Braak. Der Christstollen ist die Königsdisziplin der Weihnachtsbäckerei. Die Braaker Mühle war Gastgeber der Stollenprüfung.
Es duftet nach frischen Backwaren. In der Müllerstube der Braaker Mühle, wo normalerweise Gäste des Bäckereibetriebes verweilen, herrscht an diesem Donnerstagvormittag eine Menge Trubel. Und der dreht sich um ein Gebäck, das zur Weihnachtszeit gehört wie der Hase zu Ostern: Der Christstollen: Aufwendig hergestellt und lange gereift, ist seine Herstellung so etwas wie die Königsdisziplin der Weihnachtsbäckerei.
Gerade probiert Prüfer Jens Wallenstein vom Deutschen Brotinstitut den Stollen Nummer 5 für diesen Tag. Der 52-Jährige wiegt das gute Stück in beiden Händen, schneidet es behutsam auf, riecht daran und schiebt sich schließlich ein Stück in den Mund. Das Urteil lässt nicht lange auf sich warten – und fällt mehr als positiv aus. „Der ist tadellos“, sagt der Stollenprüfer. Geschmack, Saftigkeit, Zuckerkruste – hier stimmt einfach alles. Das findet auch Joachim Lessau, Seniorchef der Braaker Mühle, der dem Stollentester assistiert und das Gebäck anreicht.
Weihnachten: Braaker Mühle ist zum ersten Mal Gastgeber der Stollenprüfung
Zum ersten Mal ist die Braaker Mühle Gastgeber der Stollenprüfung der Bäckerinnung Nord. Die hat lange Tradition und findet seit 1953 jährlich statt. Etwa 30 Stollen aus sieben Bäckereien aus Stormarn, dem Herzogtum Lauenburg und Lübeck werden auf Herz und Nieren getestet. Stollentester Jens Wallenstein ist dafür extra aus dem ostfriesischen Leer, wo er Bäckermeister und Berufsschullehrer ist, angereist. Seit sechs Jahren testet er nebenberuflich für das Deutsche Brotinstitut das Weihnachtsgebäck. „Ich habe mich nach einer neuen Herausforderung gesehnt und mache das sehr gerne“, so Wallenstein.
So gut wie Stollen Nummer 5 schneidet übrigens nicht jeder ab. Um den Geschmack zu neutralisieren, trinkt Wallenstein zwischen jedem Stollen schwarzen Tee. An einem anderen Kandidaten hat der Tester etwas auszusetzen. „Die Kruste hatte zu wenig Zucker“, sagt der Experte. Welchen Stollen von welcher Bäckerei er gerade probiert, weiß Wallenstein übrigens nicht. Die Prüfung findet anonym statt. Bäckereien können sich freiwillig dem Test vom Fachmann unterziehen. Wenn sie die Kriterien erfüllen, erhalten sie ein Qualitätssiegel – und in jedem Fall Feedback vom Fachmann.
Bäckereien werden auf Fehler hingewiesen und bekomme Verbesserungsvorschläge
„Sinn und Zweck des Ganzen ist die Qualitätsüberprüfung“, so Wallenstein. Die Bäckereien werden auf Fehler hingewiesen und bekommen Verbesserungsvorschläge. Das sei bei Stollen speziell wichtig, weil es ein hochwertiges und kostspieliges Produkt ist. Wallenstein: „Der Kilopreis liegt in diesem Jahr zwischen 20 und 30 Euro.“ 1329 erstmalig erwähnt, ist der Stollen als Traditionsgebäck heutzutage nicht mehr aus der Weihnachtszeit wegzudenken. Der brotähnliche Kuchen mit Rosinen, Marzipan oder Mohn soll, dick mit Puderzucker bestreut, an das eingewickelte Christkind erinnern.
Wenn Wallenstein die Stollen unter die Lupe nimmt, achtet er auf die Kriterien Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität, Geruch und natürlich Geschmack. „Ein richtig guter Stollen ist saftig, hat ein abgerundetes Aroma, bei dem kein Gewürz besonders hervorsticht, und einen durchgehenden Zuckerüberzug ohne Fehler“, so der Ostfriese. Bewertet wird auf einer Punkteskala von 0 bis 100.
Bei der Herstellung des aufwendige Gebäcks kann einiges schief gehen
Bei der aufwendigen Herstellung des Gebäcks könne aber auch einiges schief gehen. „Die Kruste kann aus zu viel oder zu wenig Zucker bestehen, der Stollen kann von Nässe durchweicht sein oder der Geschmack stimmt nicht, zum Beispiel, wenn der Stollen seifig schmeckt“, sagt Wallenstein. Mängel im Geschmack ergeben sich häufig durch Fehler in den Rohstoffen. „Mohn ist sehr anfällig dafür“, weiß der Experte.
Die Braaker Mühle schickt in diesem Jahr selbst ihre vier Stollen ins Rennen. Der Betrieb hat den klassischen Butterstollen und Varianten mit Marzipan, Mohn und Cranberry im Angebot. „Unser Ziel ist es, die Goldmedaille zu bekommen“, sagt Geschäftsführer und Bäckermeister Tim Lessau. Die erhält eine Bäckerei, wenn ihr Stollen dreimal hintereinander mit der Wertung „Sehr gut“ ausgezeichnet wird. Die vergangenen Jahre konnte die Braaker Mühle den Prüfer bereits überzeugen.
Weihnachten: Der Stollen muss lange saftig bleiben
„Wir sind zufrieden mit unseren Stollen“, sagt Lessau. Dafür haben er und sein Team auch keine Kosten und Mühen gescheut. „Stollen ist ein sehr besonderes Gebäck mit hochwertigen Zutaten und so etwas wie das Meisterwerk der Bäcker“, so der Geschäftsführer. Wichtig und gar nicht so leicht hinzubekommen sei die Saftigkeit. „Die muss auch nach bis zu zehn Wochen noch gewährleistet sein“, sagt Lessau. Außerdem müsse das Aroma stimmen und der Stollen insgesamt durch ein stimmiges Geschmacksensemble bestechen. Lessau: „Der Prozess ist gar nicht so einfach.“ Für Stollen wird ein schwerer Hefeteig verwendet. Man müsse mit Vorteigen arbeiten und das Gebäck lange reifen lassen.
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Übrigens: Ob mit oder ohne Marzipan, darauf gibt es laut Lessau keine richtige oder falsche Antwort. Das ist schlicht eine Geschmacksfrage. „Marzipan ist ein hochwertiger Rohstoff, den ich gerne einsetze. Wir hoffen aber, dass bei unseren Sorten für jeden Kunden das Passende dabei ist.“ Lessau selbst ist übrigens auch privat Fan des weihnachtlichen Gebäcks: „Ich liebe Stollen. Am liebsten mit Butter bestrichen und Spekulatius dazu.“