Der Journalistenpreis wurde im Schauspielhaus an “Bild“ vergeben. “Geo“-Chef Peter-Matthias Gaede tritt als Juror zurück. “SZ“ lehnt Ehrung ab.

Hamburg. Der Skandal schlich sich ausgesucht höflich an: "Wir bitten um Verzeihung, aber wir möchten den Preis nicht annehmen", sagte Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung", als die Verleihung des Henri-Nannen-Preises im Schauspielhaus gerade einmal eine Stunde alt war. Die "SZ"-Redakteure Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter sollten für ihr Stück ausgezeichnet werden, mit dem sie in der Kategorie Investigation den Formel-1-Skandal der Bayerischen Landesbank aufgedeckt hatten - mussten sich den Preis jedoch mit den Kollegen der "Bild"-Zeitung, Nikolaus Harbusch und Martin Heidemanns, teilen. Die "Bild"-Reporter erhielten den Preis für ihre Story über Christian Wulffs Hausbaukredit, die letztlich zu dessen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten führte. Dass die Boulevardzeitung beim Nannen-Preis ausgezeichnet werde, halte er "ein Stück weit für einen Kulturbruch", sagte Leyendecker - und zitierte aus der Bibel: "Deine Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein." Weil die Jury sich zu keiner klaren Entscheidung durchringen konnte ("Keine Diskussion hat so viel Zeit in Anspruch genommen wie die über die Kategorie Investigation", sagte ihr Sprecher Helmut Markwort), hatten sich die "SZ"-Männer für ein deutliches Zeichen entschieden.

Und somit hatte die Verleihung, wie schon im Vorjahr, ihren Aufreger: Da hatte die Jury den Preis in der Kategorie Reportage dem "Spiegel"-Redakteur René Pfister für ein Porträt über Horst Seehofer zuerkannt - und ihn wenige Tage später wieder aberkannt. Auch damals herrschte unter den Juroren keine Einigkeit: Der "SZ"-Chefredakteur Kurt Kister und "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher traten damals aus der Jury aus. Einen Rücktritt gab es auch dieses Mal - allerdings bereits vor der Verleihung: Via Mail erklärte "Geo"-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, er werde wegen der Preisverleihung an "Bild" die Jury verlassen. Der Ton der Mail ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Davon erfuhr das Publikum im Schauspielhaus - hier soll die Gala in diesem Jahr zum vorerst letzten Mal stattfinden - allerdings nichts.

+++ Die Preisträger +++

Ob der Preis nun beschädigt sei, wollte Moderatorin Judith Rakers nach der Ablehnung der Auszeichnung durch die "SZ"-Redakteure von Andreas Wolfers wissen, der die Henri-Nannen-Journalistenschule des Gastgebers Gruner + Jahr leitet. "Nein", sagte Wolfers mit tapferer Stimme. Über Journalismus und dessen Aufgaben, über Texte und Textqualität könne man schließlich nicht genug diskutieren. Beim Nannen-Preis, so scheint es, nimmt diese Diskussion gern dramatische Formen an.

+++ Skandal beim Henri-Nannen-Preis im Schauspielhaus +++

Gänzlich unumstritten war hingegen der Preis, der an den großen Hamburger Fotografen F.C. Gundlach ging. Er wurde für sein Lebenswerk geehrt. Einen weiteren Ehrenpreis erhielt der Redakteur des Londoner Tageszeitung "The Guardian", Nick Davies, der die Abhör- und Bestechungsaffäre um das Boulevardblatt "News of the World" aufgedeckt hatte.

Netzwerk Recherche fordert Reform vom Nannen-Preis

Nach der Vergabe des Henri-Nannen-Preises an Journalisten der „Bild“-Zeitung fordert das Netzwerk Recherche eine Reform der Auszeichnung. „Der Jury des Nannen-Preises fehlt offenbar zum wiederholten Mal ein klares Verständnis für die journalistischen Kriterien“, erklärte am Samstag der Verein investigativer Journalisten in Deutschland. Im Fall der Auszeichnung der „Bild“-Zeitung in der Kategorie „Investigation“ „verwechselt sie einen erfolgreichen „Scoop“ mit der besten investigativen Leistung“, kritisierte das Netzwerk. Der Preis sollte sich künftig am Pulitzer-Preis der USA orientieren, bei dem Fachleute in der Hauptjury säßen und nicht Chefredakteure und Prominente.

Mit Material von der dpa