Polit-Theater: Was treibt Innensenator Schill zu der absurden Idee, das Schauspielhaus zu schließen?

Hamburg. "Für mich ist der Mensch ein eigennütziges Wesen, das berechnend seinen eigenen Vorteil abwägt gegen das Risiko, Nachteile in Kauf nehmen zu müssen." So hat Hamburgs Innensenator Ronald Barnabas Schill in einem Gespräch mit dem Talk-Pastor Jürgen Fliege einst seine Vorstellung des Homo sapiens beschrieben. Als er noch Amtsrichter war, hat er durch Urteilssprüche, die ihm den Beinamen "Richter Gnadenlos" und als Politiker Vergleiche mit dem Kärntner Law-and-Order-Populisten Jörg Haider einbrachten, alles andere als Vorteile einheimsen können. Nun, als Zweiter Bürgermeister, der mit einem so genannten bürgernahen Wahlprogramm ein Ergebnis erzielt hatte, von dem manch andere Partei nur träumen konnte, häuft er Nachteile auf sein Haupt und bestätigt den traurigen Ruf der Hanseaten als Pfeffersäcke und Kulturbanausen. Schill will das Hamburger Schauspielhaus schließen. Ausgerechnet jenes Haus, das in einer Zeit, da überall in deutschen Landen die Bühnen von der Gnade von Fürsten- und Königshäusern abhängig waren, von Hamburger Bürgern gegründet worden war. 84 private hanseatische Kaufleute hatten dafür anno 1900 das Grundkapital von einer Million Mark aufgebracht. Zwar hat das größte deutsche Sprechtheater weiß Gott schon viele Höhen und Tiefen durchmachen müssen, aber Schills Begründung ist Premiere: "Da geht keiner hin, es steht meist leer und kostet nur Geld." Woher weiß er das? Fest steht, dass zumindest er nicht hingeht. Demgegenüber stehen 160 000 Besucher, die in der vergangenen Spielzeit gezählt wurden. Das sind so viele Leute, wie das Schleswig-Holstein Musik-Festival und die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern in einem Sommer besuchen - beide Festivitäten zusammen, wohlgemerkt. Wollte man sich mit Schills Argumenten wirklich ernsthaft auseinander setzen, so sei auf ein schlechtes Berliner Beispiel hingewiesen. Die haben 1993 das Schiller-Theater geschlossen. An den mehr als 20 Millionen Euro teuren Folgekosten hatte der Senat noch Jahre zu beißen. Zudem konnte damals viel Personal an anderen städtischen Berliner Bühnen unterkommen, was die Kosten minderte - heute auch in Hamburg eine Illusion. Vor allem aber tut der Innensenator seiner Kollegin Dana Horakova vom Kulturressort mit seiner Forderung - die er noch einmal ausdrücklich bekräftigte - keinen Gefallen. Sie möchte in diesen Wochen mit Intendanten-Kandidaten für das Schauspielhaus verhandeln. Da bedeutet nicht nur ihre öffentlich geäußerte Kritik am jetzigen Amtsinhaber Stromberg, sondern auch die Aussicht auf eine mögliche Schließung des Hauses alles andere als eine Motivation für nur halbwegs interessierte und qualifizierte Kandidaten. Eine miese Position zum Verhandeln. Und noch einem anderen Senatskollegen fiel Schill vorschnell in den Rücken. Sein Schließungsvorschlag sei von Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) unterstützt worden, hatte er seine Pläne untermauert. Dazu sagte Peiner jetzt: "Ich habe derartige Vorschläge weder geäußert noch unterstützt." Er befürworte lediglich eine gemeinsame Betreibergesellschaft für die drei Staatstheater - also neben dem Schauspielhaus das Thalia-Theater und die Staatsoper -, die zentral für Ein- und Verkauf, Verwaltung, Technik und Werkstätten zuständig sein könnte. Er weiß: Wenn Hamburg sich das Haus leisten will, muss es auch bezahlt werden. Sollte Schill sich mit seinem skurrilen Plan Vorteile als Politiker zu verschaffen suchen, so sind diese zumindest nicht durchschaubar. Das Schauspielhaus wäre das falsche Objekt. Jürgen Flimm, der langjährige Intendant des Thalia-Theaters, wünschte den Innensenator ob dessen Ideen gleich "oben zwischen die Kräne von Jeff Koons auf den Spielbudenplatz". Zumindest sind sie ein schrilles Stück absurden Hamburger Theaters. Auch wenn Bürgermeister Ole von Beust versichert "Kein Theater wird geschlossen" - mit derlei Annoncen verspielt die Stadt leichtfertig einen Ruf, den sie sich über Generationen hinweg erworben hat.