundert Millionen Menschen arbeiten täglich damit, allein der deutsche Ableger verzeichnet monatlich rund 30 Millionen regelmäßige Nutzer. Es hat - je nach Erhebung - zwischen 60 und mehr als 80 Prozent Anteil am gesamten Weltmarkt für Internet-Suchmaschinen, einen Umsatz von rund 21,7 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 4,23 Milliarden Dollar im Jahr 2008. Das ist Google, laut einer Erhebung von Millward Brown aus dem vergangenen Jahr die derzeit wertvollste Unternehmensmarke der Welt, weit vor Coca-Cola und McDonald's. Kann das schlecht sein?
Ende der 90er-Jahre gründeten zwei Internet-Freaks - Sergey Brin und Larry Page - in Kalifornien eine Garagenfirma und schufen daraus ein Weltunternehmen. Das hatten vor ihnen an der US-Westküste und besonders im kalifornischen Silicon Valley schon andere getan, Bill Gates und Paul Allen bei Microsoft, Steve Jobs bei Apple, Larry Ellison bei Oracle, Jerry Yang bei Yahoo. Doch kein anderer Konzern aus der Welt von Computern und Internet hat je so schnell einen so universellen Einfluss auf den Alltag und die Arbeit von Abermillionen Menschen rund um den Globus erlangt.
Der Duden setzte das eingedeutschte Verb "googeln" vor einiger Zeit synonym mit der Suche im Internet. Google drang darauf, dass dies geändert werde, damit die eigene Marke keinen Schaden nehme. Nun bedeutet "googeln" laut Duden die Suche im Internet mithilfe der Suchmaschine Google. Und die schickt sich an, eine Art Megabibliothek für das Weltwissen zu werden, zugleich ein virtueller Gesamtatlas für die Betrachtung des Planeten und zudem auch noch die Sehhilfe, die man dafür braucht. Kann das gut sein?
In der dritten Etage eines modernen Geschäftshauses in der Hamburger ABC-Straße wird man von einer Rezeptionistin und einem Computer freundlich empfangen. "Verschwiegenheitserklärung" steht über dem Online-Formular, das man bei der Anmeldung per Fingerdruck auf den Monitor bestätigen soll, und darunter: "Bitte gib Deinen vollständigen Namen ein." Dann den Namen des gewünschten Gesprächspartners. Google pflegt eine offene Unternehmenskultur und einen verbindlichen Umgang mit Gästen. Aber es muss ja nicht sein, dass über die hellen Flure Informationen auf unsportliche Weise aus dem Haus gedribbelt werden.
Gut 250 Menschen arbeiten in Deutschland für Google, 160 davon in der Zentrale in Hamburg. Vor allem Marketing wird hier betrieben, im Dialog mit Werbepartnern und Kunden. Die Atmosphäre ist locker, geprägt von einer bunten, halboffenen Büro-Architektur, die man in vielen modernen Unternehmen findet. Im Aufenthaltsraum steht eine Tischtennisplatte neben einem elektronischen Schlagzeug und einem Tischfußball. Kreative Pausen für die Mitarbeiter sind ausdrücklich erwünscht. Der Kaffee in den Etagen und das Essen in der Kantine sind gratis, wie in allen Google-Büros weltweit.
Ihre Freude und Schaffenskraft aber schöpfen die Menschen bei Google offenbar vor allem aus der Überzeugung, Gutes für die Menschheit zu tun: "Unser Ziel liegt darin, allen Menschen das globale Wissen in einer geordneten Form zur Verfügung zu stellen und damit den Zugang zu Informationen zu demokratisieren", sagt Kay Oberbeck, Sprecher für Google in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Skandinavien. "In nur elf Jahren haben wir uns von einer Zwei-Mann-Garagenfirma zu einem weltweit tätigen Unternehmen entwickelt, und Google trägt heute sicher noch die gleichen Werte in sich wie zur Gründung. Die oberste Maxime dabei ist: Der Nutzer steht über allem." Kann so etwas schlecht sein?
Wenn man sich dem Phänomen Google nähert, betritt man eine Welt des Konjunktivs und der Grauzonen. Vieles könnte sein und sollte doch lieber nicht, argwöhnen Kritiker. Die meisten dieser Vorhaltungen seien abwegig und aus der Luft gegriffen, halten die Verteidiger dagegen. Die Debatte darum, ob Google bekömmlich oder bedrohlich ist, hat kaum ein Vorbild, denn kein anderes Unternehmen, auch keines im Internet, hat in so kurzer Zeit so viele Türen in so viele neue Räume aufgestoßen. "Meine Sorge ist weniger das, was Google tut, sondern dass es für diese umfassende Art der Datensammlung bislang noch keine verbindlichen, über Grenzen hinausreichende Spielregeln gibt", sagt der in Hamburg arbeitende Journalist Lars Reppesgaard, Autor des Buches "Das Google-Imperium", das im vergangenen Jahr erschienen ist. "Google speichert und analysiert die immens vielen Daten aus den Suchanfragen der Nutzer nicht, um der Menschheit etwas Gutes zu tun, sondern um das eigene Geschäft mit der sogenannten ,individualisierten Werbung' auszubauen, Werbung, die auf das persönliche Interessenprofil eines Nutzers zugeschnitten ist."
