Glinde. Stadtvertretung beschließt mit Stimmen von CDU und FDP Aufweichung. SPD schaltet nun die Kommunalaufsicht ein. Kritik auch von Grünen.

Der Antrag stand nicht das erste Mal auf der Tagesordnung: Er stammt von der FDP und beinhaltet das Aufweichen der Baumschutzsatzung in Glinde. In der Vergangenheit wurde er kurzfristig zurückgezogen, weil in der Stadtvertretung nicht genug CDU-Politiker am Start waren, um das Vorhaben durchzubringen. Auf der jüngsten Sitzung hat es geklappt – mit der Einstimmenmehrheit von Liberalen und Christdemokraten. Der lange Streit um die Novellierung ist damit aber nicht beendet. Die SPD zweifelt die Rechtmäßigkeit des Beschlusses in dem Gremium an, schaltet nun die Kommunalaufsicht zwecks Prüfung ein.

„Das ist eine Sauerei, ich hoffe, dass der Beschluss einkassiert wird“, sagt Peter Michael Geierhaas, umweltpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten. Der 73-Jährige prangert die Vorgehensweise des Parteien-Duos an und ist richtig auf Zinne. Seiner Meinung nach muss sich vorerst der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz mit der Angelegenheit befassen und votieren. Deswegen hatte die SPD vorgeschlagen, das Thema nicht in der Stadtvertretung zu behandeln. Das Ansinnen wurde abgeschmettert.

Im Fachausschuss kam es bei Abstimmung zu einem Patt

Im März hatte das Fachgremium bereits getagt. CDU und FDP waren sich im Vorfeld einig, der Verwaltungsvorlage zuzustimmen. Doch als es darauf ankam, enthielt sich Daniela Andersch, die Vertreterin der Liberalen. Dadurch gab es ein Patt, eine neue Verordnung konnte somit nicht umgesetzt werden. Bei den Christdemokraten herrschte Unverständnis. Nach internen Gesprächen stand für die FDP-Fraktion fest: Sie will über das Dokument aus dem Rathaus noch einmal abstimmen lassen – direkt im Stadtparlament und ohne eine Empfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz. „Das ist Trickserei und zutiefst undemokratisch. Dadurch hat es einen großen Bruch innerhalb der Politik gegeben. Ich hoffe, dass CDU und FDP bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr die Quittung dafür bekommen“, sagt Petra Grüner, Fraktionschefin der Grünen. Ihr Pendant von den Liberalen, Thomas Kopsch, hat kein Verständnis für die Kritik: „Ähnliche Verfahrensweisen gab es in anderen Stormarner Städten. Ich bin zuversichtlich, dass der Beschluss als rechtmäßig eingestuft wird.“

Ein Bild aus 2017: SPD-Politiker Peter Michael Geierhaas (l.) und Martin Rusche (Grüne) waren treibende Kräfte der Wiedereinführung der Baumschutzsatzung.
Ein Bild aus 2017: SPD-Politiker Peter Michael Geierhaas (l.) und Martin Rusche (Grüne) waren treibende Kräfte der Wiedereinführung der Baumschutzsatzung. © BGZ | Unbekannt

Die Neuausrichtung im Umgang mit Bäumen ist eine Idee des Bürgermeisters. Rainhard Zug will die Akzeptanz der Satzung erhöhen und vor allem den Verwaltungsaufwand reduzieren. Er benannte zum Beispiel das Problem, dass beim Knickschutz Doppelanträge gestellt werden müssten. Das binde Kapazitäten im Rathaus. Die wesentlichen Änderungen sind folgende: Der Stammumfang für das Einholen einer Fällgenehmigung wird von 80 auf 100 Zentimeter angehoben. Somit können Grundstückseigentümer die noch nicht so dicken Bäume ohne Antrag absägen. Außerdem sind Birken nicht mehr Bestandteil der Satzung.

Bürgermeister wollte Satzung 2020 abschaffen

Für SPD und Grüne ist das ein Unding. „Der Klimawandel ist greifbar für jeden. Deshalb brauchen wir eine klare Baumschutzsatzung und nicht das, was jetzt in Glinde durchgesetzt wurde“, sagt Grüner. Sozialdemokrat Geierhaas formuliert sein Unbehagen drastischer: „In diesen Zeiten ist so eine weichgespülte Geschichte dummes Zeug und aus umweltpolitischer Sicht eine Katastrophe.“

Christdemokraten und Liberale halten es dagegen nicht für nötig, dass Glinde überhaupt eine Baumschutzsatzung hat. Kopsch will die Streitfrage dauerhaft befrieden und Kontinuität. Er sieht die Novellierung als Kompromiss zwischen Maximalpositionen. „Sie ist auf jeden Fall eine Erleichterung für Bürger und die Verwaltung. Aufwand und Nutzen standen bislang in keinem Verhältnis zueinander“, so der Liberale.

Bereits im August 2020 hatten sich die Politiker ordentlich gefetzt, als Zug die Vorschrift abschaffen wollte und eine Vorlage im Bauausschuss präsentierte. Sein Wunsch: Für Glinde sollte das Landesnaturschutzgesetz maßgeblich sein. Bei Verstößen und Streitigkeiten mit Bürgern wäre dann nicht mehr seine Behörde zuständig.

Machtverhältnisse in Gremien änderten sich im Sommer 2021

Die SPD ging den Verwaltungschef hart an, bezeichnete seine Argumente als „hanebüchen“. Auch damals sprach Zug von fehlender Akzeptanz und der Bindung von zu vielen personellen Ressourcen. SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach und sein Pendant von den Christdemokraten, Rainer Neumann, gerieten verbal aneinander. CDU und FDP waren auf einer Linie mit dem Bürgermeister. Zu dieser Zeit hatten SPD und Grüne eine Mehrheit in den Gremien. Deshalb blieb die Vorschrift bestehen. Vor einem Jahr und mitten in der Legislaturperiode änderten sich die Machtverhältnisse. Ursula Stawinoga, langjährige Stadtvertreterin der Sozialdemokraten, wechselte die Seiten und schloss sich der Fraktion der Christdemokraten an. Mitglied der Partei wurde sie nicht. Seitdem kann Schwarz-Gelb alles durchpeitschen.

Das Thema Baumschutzsatzung in Glinde hat eine noch längere Vorgeschichte. 2011 war sie aufgehoben worden, auch mit Stimmen der SPD. Sie änderte dann aber ihre Meinung und war mit den Grünen auf einem Nenner. Die beiden Parteien klagten, dass Bürger auch geschützte Bäume fällen, weil sie von anderen rechtlichen Vorgaben gar nichts wüssten. Bei den Sozialdemokraten war vor allem Geierhaas treibende Kraft der Wiedereinführung. Die neue Satzung wurde im Mai 2018 beschlossen. Geierhaas wähnte sich am Ziel. Sein Frust ist nachvollziehbar.