Als die Internet-Suchmaschine Google Ende der 90er-Jahre an den Start ging, wurde sie von vielen Internet-Laien zunächst als ein weiteres nettes Spielzeug für das Herumkramen in der virtuellen Welt betrachtet. Doch sehr schnell ließ Google alle seine Konkurrenten - vor allem Yahoo, AOL und Microsoft - weit hinter sich. Viele Namen der frühen Internet-Jahre wie Lycos, Netscape oder Altavista sind längst Geschichte. Jüngere Versuche, die führende Suchmaschine im Netz mit neuen "Google-Killern" zu attackieren, etwa "Wikia Search", sind kläglich gescheitert. Nicht einmal der weltweit mächtigste Software-Konzern Microsoft vermag es, Google bei der Beackerung des World Wide Web Paroli zu bieten. Im vergangenen Jahr scheiterte ein chaotischer Übernahmeversuch von Microsoft bei Yahoo. Und zu der Frage, wann genau die für diesen Sommer angekündigte neue Microsoft-Suchmaschine auf den Markt kommt, gibt die Deutschlandzentrale in München auf Anfrage kleinlaut "keinen Kommentar".
Google ist weit erfolgreicher als alle anderen Internet-Suchmaschinen, weil es so viel effizienter ist - und mit neuen Angeboten immer wieder auch überraschender. "Die Frage ist, ob die Nutzer tatsächlich etwas anderes haben wollen", sagt ein Internet-Fachjournalist aus München, der nicht genannt werden möchte. "Allerdings steigt damit auch das Risiko der Marktdominanz durch Google - denn es gibt nirgendwo ernsthafte Konkurrenz."
Der Streit zwischen Google und dessen Kritikern verläuft mittlerweile an vielen Fronten parallel. Hauptsächlich in den USA wurde in den vergangenen Jahren über die Nutzung und Verletzung von Urheberrechten an den zahlreichen Büchern gestritten, die Google einscannt und im Netz öffentlich zugänglich macht. Vergleichbaren Ärger gab es kürzlich, als die Google-Tochter YouTube das Herunterladen bestimmter Musikvideos wegen strittiger Fragen zum Urheberrecht sperrte. In Deutschland erregt Google aber derzeit vor allem mit seinem Internet-Dienst "Streetview" Aufmerksamkeit. Dazu sollen von speziellen Kamerafahrzeugen alle öffentlich zugänglichen Plätze und Straßen im Land abfotografiert werden. In mehreren Staaten - neben den USA auch in Frankreich oder Großbritannien - können die Nutzer bereits virtuell durch Stadt und Land reisen. In Deutschland aber weckt das bei vielen Menschen den Eindruck, endgültig in der Welt von George Orwells "Big Brother" angekommen zu sein. "Google hat zugesagt, Gesichter und Autokennzeichen generell vor Veröffentlichung so zu ,verpixeln', dass sie nicht mehr erkannt werden können", sagt Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz in Bonn. "Beispiele in den Ländern, in denen Streetview schon in Betrieb ist, wecken aber Zweifel an diesem Verfahren. Es hat sich gezeigt, dass trotz der Verschleierung eine Identifizierung möglich bleiben kann. Auch hierüber wird noch mit Google gesprochen."
Die Spezialisten für den Datenschutz werden sich künftig wohl eher öfter als seltener mit Google beschäftigen müssen, denn die Nutzergemeinde wächst stetig - damit aber auch die Kritik an den großen Datenmengen, die das Unternehmen bündelt. Google wirbt mit seiner großen Transparenz im Datenschutz und damit, dass die Suchanfragen maximal neun Monate auf den Rechnern des Unternehmens gespeichert bleiben - kürzer als etwa bei Yahoo oder Microsoft. Peter Schaar hält das nicht für ausreichend: "Nach deutschem Recht dürfen personenbezogene Nutzungsdaten gar nicht gespeichert werden. Vor allem ausländische Anbieter halten sich aber vielfach nicht an diese Vorgabe", sagt er. "Sie begründen das damit, dass die Daten für die Verbesserung ihres Angebots und die Abwehr von Hackerangriffen erforderlich wären. Ich halte dieses Argument nicht für überzeugend, schließlich gibt es auch Suchmaschinen, die ganz ohne Speicherung von Nutzungsdaten auskommen, etwa den niederländischen Dienst Ixquick."
Die öffentliche Debatte um die Nutzung und Sicherheit von Daten in den Internet-Suchmaschinen steht im Prinzip noch ganz am Anfang. Zu rasant war der technologische Fortschritt in den vergangenen Jahren. Nun folgt allmählich das Bewusstsein, wohin die weitere Reise im Netz womöglich geht. Und das kann nicht schlecht sein.